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# taz.de -- Konflikt in Syrien: Die Kurden passen nicht ins Puzzle
> In Syrien heizt die Türkei den Konflikt um die kurdische Autonomie weiter
> an. Die USA sind besorgt, jetzt vermitteln Iraks Kurden. Hilft das?
Bild: Im Nordostsyrien sterben noch immer Menschen: Eine Beerdigung eines SDF-K…
Istanbultaz | Während es im Großteil Syriens recht ruhig ist, scheinen sich
im Norden die Kämpfe zwischen der kurdisch geführten Miliz SDF und der
türkisch unterstützen Miliz SNA zuzuspitzen. [1][Nach Angaben des
Syrien-Experten Charles Lister] nähmen die Kämpfe um den Tishrin-Damm
südöstlich der umkämpften Stadt Manbisch zu. Erstmals sollen auch Kämpfer
der HTS, die die syrische Übergangsregierung stellt, als Verstärkung in
Manbidsch angerückt sein.
Vor einigen Tagen hatte General Michael Kurilla, Chef des Zentralkommandos
der US-Armee (Centcom) in Nahost, Nordsyrien besucht. Kurilla traf sich
dort mit Vertretern der SDF (Syrische Demokratische Kräfte), die Armee der
kurdischen Selbstverwaltung im Nordosten Syriens. Er ist besorgt, dass nach
dem Sturz von Diktator Baschar al-Assad der „Islamische Staat“ (IS) sich in
Syrien wieder breitmachen könnte. Aus US-Sicht sind die Kurden die
Einzigen, die den IS unter Kontrolle halten könnten. Aus diesem Grund hält
die US-Armee weiterhin ihre schützende Hand über das kurdische
Selbstverwaltungsgebiet – eine De-facto-Autonomiezone im Nordosten Syriens,
die die türkische Regierung schon lange beseitigen will.
Auch die kommende deutsche Bundesregierung wird der Konflikt beschäftigen,
denn er belastet das zukünftige Verhältnis zu Syrien und nicht zuletzt auch
zur Türkei. Die Angriffe der von der Türkei unterstützten islamistischen
SNA (Syrische Nationalarmee) im Norden Syriens auf das von den Kurden
kontrollierte Gebiet haben nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle
für Menschenrechte seit dem Machtwechsel in Damaskus bereits 400 Menschen
das Leben gekostet.
Derweil gibt es rege politische und diplomatische Bemühungen, um den
Konflikt zu entschärfen. Entscheidender Verhandlungsführer auf kurdischer
Seite ist der SDF-Befehlshaber Maslum Abdi. Er hat sich bereits mit
[2][Syriens Präsidenten Ahmed al-Sharaa getroffen, dem HTS-Anführer.] So
wurde zwar ein Dialog begonnen – der bleib allerdings bis jetzt ohne
Ergebnisse. Al-Sharaa, wie auch seine gesamte Übergangsregierung in
Damaskus, will keine autonome kurdische Region akzeptieren. Nicht zuletzt,
weil sie befürchten, dass dann auch andere Minderheiten – beispielsweise
die Drusen im Süden oder die Alawiten im Westen – regionale Abspaltungen
fordern könnten. Die Kurden wollen hingegen ihre Autonomie so weit wie
möglich erhalten.
## Türkei und Syriens HTS rücken enger zusammen
Für al-Sharaa folgt daraus: Alle derzeit bewaffneten Milizen Syriens müssen
ihre Waffen abgeben, um in eine neue geeinte syrische Armee unter der
Kontrolle der Regierung in Damaskus integriert zu werden. Von der Türkei
wird diese Forderung massiv unterstützt, da sie auf ein Ende der autonom
agierenden kurdischen SDF hinausläuft. Jüngst war eine Delegation aus
Damaskus unter Führung von Außenminister Asaad al-Shaibani, der auch der
Verteidigungsminister und der Geheimdienstchef angehörten, in Ankara. Die
Visite diente dazu, einen Türkei-Besuch von al-Sharaa vorzubereiten. Beide
Seiten waren sich einig, was die Kurden angeht: Die SDF muss ihre Waffen
abgeben und ihre ausländischen Unterstützer – gemeint ist die kurdische
Untergrundorganisation PKK – müssen Syrien verlassen. Andernfalls werde die
türkische Armee mit Billigung der syrischen Regierung gegen die SDF
vorgehen.
[3][Die USA standen bislang klar auf die Seite der SDF,] Maslum Abdi ist
sogar zur Amtsübernahme Donald Trumps nach Washington geladen. Zugleich
aber stehen die USA und auch Deutschland vor einem Dilemma, denn sie wollen
einerseits den Aufbau eines neuen Syriens mit einer stabilen Regierung, in
dem alle bewaffneten Milizen ihre Waffen abgeben müssen, aber wollen auch,
dass die Kurden nicht diskriminiert werden.
Als Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit ihrem türkischen Kollegen
Hakan Fidan am 20. Dezember in Ankara zusammentraf, kritisierte sie zwar
mögliche militärische Aktionen der Türkei in Syrien. Sie stimmte aber
gleichzeitig der Forderung nach der Entwaffnung aller syrischen Milizen zu.
In Damaskus betonte sie bei ihrem Antrittsbesuch am 3. Januar, es brauche
in Syrien einerseits „verlässliche Sicherheitsgarantien für die Kurdinnen
und Kurden“, aber auch „eine Integration der kurdischen Kräfte, genauso wie
der türkisch unterstützten SNA in die gesamtsyrische
Sicherheitsarchitektur“.
Die letzte diplomatische Wendung war vor wenigen Tagen ein Besuch von
SDF-Befehlshaber Maslum Abdi [4][im kurdischen Autonomiegebiet in Nordirak]
bei Massoud Barsani. Die Barsani-Regierung in Nordirak ist ein alter Feind
der PKK, die gegen den Willen der Barsanis ihr Hauptquartier in Nordirak
aufgeschlagen hat. Barsani hat den syrischen Kurden nun vorgeschlagen, sich
von der PKK zu trennen und stattdessen mit seiner Regierung
zusammenzuarbeiten. Die Barsani-Regierung ist für Erdoğan schon länger ein
respektabler Partner. Gelingt es den Barsanis, die syrischen Kurden auf
ihre Seite zu ziehen, könnte das den Konflikt in Syrien entschärfen.
Mitarbeit: Lisa Schneider
20 Jan 2025
## LINKS
[1] https://x.com/Charles_Lister/status/1880985164404453598
[2] /Demonstration-in-Damaskus/!6058061
[3] /Blinken-in-Ankara/!6056230
[4] /Wahl-mit-zwei-Jahren-Verspaetung/!6041350
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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