# taz.de -- Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes: Sanktionen behindern Europ… | |
> Die Golfstaaten und die Türkei investieren schon in Syrien. Die EU | |
> dagegen kann bisher kaum Entwicklungsgelder zahlen. | |
Bild: Svenja Schulze (SPD), Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und … | |
Beirut taz | Zum ersten Mal kommt ein Vertreter [1][Syriens] nach Davos zum | |
Weltwirtschaftsforum. Nach dem Sturz des Assad-Regimes wirbt | |
[2][Übergangsaußenminister] Asaad al-Schibani international um | |
diplomatische Anerkennung und Gelder. | |
In Europa galt bisher: Nein zum Wiederaufbau unter [3][Baschar al-Assad]. | |
Die EU belegte das Regime mit strikten Sanktionen, humanitäre Hilfe lief | |
über Nichtregierungsorganisationen und die Vereinten Nationen. Assad ließ | |
Grenzübergänge für Hilfslieferungen schließen, Russland half mit Vetos im | |
UN-Sicherheitsrat beim Aushungern der Bevölkerung. Hinzu kamen das Erdbeben | |
und Angriffe der Türkei auf die kurdische Selbstverwaltung. Wegen der | |
Angriffe droht der Tischrin-Staudamm am Euphrat einzubrechen, 413.000 | |
Menschen haben kein Wasser und Strom. Im Nordosten leben 24.600 | |
Binnengeflüchtete in Notunterkünften. | |
Laut UN brauchen 16,7 der rund 24 Millionen Menschen in Syrien humanitäre | |
Hilfe: Essen, Decken, Medizin, Benzin, Wasser, Strom. Mehr als ein Drittel | |
der Krankenhäuser sind zerstört. | |
Syriens neue Machthaber möchten die Stromkrise angehen: Wartungsarbeiten an | |
Leitungen, neue Kraftwerke, alternative Energieprojekte. Am Montag | |
veröffentlichte der geschäftsführende Öl-Minister, Ghiath Diab, | |
Ausschreibungen für Investitionen im Erdölsektor: Öl-und Gasfelder müssen | |
gewartet werden. | |
## Humanitäre Hilfe aus der EU | |
Eine Delegation des türkischen Energieministeriums war in Damaskus, um über | |
Zusammenarbeit im Stromsektor zu sprechen. Auch Saudi-Arabien, die | |
Vereinten Arabischen Emirate und Katar werden investieren. | |
Die EU hat 235 Millionen Euro humanitäre Hilfe versprochen: für Essen, | |
sauberes Wasser, Notunterkünfte. Wiederaufbauhilfen aber sind durch | |
EU-Sanktionen eingeschränkt. Sie richten sich gegen Wirtschaftssektoren, | |
von denen die Ex-Regierung profitiert hatte. Die EU verbietet Investitionen | |
in die syrische Ölindustrie und Unternehmen, die Stromkraftwerke errichten. | |
Die Gruppe Hai’at Tahrir al-Scham (HTS) hatte im Dezember eine | |
Militäroffensive verschiedener Milizen angeführt und so das Regime | |
gestürzt. Danach hat sie Ministerposten vergeben. Die | |
HTS-Vorgängerorganisation wird vom UN-Sicherheitsrat als Terrorgruppe | |
eingestuft. Syrer*innen diskutieren kontrovers, wie mit den neuen | |
Machthabenden umgegangen werden soll. Regierungschef Ahmad al-Scharaa hat | |
angekündigt, ein „Nationales Komitee“ einzurichten, das verschiedene | |
Gruppierungen einbezieht. UN-Generalsekretär Antonio Guterres sagte, ein | |
politischer Übergang in Syrien sei Voraussetzung, um UN- Sanktionen zu | |
lockern. Westliche Länder überlegen, Entwicklungsgelder an Bedingungen zu | |
knüpfen. | |
„Strom, Wasser, Abwasser, Müllentsorgung, Medikamente, Diesel und Brot – | |
das sollte nicht politisiert werden“, sagt Syrienexperte Haid Haid der | |
taz. Doch Deutschland und die EU müssten sich für den demokratischen | |
Übergang engagieren. „Dazu haben sie verschiedene Druckmittel.“ Man habe | |
bereits mit der Gruppe und ihrem Anführer gesprochen. Auch die Streichung | |
der Gruppe von der Terrorliste gehöre zur Verhandlungsmasse. Eine | |
Möglichkeit sei „die Legitimierung des Übergangsgremiums über | |
Unterstützung, in finanzieller Hinsicht oder durch den Wiederaufbau.“ | |
## Schadet sich die EU selbst? | |
Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze | |
waren bereits in Damaskus. Baerbock sagte 50 Millionen Euro, Schulze 60 | |
Millionen an Hilfsgeldern zu. Das Geld solle über die UN und | |
Nichtregierungsorganisationen fließen. Bei Treffen mit dem | |
De-facto-Bildungs- sowie Gesundheitsminister habe sie Frauenrechte und das | |
Bildungscurriculum angesprochen, so Schulze. „Sie wissen, was wir von ihnen | |
wollen.“ | |
„Wir brauchen in der aktuellen Situation keine Unterstützung, die an | |
Bedingungen geknüpft ist, sondern die Aufhebung der Sanktionen gegen | |
Syrien“, sagt Suad al-Aswad, Leiterin der Fraueninitiative „Change Makers“ | |
in Idlib der Hilfsorganisation Adopt a Revolution. „Indem die EU ihre | |
veralteten Sanktionen gegen Syrien an neue Bedingungen knüpft, schadet sie | |
sich selbst und der syrischen Diaspora beim Wiederaufbau des Landes“, | |
schreibt Syrienexpertin Kristin Helberg. | |
Schulze sagt: „Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf und Strom, ein | |
funktionierendes Gesundheitssystem, die Kinder müssen zur Schule gehen.“ | |
Bei diesem Wiederaufbau müsse Deutschland helfen, damit nicht nur Hilfen | |
aus Russland oder China kämen. Schulze umgeht die Sanktionen, indem sie | |
Klinik-Partnerschaften plant. Deutsch-syrische Ärzt*innen sollen | |
Weiterbildungen leiten oder Geräte organisieren. Sie macht klar: Gelder für | |
Wiederaufbau sind Investitionen. „Wenn wir das Krankenhaus nicht bauen, | |
bauen es andere.“ | |
Die EU-Außenminister*innen wollen am 27. Januar über | |
Sanktionslockerungen sprechen. Unter anderem Deutschland fordert, die | |
Sanktionen im Verkehrs-, Energie- und im Bankensektor vorübergehend | |
auszusetzen. Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert einen Beschlussentwurf, | |
wonach ein „gewisser Einfluss“ beibehalten werden soll, „für den Fall, d… | |
sich die Dinge nicht wie erhofft entwickeln“. | |
23 Jan 2025 | |
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## AUTOREN | |
Julia Neumann | |
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