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# taz.de -- Elon Musks politischer Feldzug: Der Besessene
> Elon Musk hat Donald Trump den Weg zurück ins Weiße Haus geebnet, jetzt
> mischt er sich in Europas Politik ein. Was treibt diesen Mann?
Bild: Wer ist hier die Nummer eins? Elon Musk im Oktober 2024 bei einer Wahlkam…
Elon Musk ist vieles. Unternehmer, Tech-Genie, Promi, Politikberater und
der Chef-Troll von Twitter, das er in X umbenannt hat. Doch eine seiner
Rollen bleibt bis jetzt unterbelichtet: Er ist zum obersten Führer einer
transnationalen faschistischen Bewegung geworden. Wie konnte es so weit
kommen?
Rund um die Gründung des Bezahl-Dienstleisters PayPal zur Jahrtausendwende
hatte sich eine Gruppe von Männern zusammengefunden, die später als
„PayPal-Mafia“ bezeichnet wurde. Ihre Mitglieder gründeten in den
Folgejahren zahlreiche weitere bekannte und erfolgreiche Tech-Unternehmen,
darunter Youtube, Yelp und LinkedIn. Das Selbstbewusstsein dieses
Männerbunds lässt sich gut daran nachvollziehen, dass man völlig unironisch
Bilder von sich selbst [1][in vollem Mafia-Aufzug für Branchenblätter
fotografieren ließ]. Die Tech-Bros wollten der Welt zeigen, dass sie eine
so eingeschworene wie brutale Männergemeinschaft waren. Zwar sahen die
ventilierten Bilder mehr nach Buben-Fasching und weniger nach „Der Pate“
aus – die Botschaft selbst kam aber wohl an.
Dieses megalomanische wie heroische Selbstverständnis wurde auch auf die
Politik übertragen. Besonders drei Mitglieder der PayPal-Mafia haben in den
letzten 15 Jahren unverhohlen ihren politischen Anspruch klargemacht: David
Sacks, [2][Peter Thiel] und Elon Musk. Alle drei sind Immigranten, die die
amerikanische Staatsbürgerschaft erwarben, und die jetzt entscheidend die
US- wie globale Politik bestimmen.
Thiel und Sacks sind sicherlich die Intellektuellen in diesem Trio. Sie
haben bereits 1995 ein Buch namens „The Diversity Myth“ herausgegeben, das,
wenig überraschend, belegen soll, wie Weiße durch Programme für mehr
Vielfalt benachteiligt werden. An ihren Ansichen hat sich seitdem wenig
geändert, besonders Thiels schriftstellerisches Treiben lässt sich gut
nachvollziehen. Seine Grundthese lautet, dass Freiheit und Demokratie in
einem Konflikt miteinander stehen, der sich nicht mehr auflösen lässt.
Thiel entscheidet sich für Freiheit und denkt über Räume fernab der
bestehenden demokratischen Ordnung nach.
## Der Mars ist für ihn die bessere Erde
Das sind zum Beispiel schwimmende Städte, die auf dem Ozean gebaut werden
und zu denen nur Vermögende Zutritt haben. Diese Inseln sollen ohne
Regierung, Demokratie und Rechte funktionieren. Ebenso träumt Thiel davon,
das Weltall jenseits der Erde zu besiedeln. Es ist genau dieses Denken, das
wir einige Zeit später bei Elon Musk wiederfinden, der es jedoch wesentlich
massentauglicher macht. Denn wo David Sacks und inbesondere Peter Thiel zu
verkopft sind, um als Rampensäue zu fungieren, fehlt es Musk vielleicht an
intellektueller Tiefe – doch er begreift, wie man ein Publikum begeistert
und wie man populäre Diskurse nutzt oder schafft.
Musks Radikalisierung hat weit vor seiner Twitter-Übernahme im Herbst 2022
begonnen. Seine Ideologie ist klar von seinen ehemaligen Mitstreitern und
deren Grundsatztexten beeinflusst. Mit Twitter/X hat er aber nun endlich
das Medium gefunden, das ihm auf seine Art erlaubt, diese Ideologie in die
Breite zu streuen. Dabei radikalisieren sich das Medium und sein Besitzer
laufend gegenseitig.
Ideologischer Kern ist auch bei Musk die Besiedelung extraterrestrischer
Räume, vor allem des Mars. In Musks Vorstellung kommen dabei zwei
Komponenten zusammen: Technologiegläubigkeit und Kulturpessimismus. Er
sieht die westlichen Gesellschaften im Niedergang und die Klimakrise als
unumkehrbar an und bietet als Ausweg die Umsiedlung auf einen anderen
Planeten an. Die Implikationen dieser These sind so fantastisch wie
drastisch. Denn ob Ozeanstädte oder Marskolonie: Wer hineinkommt, bestimmen
Musk und seine Mafia.
Um das Ausmaß der Musk’schen Science-Fiction-Ideen zu verstehen, muss man
auf sein zweites wichtiges ideologisches Steckenpferd schauen: die
Geburtenraten. Vor allem auf Twitter/X repostet Musk immer wieder
faschistische Accounts, die allesamt eine Obsession mit Geburtenraten
haben. Es geht dabei weniger um globale Geburtenraten als um die
Geburtenraten westlicher und vor allem „weißer“ Länder.
## Besessen von Geburtenraten
Das ist kein neues Thema im globalen Rechtsextremismus. Terroristen wie die
Attentäter von [3][Christchurch] oder [4][Buffalo] stellten die
Geburtenraten als zentrales Motiv ihrer Taten dar. So beginnt das Manifest
des Christchurch-Attentäters mit „It’s the birthrates, it’s the birthrat…
it’s the birthrates“.
Der erhobene Vorwurf ist ein doppelter. Er richtet sich gegen nichtweiße
oder auch nichtbürgerliche Frauen, die zu viele Kinder bekommen. Er richtet
sich auch gegen weiße Frauen, die zu wenige Kinder bekommen. Schuld sind
also so oder so Frauen. Die weißen Frauen sind von Feminismus und
Selbstverwirklichung verblendet und lassen sich nicht oder mit falschen
Männern ein. Die, die mit weißen Männern verheiratet sind, bekommen dann
auch noch zu wenige Kinder. Drei Kinder pro Frau ist dabei die magische
Grenze. Die Grenze für was eigentlich? Nicht für gesellschaftlichen
Wohlstand per se, da Gesellschaften sich auch anders, etwa wie seit
Jahrtausenden durch Migration, reproduzieren können. Es ist die Grenze für
die Reproduktion wünschenswerter, also weißer, gesunder und bürgerlicher
Kinder.
In diesem Vorwurf steckt der Sukkus moderner neofaschistischer Ideologie:
Dekadenz, Misogynie, Antifeminismus, Rassismus und Verschwörung. Die
Obsession mit Geburtenraten ist auch die Kernthese des Verschwörungsmythos
[5][des sogenannten Großen Austauschs], der von der Identitären Bewegung
popularisiert wurde. Nun braucht es die Identitäre Bewegung gar nicht mehr:
Der reichste Mann der Welt ist der oberste Verfechter dieser These.
Denkt man diese beiden Radikalisierungsstränge des Elon Musk nun zusammen,
offenbart sich ein faschistisches Projekt, das so megalomanisch wie abstrus
anmutet. Nehmen wir Musk einmal beim Wort. Er möchte den Mars besiedeln,
weil er nicht glaubt, dass das Leben auf der Erde eine Zukunft hat. Er
steckt viel Energie und Aufmerksamkeit in den technologischen Teil dieses
Projekts. Nehmen wir nun an, dass es ihm in absehbarer Zukunft gelingt.
Die Besiedelung des Mars wäre dann in erster Linie keine Frage von
Technologie, sondern von Demokratie. Wie viele Menschen können in Musks
Utopie auf dem Mars leben? Hundertausend? Eine Million? Eine Milliarde? Wer
wählt aus, wer den brennenden und zum Untergang verurteilten Planeten Erde
verlassen darf und wer nicht? Oder, anders gesagt: Nach welchen Kriterien
wird ein Mann, der sich obsessiv mit den Geburtenraten weißer, westlicher,
bürgerlicher, Frauen auseinandersetzt, wählen? Wird eine Frau jenseits des
gebärfähigen Alters Teil dieser Besiedelung sein? Werden es arme Menschen
sein? Nichtweiße? Menschen mit chronischen Krankheiten sein?
## Sein Weltbild ist ein faschistisches
Selbstverständlich ist dieses Projekt eine Science-Fiction-Utopie.
Selbstverständlich werden wir alle uns höchstwahrscheinlich keine Gedanken
über unser Ticket zum Mars machen müssen. Elon Musk tut dies allerdings.
Das dahinter liegende Weltbild ist ein faschistisches. Selbst wenn er nicht
dazu kommen wird, dieses auf dem Mars anzuwenden, so liegt dieselbe
Weltsicht hinter Musks ganz irdischen Projekten.
Elon Musks Twitter-Übernahme hat ihm eine Plattform gegeben, die noch
größer ist als Donald Trumps selbstgestrickte Plattform Truth Social. Musk
hat Twitter/X zum Propagandawerkzeug für Trumps Wiederwahl gemacht. Das
zeigte sich durch das Entsperren zahlreicher neofaschistischer Accounts,
die nicht mehr vorhandene Moderation der Inhalte und die zahllosen Troll-
und Bot-Armeen, die die Plattform schwemmen.
Twitter hat Musk aber auch erlaubt, sich an die Spitze zu setzen. Trump
sitzt an der Spitze der republikanischen Partei und bald wieder eines
mächtigen Staates. Musk hat etwas viel Wertvolleres erreicht: Er ist der
Führer der Bewegung hinter den Trump’schen Wahlerfolgen. Längst ist nicht
mehr Trump die zentrale Figur, sondern Musk selbst. Das wird in der Zukunft
noch zu gröberen Streitigkeiten führen, die der viel ältere Donald Trump
wohl nicht für sich gewinnen wird.
Elon Musks Interesse geht aber längst über die USA hinaus: Er versucht,
auch in Europa Wahlen zu beeinflussen. Es mutet ironisch an, dass genau das
immer der rechte Vorwurf gegenüber progressiven Stimmen war. Aber wie immer
im Neofaschismus gilt auch hier: Jeder Vorwurf ein Bekenntnis. In
Großbritannien und Italien wuselt Musk längst herum. Auch zu Österreich hat
er sich geäußert, sein Wunsch nach einer FPÖ-Regierung geht nun in
Erfüllung. Und jetzt ist Deutschland dran.
Der Umgang mit Elon Musk in der politmedialen Öffentlichkeit strotzt vor
Hilflosigkeit und jubilierender Unterwürfigkeit. Dabei müsste er längst als
das behandelt werden, was er ist: Der ganz irdische Botschafter einer
transnationalen, faschistischen Bewegung im Kampf gegen die Demokratie.
10 Jan 2025
## LINKS
[1] https://fortune.com/2024/07/21/paypal-mafia-silicon-valley-thiel-hoffman-bo…
[2] /Tech-Investor-Peter-Thiel/!6041339
[3] /Jahrestag-des-Christchurch-Attentats/!5995049
[4] /Rassistischer-Anschlag-in-Buffalo/!5855705
[5] /Rechtsextreme-Verschwoerungserzaehlung/!5853428
## AUTOREN
Natascha Strobl
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