# taz.de -- Chef von Rüstungsverband über Sicherheit: „Es gilt das Recht de… | |
> Zur Münchner Sicherheitskonferenz kritisiert Rüstungsverbandschef Hans | |
> Christoph Atzpodien die Erwägungen der EU, mehr Waffen von den USA zu | |
> kaufen. | |
Bild: Die Rüstungsindustrie steht hoch im Kurs: Mit Russlands Überfall auf di… | |
taz: Herr Atzpodien, Sie vertreten mit dem Bundesverband der Deutschen | |
Sicherheits- und Verteidigungsindustrie die deutsche Rüstungsindustrie. | |
Mit Russlands Überfall auf die Ukraine ist die Nachfrage nach Waffen stark | |
gestiegen. Ist für Sie das goldene Zeitalter angebrochen? | |
Hans Christoph Atzpodien: Das werde ich oft gefragt. Es ist aber nicht so, | |
denn niemand wünscht sich Krieg. Wir müssen feststellen, dass die | |
vertragsbasierte Friedensordnung nicht mehr gilt, sondern das Recht des | |
Stärkeren. Wir spüren eine große Verantwortung, mehr Ausrüstung schneller | |
zu liefern. Die Unternehmen unserer Branche haben in den letzten drei | |
Jahren ihre Kapazitäten zum Teil sehr erheblich ausgeweitet, oft auch auf | |
eigenes wirtschaftliches Risiko. | |
taz: Alle Parteien der politischen Mitte, also Union, SPD, FDP und Grüne, | |
[1][werben im Wahlkampf mit höheren Rüstungsausgaben]. Haben Sie schon den | |
Sekt kaltgestellt? | |
Atzpodien: Das sind die falschen Kategorien. Die Parteien, die – in welcher | |
Konstellation auch immer – eine nächste Bundesregierung bilden werden, | |
sprechen aus gutem Grund von höheren Verteidigungsausgaben: Deutschland hat | |
der Nato Zusagen für militärische Fähigkeiten gegeben. Für diese | |
Fähigkeiten ist die Bundeswehr noch nicht entsprechend ausgerüstet. | |
taz: Wenn man sich die [2][enormen Kurssteigerungen] beispielsweise der | |
Rheinmetall-Aktie anschaut, scheint die Gewinnmarge ja nicht so schlecht zu | |
sein. Da investiert ja niemand, wenn er davon nichts hat. | |
Atzpodien: Wenn wir in Deutschland die Bundeswehr beliefern, dann gilt das | |
öffentliche Preisrecht. Das gibt es seit den 1950er Jahren und limitiert | |
den Gewinn, den ein Unternehmen machen kann, sehr stark. Der Kurs der | |
Rheinmetall-Aktie oder anderer Anteile von Rüstungsunternehmen ergibt sich | |
daraus, dass Anleger auf den weltweiten Rüstungsmarkt blicken und hierin | |
ein attraktives Geschäft sehen. Da schauen sie längst nicht nur auf das | |
deutsche Geschäft. | |
taz: Der grüne Spitzenkandidat Robert Habeck fordert, künftig nicht mehr | |
nur 2, sondern 3,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigung | |
auszugeben. Sehen Sie das auch so? | |
Atzpodien: Solche Richtwerte sind immer schwierig, obwohl sie sich | |
eingebürgert haben. Die Nato hat das berühmte 2-Prozent-Ziel 2014 nach der | |
russischen Annexion der Krim verabredet. Jetzt sagt der | |
Nato-Generalsekretär, wir werden künftig in Deutschland mehr als 3 Prozent | |
vom Bruttoinlandsprodukt für Verteidigung aufwenden müssen. Klar ist, dass | |
die Bundeswehr höhere Anforderungen hat und wir dafür mehr ausgeben müssen. | |
taz: Aber ist eine Orientierung an der Wirtschaftsleistung eines Landes | |
nicht völlig untauglich, weil es doch eigentlich darum gehen müsste, | |
zunächst den militärischen Bedarf zu bestimmen und auf dieser Basis dann | |
den finanziellen Bedarf zu ermitteln? | |
Atzpodien: Es gibt eine Nato-Planung, die den einzelnen Mitgliedstaaten | |
genaue Bringschulden zuweist, was die beizubringenden Fähigkeiten angeht. | |
Prozentsätze sind nur Richtwerte, die eine äußere Symbolkraft entfalten. | |
Doch die wirklichen Bedarfe leiten sich ab aus dem, was die Nato anfordert. | |
taz: Sie meinen also nicht, dass die Fixierung auf das Bruttoinlandsprodukt | |
eine Einladung an die Rüstungsindustrie ist, ihre Produkte möglichst teuer | |
an den Staat zu verkaufen? | |
Atzpodien: Noch mal: Es gibt ein öffentliches Preisrecht, das die Art der | |
Kalkulation und die Gewinnmarge vorschreibt. Wir sind überhaupt nicht in | |
der Lage, Güter „möglichst teuer“ zu verkaufen. Im Übrigen gibt es immer | |
Wettbewerb, an dem man sich messen lassen muss. | |
taz: Auch ohne die USA geben die Nato-Staaten viel mehr für die Rüstung aus | |
als Russland. Kaufkraftbereinigt stehen 430 Milliarden Dollar der | |
europäischen Nato-Staaten 300 Milliarden Dollar Russlands gegenüber. | |
Produziert die europäische Rüstungsindustrie vielleicht zu ineffektiv? | |
Atzpodien: Ich glaube nicht, dass Ihre Schlussfolgerung richtig ist. Das | |
Problem liegt eher darin, dass ein Verteidigungsbündnis wie die Nato sich | |
auf sehr unterschiedliche Verteidigungsszenarien einstellen muss, während | |
ein möglicher Angreifer es sich einfacher machen kann. Die Vielfalt der | |
Bereiche, in denen wir abschreckungsfähig sein müssen, führt dazu, dass wir | |
in Summe mehr ausgeben müssen. | |
taz: Die südkoreanischen Kampfpanzer K2 Black Panther hat ähnliche | |
Eigenschaften wie der Leopard 2A7, ist aber deutlich günstiger als das | |
deutsche Modell. Wäre es da nicht für die Bundeswehr effizienter und | |
klüger, das Modell aus Südkorea zu kaufen? | |
Atzpodien: Auch das ist nicht so einfach, wie Sie es darstellen. Wir | |
Deutschen sind bekannt dafür, dass wir besonders hohe Anforderungen an | |
militärisches Gerät haben. Die deutschen Hersteller haben sich darauf | |
eingestellt. Auch darf man nicht ungleiche Dinge miteinander vergleichen. | |
taz: Polen hat sich jetzt für den südkoreanischen Panzer entschieden. | |
Atzpodien: Bedauerlicherweise. | |
taz: Ist Ihr Bedauern ein militärisches oder ein ökonomisches? | |
Atzpodien: Das sage ich als Vertreter der deutschen Sicherheits- und | |
Verteidigungsindustrie. | |
taz: Befürchten Sie eigentlich, dass Ihnen [3][wegen Donald Trump Aufträge | |
verloren gehen könnten], weil der US-amerikanische Präsident „Deals“ für | |
die Rüstungsindustrie seines Landes macht? | |
Atzpodien: Darüber will ich nicht spekulieren. Ich sage nur, dass natürlich | |
auch die künftige Bundesregierung gut beraten ist, aus | |
Souveränitätsgründen darauf zu achten, dass die Lieferungen für die | |
Bundeswehr von der eigenen Industrie kommen. Dass aktuell auch in Brüssel | |
Denkspiele darüber angestellt werden, ob man US-Zölle vermeiden könnte, | |
indem man mehr Rüstung für Europa in den USA einkauft, finde ich | |
befremdlich. Es geht bei der Ausrüstung unserer Streitkräfte immer auch um | |
Souveränität, um Kompetenzen, um Arbeitsplätze und um Steuern. | |
taz: Könnte die deutsche Rüstungsindustrie dann nicht sagen: Dann | |
konzentrieren wir uns jetzt genau darauf und exportieren keine Waffen mehr | |
ins Ausland? | |
Atzpodien: Der Rüstungsexport ist ohnehin kein so dominantes Thema. Wir | |
haben ja schon in den letzten Jahren akzeptieren müssen, dass es beim | |
Export in Drittländer, also in Länder außerhalb der EU und der Nato, | |
relativ wenig Spielräume gab. | |
taz: Warum haben Sie dann gegen das Rüstungsexportkontrollgesetz lobbyiert? | |
In der Vergangenheit war Ihre Argumentation, die Binnennachfrage sei so | |
schwach, dass die Industrie ohne die Exporte nicht wirtschaftlich arbeiten | |
könne. | |
Atzpodien: Nicht alle Unternehmen haben eine ausreichend starke | |
Binnennachfrage. Außerdem ist mit den bisherigen Regelungen nach unserer | |
Auffassung sichergestellt, dass Waffen aus deutscher Produktion nicht in | |
die falschen Hände geraten können. Immer schon haben wir die Entscheidungen | |
des Bundessicherheitsrats, der über die Exportgenehmigungen zu entscheiden | |
hat, in den jeweiligen Einzelfällen akzeptiert. Das geplante Gesetz | |
entsprang aus unserer Sicht einem überzogenen Reglementierungsdrang, der | |
die außen- und sicherheitspolitischen Spielräume der Bundesregierung zu | |
stark eingeschränkt hätte. | |
taz: Sie werben damit, dass Sicherheit die Mutter der Nachhaltigkeit wäre. | |
Ist das nicht etwas zynisch? | |
Atzpodien: Da Krieg Umwelt und soziale Werte vernichtet, stellenWaffen, die | |
dazu beitragen, dass bei uns Krieg verhindert wird, einen positiven Beitrag | |
zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen dar. Das sind vor allem solche | |
Waffen, die der Ausrüstung unserer Bundeswehr und der Nato-Streitkräfte | |
dienen. | |
taz: Aber es ist ein kleiner Trick dabei, oder? Waffen können nur dann | |
nachhaltig sein, wenn man sie nicht einsetzt, wenn sie also der | |
Abschreckung dienen. Was die Türkei in Teilen von Syrien macht, ist jedoch | |
nicht nachhaltig. Was die Bundeswehr und die anderen Nato-Staaten in | |
Afghanistan gemacht haben, war auch nicht nachhaltig. Die Waffen, die Sie | |
produzieren, werden auch eingesetzt. | |
Atzpodien: Noch mal: Nachhaltigkeit ist die Erhaltung unserer | |
Lebensgrundlagen für uns und für kommende Generationen. Krieg ist das | |
Gegenteil von Nachhaltigkeit. | |
taz: Eben. | |
Atzpodien: Kann man einen Krieg verhindern ohne Waffen? Diejenigen, die das | |
behaupten, sind eine absolute Minderheit. Die Mehrheit sagt, wir brauchen | |
Waffen in den Händen defensiv verfasster Streitkräfte, wie sie in der Nato | |
versammelt sind. Ich bin bei Ihnen, dass jede Waffe, die zum Einsatz kommt, | |
auch Schäden anrichten kann. Aber das Ziel, das wir ja gemeinsam haben, | |
ist, dass wir Frieden gewährleisten. Das muss man als übergeordnetes | |
Prinzip anerkennen, insofern würde ich bei meinem Anspruch bleiben: Waffen | |
in den Händen der Bundeswehr und anderer Nato-Streitkräfte bilden einen | |
Beitrag zur Erhaltung unserer Lebensgrundlagen. | |
14 Feb 2025 | |
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