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# taz.de -- Geopolitik unter Paria-Staaten: Irans neue Achse führt nach Moskau
> Lange stützten Iran und Russland Assad in Syrien – und nun sich
> gegenseitig. Die „strategische Partnerschaft“ tritt an die Stelle der
> „Achse des Widerstands“.
Bild: Parias unter sich: Putin und Peseschkian in Moskau am Freitag
Berlin taz | „Wenn wir Syrien verlieren, werden wir nicht in der Lage sein,
Teheran zu halten“, sagte vor über zehn Jahren Hodschat Mehdi Taeb, Leiter
eines regimenahen iranischen Thinktanks. Er verwies damit auf die enge
Beziehung zwischen der Islamischen Republik Iran und dem Regime von
[1][Diktator Baschar al-Assad] in Syrien. Seit Dezember 2024 ist Assad
gefallen und im russischen Exil, der neue Machthaber [2][Ahmed al-Scharaa]
steht eher Saudi-Arabien nahe.
Jahrelang kooperierten in Syrien auch Iran und Russland mit dem gemeinsamen
Ziel, den Assad-Clan an der Macht zu halten – durch Luftangriffe auf
Rebellen und die Zivilbevölkerung, militärische Ausbildung und strategische
Beratung für Syriens Armee und die Entsendung russischer Truppen und
schiitischer Milizen aus dem Irak, Afghanistan und Pakistan.
Nun formalisieren Teheran und Moskau ihre Beziehungen weiter. Am
vergangenen Freitag unterzeichneten Russlands Präsident Wladimir Putin und
sein iranischer Kollege Masoud Peseschkian in Moskau feierlich ein
Abkommen über eine „strategische Partnerschaft“.
Laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass wollen Iran und
Russland in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung enger
zusammenarbeiten: Im Falle eines Angriffs auf eine Partei dürfe die andere
Partei den Aggressor nicht unterstützen. Russland will mehr Gas nach Iran
exportieren sowie Irans nukleare Infrastruktur ausbauen. Nach einem Bericht
von Nexta TV soll bald der Ausbau eines von Russland gebauten
Atomkraftwerks im Südiran begonnen werden.
## Sanktionen, Geldprobleme, schlechte Infrastruktur
Das kommt zur rechten Zeit, denn [3][Iran steckt in einer Energiekrise.] Im
November setzte das Regime erstmals tägliche geplante Stromausfälle durch.
Die Ausfälle nehmen weiter zu und halten länger an, auch Industrie, Schulen
und Universitäten sind betroffen. Das liegt einerseits daran, dass Israel
im Februar 2024 zwei Gaspipelines im Iran zerstörte. Aber auch daran, dass
in Irans Infrastruktur zu wenig investiert wurde – auch, weil westliche
Sanktionen Importe blockieren.
Geld pumpte Iran in andere Geschäfte: Allein 30 bis 50 Milliarden Dollar
soll Iran in den vergangenen Jahren in das syrische Assad-Regime investiert
haben. Die offizielle Begründung war eine ideologische: „Iran wird Syrien
verteidigen, weil es immer die Achse des Widerstands gegen das zionistische
Regime unterstützt hat“, so Irans Oberster Führer Ali Khamenei 2012. Später
nannten iranische Politiker den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ als
Motivation.
Vor allem der entscheidungsscheue Khamenei hatte zunächst Vorbehalte, im
syrischen Bürgerkrieg einzugreifen. Er ahnte, welche Kosten auf sein Land
zukommen würden. Überzeugt hatten ihn damals wohl strategische
Überlegungen: Sowohl ein westlich orientiertes, demokratisches als auch ein
sunnitisch-extremistisches Syrien hätten der Landverbindung Irans zur
schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon einen Riegel vorgeschoben. Das wäre
für die Hisbollah, den engsten Verbündeten Irans in der Region,
katastrophal gewesen – und umgekehrt für den iranischen Einfluss in der
Region.
All diese Befürchtungen sind mittlerweile eingetreten: Ohne das zentrale
Puzzlestück Assad bleibt von Irans „Achse des Widerstands“ – das Bündnis
aus irantreuen Milizen von Libanon bis Jemen, die gegen Israel, die USA und
sunnitische Kräfte in der Region kämpften – nur noch ein schockstarrer
Stumpf übrig. Es stellt sich unweigerlich die Frage: Hätte Iran mehr tun
können, um den Umsturz in Syrien zu verhindern?
## Assads Sturz ist eine Tragödie für Teheran
Wahrscheinlich nicht. Als Syriens Rebellen Ende November 2024 zur Offensive
schritten, war die iranische Kontrolle auf dem Tiefpunkt, nach einem Jahr
wiederholter israelischer Angriffe auf ranghohe Revolutionsgardisten und
die iranische Botschaft in Damaskus und mehreren Monaten Krieg im Libanon.
Die Hisbollah ist nach dem Tod ihres Führers Hassan Nasrallah und den
verheerenden israelischen Luftangriffen auf ihre Infrastruktur im Libanon
ein Schatten ihrer früheren Größe. Und schließlich hatte Assad selbst gar
keine Bodentruppen aus Iran angefragt. Ausgerechnet in den Wochen vor der
Offensive der HTS-Rebellen deutete alles darauf hin, dass sich der syrische
Diktator von Iran unabhängiger machen wollte.
[4][Auch für Russland war der Sturz Assads eine Niederlage] und eine
Blamage noch dazu, aber keine Tragödie wie für Teheran. Russland geht es in
Syrien aktuell vor allem darum, seinen Zugang zum Mittelmeer zu erhalten.
Das dürfte auch mit den neuen Machthabern in Syrien möglich sein. Moskau
bleibt jedenfalls mit ihnen im Gespräch.
Für Iran sind die Aussichten weniger gut. Zwar habe man die Absicht,
bilaterale Beziehungen zu pflegen, sagte die iranische Regierungssprecherin
Fatemeh Mohajerani kurz nach Assads Sturz, doch das hänge davon ab, wie
sich die neue syrische Regierung zu Israel verhalte. Vor allem die
HTS-Milizionäre selbst stehen einer Zusammenarbeit mit Iran skeptisch
gegenüber. So warnte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan
al-Shibani, Iran solle „den Willen des syrischen Volkes respektieren“ und
aufhören, „Chaos zu verbreiten“.
Iran wird in der Region als destabilisierende Kraft wahrgenommen. Nicht
ohne Grund. Die Strategie der [5][iranischen Revolutionsgarden], um ihren
Einfluss in der Region zu zementieren, ist eine der Destabilisierung. Neben
Syrien identifizieren sie auch im Irak, im Jemen, im Libanon und in
Palästina Konflikte, nähren und nutzen sie, um ein Machtvakuum mit ihren
Stellvertretern zu füllen. Iran wird diese Strategie wohl auch in Zukunft
in Syrien verfolgen wollen, sich mit einzelnen Gruppen verbünden und
konfessionelle Konflikte schüren – in der Hoffnung, durch einen neuen
Bürgerkrieg eine neue Chance im Land zu bekommen.
## Im Iran funktionierte bisher die Angst vor dem Bürgerkrieg
Mit diesem Kalkül könnte ausgerechnet Iran, das die Kurden im eigenen Land
gnadenlos unterdrückt, ein Bündnis mit den kurdischen Separatisten im
Nordosten Syriens eingehen, die bisher vom US-Militär unterstützt werden.
Die von der Türkei unterstützte SNA-Miliz (Syrische Nationale Armee) kämpft
im Norden Syriens gegen die kurdischen Kräfte und konnte sie bereits aus
mehreren Städten vertreiben. Sollte sich der neue US-Präsident Donald Trump
weigern, den kurdischen Verbündeten beizustehen, könnten die Kurden
stattdessen den Teufelspakt mit Teheran eingehen.
Ein stabiles, blühendes neues Syrien ist schon deswegen nicht in Irans
Interesse, weil es ein verheerendes Signal an die eigene Bevölkerung wäre.
Wann immer in den letzten Jahren in Iran Proteste aufflammten, bemühte das
iranische Regime das Narrativ eines möglichen Bürgerkrieges, nach dem
Motto: Wir unterdrücken euch, aber wenigstens seid ihr unter uns sicher.
Die Strategie funktionierte bislang, vor allem in der iranischen
Mittelschicht. Wenn aber beim nächsten iranischen Aufstand die Menschen im
Iran mit Hoffnung nach Syrien als Vorbild blicken können und wenn
andererseits [6][in der Region die proiranische „Achse des Widerstands“
fehlt], um den Mullahs zu Hilfe zu eilen – dann könnte tatsächlich auch
Teheran fallen. Und davon, sich gegenseitig im Falle eines Angriffs
militärischen Beistand zu leisten, steht nach bisherigem Kenntnisstand
nichts in Irans Abkommen mit Russland.
19 Jan 2025
## LINKS
[1] /Massengraeber-in-Syrien/!6056723
[2] /Verweigerter-Handschlag-fuer-Baerbock/!6057401
[3] https://www.dw.com/en/why-is-energy-giant-iran-facing-gas-shortages/a-71110…
[4] /Der-Fall-von-Assad-in-Syrien/!6055588
[5] /Schliessung-der-iranischen-Konsulate/!6042865
[6] /Geopolitik-nach-Assads-Sturz-in-Syrien/!6053988
## AUTOREN
Teseo La Marca
Lisa Schneider
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