# taz.de -- Kommunikationswissenschaftler: „Fake News muss man schon glauben … | |
> Welchen Einfluss haben Social Media und KI auf den Wahlkampf? | |
> Kommunikationswissenschaftler Jörg Haßler über den medialen | |
> Nachrichtenkreislauf. | |
Bild: „Die Trennung zwischen digitalem und analogem Raum ist nicht mehr sinnv… | |
taz: Herr Haßler, wird der Winterwahlkampf im digitalen Raum entschieden? | |
Jörg Haßler: Die Trennung zwischen digitalem und analogem Raum ist nicht | |
mehr sinnvoll, das Mediensystem ist eng verknüpft. | |
Warum? | |
Analoge Ereignisse wie der Haustürwahlkampf werden von den Parteien in | |
Social Media aufgegriffen. Die Botschaften landen wiederum in der | |
„Tagesschau“ und den Zeitungen. So entsteht ein Nachrichtenkreislauf. | |
Ausschlaggebend ist weniger, wo Themen aufploppen, sondern welche davon für | |
die Bevölkerung wichtig sind. | |
Sie haben der Deutschen Welle kürzlich gesagt: „Mit Social Media kann man | |
keine Wahlen gewinnen, aber Wahlen verlieren.“ Soziale Medien haben darauf | |
also sehr wohl Einfluss. | |
Ja, das war bei CDU-Kandidat [1][Armin Laschet] 2021 der Fall. Da wurde ein | |
kleiner Ausschnitt aus einem TV-Livestream, der ihn lachend nach dem | |
[2][Hochwasser im Ahrtal] zeigt, auf Social Media so richtig hochgekocht – | |
und dann natürlich wieder in den Medien ausgespielt. Das hat sich in den | |
Umfragen niedergeschlagen. So etwas ist auch im aktuellen Wahlkampf | |
möglich. | |
Welche Themen sind denn gerade besonders auffällig in den sozialen Medien? | |
Insgesamt zeigen unsere Daten, dass dort vor allem mit dem [3][Thema | |
Migration Wahlkampf] gemacht wird. Auch durch die hohe Vermarktbarkeit | |
dieses Themas auf den Plattformen war es in den letzten vier Jahren | |
kontinuierlich im öffentlichen Bewusstsein. Denken Sie zum Beispiel an die | |
aktuellen Äußerungen der Union zur Staatsbürgerschaft. Das ist ein Thema, | |
was sich bei Social Media extrem gut spielen lässt und dann vom | |
Journalismus wieder aufgegriffen wird. So rückt das Thema immer höher und | |
höher auf der Agenda. | |
In diesem Wahlkampf können wir auch beobachten, dass die direkte | |
Kommunikation zwischen Parteien und Bürger:innen zunimmt, ohne den Umweg | |
über die Medien. Wie bei der Küchentisch-Kampagne von Robert Habeck, die | |
auf Social Media groß gespielt wird. | |
Robert Habeck gelingt es dadurch, eine gewisse Nahbarkeit herzustellen. | |
Aber das muss man differenziert betrachten: Auf der einen Seite wird das | |
als positiv wahrgenommen. Auf der anderen Seite spiegelt sich eine | |
Social-Media-Kampagne nicht eins zu eins in den Umfragen wider. Bislang | |
konnten die Grünen dadurch keine riesige Aufholjagd starten. | |
Welche Parteien sind denn am erfolgreichsten auf den Plattformen? | |
Unsere Studien zeigen, dass auf Facebook die AfD die Nase vorne hat. Auf | |
Instagram haben in den vergangenen Jahren die Grünen und FDP die größte | |
Reichweite erzielt und die meisten Follower gesammelt. Und [4][auf Tiktok | |
ist die AfD voll durchgestartet]. | |
Welchen Einfluss haben Fake News? | |
Es ist extrem schwierig, den Einfluss von einzelnen Falschnachrichten zu | |
identifizieren. Aus der Psychologie wissen wir, dass wir Informationen, die | |
unsere Meinung bestätigen, in unsere Vorstellungswelt integrieren. Diese | |
hinterfragen wir weniger kritisch. | |
Können Sie ein Beispiel nennen? | |
In der Vergangenheit hat es vielerorts Straßenproteste gegen Geflüchtete | |
und Asylbewerberheime gegeben. Davor hatten sich Nachrichten sehr schnell | |
in Facebook-Gruppen verbreitet. Später hat sich herausgestellt, dass es | |
sich um Falschinformationen gehandelt hatte. Fake News muss man schon | |
glauben wollen. | |
Der Chef von Facebook und Instagram, Mark Zuckerberg, hat verkündet, dass | |
es auf seinen Plattformen keine Faktenchecks mehr geben soll, [5][zuerst | |
für User in den USA.] | |
Jetzt werden Probleme sichtbar, die mit der privaten Eigentümerschaft | |
dieser Social-Media-Plattformen zusammenhängen. Sie regeln den Umgang mit | |
Fakten und Hassrede einfach selbst. Wissenschaftliche Befunde zeigen, dass | |
Faktenchecks die Wirkung von Falschinformationen vermindern können. Dass | |
Fakten nun erst mal nicht mehr systematisch geprüft werden sollen, ist aus | |
normativer Sicht problematisch. Und es verändert die digitale Kultur. | |
Immer wieder sieht man auf den Plattformen auch KI-generierte Inhalte. Gibt | |
es dadurch mehr Fake News? | |
Anders als die anderen Parteien hat die AfD die Selbstverpflichtung | |
abgelehnt, im Wahlkampf auf KI-Inhalte zu verzichten. Bei der AfD haben wir | |
am häufigsten gesehen, dass sie künstliche Intelligenz einsetzt und zum | |
Beispiel Bilder generiert. Aber auch Markus Söder von der CSU hat auf | |
Instagram schon KI-Videos ohne Kennzeichnung gepostet – trotz der | |
Selbstverpflichtung. | |
Muss man das als aufkommende Gefahr ansehen? | |
Insgesamt ist der Einsatz künstlicher Intelligenz von den Parteien noch | |
nicht so gut gemacht, dass eine große Gefahr besteht, die Bevölkerung | |
massenhaft zu täuschen. Aber: Künstliche Intelligenz kann Phänomene so | |
überspitzt darstellen, dass dadurch Einstellungen verstärkt werden. Zum | |
Beispiel, indem Kriminalität stark visualisiert wird. Das kann schon | |
Einfluss auf die Art des Wahlkampfs nehmen. Gefühlte Wahrheiten können | |
durch künstliche Intelligenz bebildert werden. | |
22 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
David Honold | |
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