| # taz.de -- Elon Musk und die Start-up-Szene: Idol oder Igitt? | |
| > Lange bevor rechte Politiker der Welt um ihn buhlten, hatte Elon Musk | |
| > seine ersten Fans in der Start-up-Szene. Sind dort noch welche übrig? | |
| Bild: Kann man Musk bewundern und gleichzeitig verachten? Gäste mit einer Musk… | |
| Anton hat den ganzen Tag programmiert, jetzt musste er mal raus und unter | |
| Leute, sagt er. Deshalb ist er zum Founders Meetup gekommen, in eine | |
| Berliner Bar mit neonfarbenen Leuchtbuchstaben und Billardtisch. „Diese | |
| Gruppe ist für alle Start-up-Lover, die sich die Hände schmutzig machen und | |
| fantastische, skalierbare Unternehmen aufbauen wollen“ hieß es in der | |
| Einladung im Internet. | |
| Es ist Freitagabend, 19.30 Uhr. Einen Tag zuvor um dieselbe Uhrzeit | |
| [1][redeten Elon Musk und AfD-Chefin Alice Weidel auf X] darüber, dass man | |
| in deutschen Schulen nur Gender-Studies lerne und Hitler ein Kommunist war. | |
| Nun sitzen hier um den Billardtisch viele junge Menschen, die werden | |
| wollen, was Musk ist: Gründer. Sie tragen Sneaker, Beenies und Caps, | |
| sprechen Englisch und stellen sich nur mit Vornamen vor. | |
| In der Start-up-Szene war Musk lange ein Idol. Als CEO von Tesla, von Space | |
| X, als reichster Mensch der Welt. Hält dieser Ruf noch, jetzt, wo er sich | |
| über Jahre mehr und mehr [2][zur Hauptfigur einer transnationalen | |
| faschistischen Bewegung macht]? | |
| Anton arbeitet als Softwareentwickler bei einer Ärzteplattform, er ist zum | |
| Networken hier. Er will selbst gründen, irgendwas mit AI, künstlicher | |
| Intelligenz. Anton hat kurze blonde Haare und trägt ein weites Jackett mit | |
| drei goldgesäumten Broschen auf der linken Brust. Er ist Russe, vor knapp | |
| drei Jahren zog er mit Frau und Kind nach Berlin, als Russland die Ukraine | |
| überfiel. | |
| ## „Er verarbeitet Dinge viel schneller als normale Menschen“ | |
| Ihm gegenüber sitzt Viany, blauer Pullunder und dichte Koteletten. Er | |
| arbeitet bei einer US-amerikanischen Plattform für Coaching und | |
| Selbstoptimierung. Viany hält Musk für superintelligent. „Er verarbeitet | |
| Dinge viel schneller als normale Menschen, schneller als du und ich.“ Einen | |
| leistungsfähigen Supercomputer habe Musk mit seiner KI-Forschungsfirma in | |
| nur 19 Tagen aufgebaut, andere Unternehmer bräuchten dafür Jahre. | |
| Ein Hocker ist noch frei, ein Mann mit schwarzem Pullover, weißem Bart und | |
| Halbglatze setzt sich dazu. „Hi, ich bin David, tagsüber Berater bei | |
| McKinsey, nachts Gründer.“ Viany nickt anerkennend. Auch David kann dem | |
| Unternehmer Musk etwas abgewinnen. Er findet es toll, dass Musk in seinem | |
| Unternehmen Arbeitssitzungen quasi abgeschafft hat. „Bei ihm gibt es keine | |
| Meetings, weil sie ineffizient sind.“ Aber politisch, tja, da sei er eben | |
| verrückt. | |
| Viany widerspricht. Gestern, im Gespräch mit Alice Weidel, hätten beide | |
| kluge Dinge gesagt, etwa dass Unternehmen wegen der hohen Energiepreise und | |
| der Bürokratie abwandern würden. Anton spielt am Handy und gähnt. | |
| „Milliardäre beeinflussen die Politik schon immer, er macht es halt offen. | |
| Er wird schon nichts Böses tun, das schafft niemand alleine“, endet Viany. | |
| ## Musk steht für eine Kultur der Männer, der Macher, der Egos | |
| Der Satz hängt in der Luft über dem Billardtisch, einen Moment ist es | |
| still. Viany schaut sich um. Er sieht viele kleine Grüppchen, die sich | |
| angeregt unterhalten. Es ist schwer zu sagen, ob er gerade lieber woanders | |
| sein würde. „Ich hasse Musk. Ich würde nie Tesla fahren“, sagt David, der | |
| McKinsey-Berater, der in der Nacht Gründer ist. Abrupt verabschiedet er | |
| sich und läuft zur Theke. Bier holen. | |
| Anton, der russische Programmierer, der die meiste Zeit aufs Smartphone | |
| geschaut hat, würde das Wort Hass nicht benutzen. Aber leiden kann er Musk | |
| eigentlich auch nicht. Er möge keine Chefs, die sich wichtiger nehmen als | |
| das Team. Musk hat immer wieder Mitarbeitende seiner Firmen beschimpft und | |
| beleidigt. Ein Unternehmen, sagt Anton, gründe und führe man aber nicht | |
| alleine. | |
| Das Hin und Her der Argumente ist so widersprüchlich wie die Werte der | |
| Start-up-Szene selbst. Eigentlich feiern viele Ratgeber echte Teamarbeit | |
| und flache Hierarchien als Voraussetzung für Erfolg. In der Öffentlichkeit | |
| ist vom Team Spirit dann aber oft nur noch ein einzelner Mann und seine | |
| Idee übrig. | |
| [3][Elon Musk steht für eine Kultur der Männer, der Macher, der Egos.] Die | |
| Zukunft? Machen wir. Die Regeln? Egal. Bei Musk hat das zu der | |
| rechtsextremen Dystopie geführt, dass reiche weiße Menschen einfach auf den | |
| Mars flüchten könnten. In der Start-up-Szene ist er schlicht zu einem | |
| Buzzword geworden. Eine Figur, zu der jeder und jede eine Meinung hat. | |
| Erin setzt sich auf den freigewordenen Hocker gegenüber von Viany beim | |
| Founders Meetup. Sie ist Produktdesignerin, schwarz gekleidet, deutscher | |
| Akzent, Weinglas in der Hand. Viany präsentiert die Themen: Musk, Coding, | |
| hohe Energiekosten für deutsche Unternehmen. Erin unterbricht ihn und legt | |
| sofort los: Musk sei böse, er unterstütze die Rechten, er wolle die | |
| Demokratie abschaffen. | |
| Viany sagt: „Jeder will seine Meinung mitteilen. Musk macht das auch, aber | |
| die Leute hören ihm zu, weil er Geld hat.“ | |
| „Aber das, was er in die Welt setzt, ist falsch und schlecht“, erwidert | |
| Erin. | |
| „Hast recht, Lösungen für die Probleme unserer Zeit präsentiert auch er | |
| nicht“, stimmt Viany zu. | |
| ## Den Müll einfach ins Weltall schießen | |
| Wenn man die Menschen hier im Raum so reden hört, bekommt man den Eindruck, | |
| dass sie Musk als Gründer und Unternehmer respektieren, viele seine | |
| politische Haltung aber ablehnen. Was impliziert, dass sein Unternehmertum | |
| und seine politische Ideologie zwei getrennte Bereiche sind. Als sei er | |
| eine multiple Persönlichkeit, mal innovativer Unternehmer, mal rechter | |
| Verschwörungstheoretiker. Ja, der Musk ist ein bisschen durchgeknallt, aber | |
| wen kümmert’s? Das Narrativ vom besessenen Genie, vom egomanischen, aber | |
| erfolgreichen Unternehmer bleibt dabei immer noch ein gefährlich positives. | |
| Beim nächsten Getränk hat Viany sich endlich durchgesetzt, er will noch | |
| mehr über die hohen Energiekosten sprechen, die Unternehmen ins Ausland | |
| trieben. [4][Warum man nur hierzulande die Atomkraft abgeschaltet habe!] | |
| Anton schweigt. | |
| Erin sagt: „Atomkraft ist gefährlich und nicht nachhaltig.“ | |
| „Gefährlich?“ | |
| „Na, Tschernobyl zum Beispiel.“ | |
| „Wo außer Tschernobyl?“ | |
| „Fukushima.“ | |
| „Okay, aber wo außer Tschernobyl und Fukushima?“ | |
| „Und der Müll. Es gibt kein sicheres Endlager.“ | |
| Da wird Anton wach. Den könne man doch ins Weltall schießen, sagt er. | |
| Atommüll im All – es ist am Ende des Abends noch eine dieser Ideen, die | |
| Musk wahrscheinlich gefallen würde. | |
| 17 Jan 2025 | |
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| ## AUTOREN | |
| Enno Schöningh | |
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