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# taz.de -- Toxische Bro-Kultur: Stoppt die Muskulinisten!
> Elon Musk und seine Armee der „tech bros“ greifen nach der Macht.
> Darunter leiden vor allem die Frauen – und am Ende die ganze Welt.
Bild: Hoch die Hände, Demokratieende! Elon Musk auf einer Wahlkampfveranstaltu…
Ein bleicher Milliardär hüpft auf eine Bühne in New York. Zwischen
E-Gitarrenriffs und Jubelgeschrei zieht er den Bauch ein, wirft die Arme in
die Luft und drückt die Hand des Mannes, der ihn soeben als „den größten
Kapitalisten in der Geschichte Amerikas“ angekündigt hat. Für einen Moment
hebt er sein schwarzes Baseballcap mit der Aufschrift „Make America Great
Again“.
Elon Musk ist gekommen, um Donald Trump [1][im Wahlkampf zu unterstützen].
Dafür baut er sich vor dem Mikro auf, flext kurz seine nicht erkennbare
Armmuskulatur und brüllt. Wie einer, der zu viele Wikingerserien gesehen
hat und dessen Sehnsuchtsort eine zweite Steinzeit ist.
Das war am 27. Oktober. Wenig später, am 5. November, als sich der Wahlsieg
Donald Trumps abzeichnete, flutete Hass das Internet. Auf X, dem
Höllenschlund, der [2][nach Musks Übernahme] noch von Twitter übrig ist,
schrieb der Holocaustleugner und White-Supremacy-Anhänger Nick Fuentes:
„Your body, my choice. Forever“.
Den Beitrag einer Nutzerin, die äußerte, sie wolle doch einfach nur einen
Präsidenten, der kein Vergewaltiger sei, kommentierte der sogenannte
Männlichkeitsinfluencer Andrew Tate mit den Worten: „REQUEST DENIED“ –
Anfrage abgelehnt, wieder gebrüllt, in Großbuchstaben. [3][Die Zeitschrift
Wired berichtete], dass Trump-Unterstützer auf dessen
Social-Media-Plattform Truth Social die Todesstrafe für Kamala Harris
forderten und im Netz ein Meme viral ging, das die Aussendung von
Vergewaltigungstrupps forderte.
Diese Männer bäumen sich auf, sie schlagen sich auf die Brust, und spucken
ihren rohen Hass in die Welt. Untertiteln ließe sich dieses Gebaren wohl
so: Der Feminismus ist tot, der harte Kerl ist zurück, er brüllt, kämpft,
beherrscht. Vom Schreibtisch aus reißt er die Macht wieder an sich und wird
dabei vor allem das Weib unterwerfen. Dafür bildet er Rudel.
Man kneift sich, aber das bleibt die Gegenwart, in der wir leben. So
lächerlich und bedrohlich zugleich.
Um einer Bedrohung etwas entgegenzusetzen, muss man sie verstehen. Toxische
Männlichkeit, völkische Ideologien, Maskulinismus, Identitätskrise – es
gibt viele Ansätze, das Machtgebaren der Männer einzuordnen. Derzeit ist
wieder viel von sogenannten bros, also Brüdern, die Rede. Von einer
bromance zwischen Trump und Musk und von der bro culture, also dem
Verhaltenscodex, den solche Männer propagieren.
## Der bro ist eine überarbeitete Neuauflage des Machos
Bros sind nicht eindeutig zu definieren. Aufmerksamkeit bekamen sie zuletzt
um 2017, damals erschienen reihenweise Artikel über den Sexismus des
Silicon Valley, und die US-Autorin Emily Chang schrieb [4][in ihrem Buch
„Brotopia“] unter anderem über die Männerclique von Paypal-Gründer Peter
Thiel, in der Mann einander Geld und Posten zuschob und sich und anderen
trotz Eliteuniabschluss einredete, gerade noch „Außenseiter“ gewesen zu
sein. Derselbe Peter Thiel hat jetzt [5][den politischen Aufstieg von J. D.
Vance finanziert].
Viele bros wurden im neoliberalen Mekka der Tech-Start-ups, was sie heute
sind. Sie haben Firmen gegründet, die Probleme erfinden, deren Lösung sie
gewinnbringend verkaufen, sie haben unterwegs ein paar Frauen eingestellt
und ein paar Klagen wegen sexueller Übergriffe am Hals, die ihre Karriere
aber nicht wirklich beeinträchtigen. In ihren Bücherregalen stehen
Marvelfiguren neben Biografien superreicher Typen, denen sie nacheifern.
Und selbst, wenn sie keine Fans von Elon Musk sind, trennen sie strikt das
geniale Werk (Tesla! SpaceX!) vom rechtsextremen Autor.
Der bro ist eine überarbeitete Neuauflage des Machos. Er zieht sich nicht
mehr unbedingt für Zigarre und Whiskey mit den Herren ins Séparée zurück,
er trägt selten Krawatte oder polierte Schuhe, zur Tarnung räumt er sogar
mal das Geschirr ab oder geht mit den Kindern ins Kino. Aber er liebt es
eben noch immer, sich zum Erhalt seiner Stellung mit seinesgleichen zu
umgeben. Männer, die ihm zustimmen, wenn er sagt, dass er schlicht größere
berufliche Ambitionen hat als seine Frau. Die sich in die Fäuste beißen,
wenn sie ganz nah in das Foto der neuen Kollegin reinzoomen. Aber egal ob
1960, 2017 oder 2024: Der Aufstieg der bros bedeutete immer die Entrechtung
der Frauen.
Die Journalistin Alice Hasters beschreibt bros in einem [6][Essay auf Zeit
Online] als „in der Regel (…) junge heterosexuelle Männer, die kein großes
Interesse an Politik haben. Sie haben keine starke Meinung zum Recht auf
Schwangerschaftsabbruch oder dem Krieg in der Ukraine, sie sind nicht
geplagt von der Frage, wofür die USA stehen. Sie wollen genug Geld auf dem
Konto, einen verlässlichen männlichen Freundeskreis und irgendwann mal ihre
Traumfrau heiraten und eine Familie gründen“. Das ist auch deshalb eine
hilfreiche Annäherung an den bro, weil sie zeigt, dass es um mehr geht als
um antiquierte Männlichkeitsperformance. Kein Interesse, keine Meinung,
Hauptsache ich und meine Familie? Bros first, America second.
Neben der Frauenverachtung macht genau diese Haltung die Bro-Kultur so
gefährlich. Politik machen oder auf Politik scheißen, aber eben immer im
Egoshooter-Modus. Und als wäre das nicht schlimm genug, leben Trump und
Musk gerade auf größtmöglicher Bühne vor, dass die ganze Welt
milliardenschweren misogynen Unternehmern gehört – und denen, die zu ihnen
halten.
## Zwei Milliardäre machen die Welt zu ihrem Spielfeld
Musk hat 130 Millionen Dollar in Trumps Wahlkampf gesteckt, [7][mehr als
irgendwer sonst]. Und natürlich hat er von dessen Sieg profitiert: [8][21
Milliarden Dollar reicher] soll er nun sein, vor allem wegen der
Tesla-Aktie, die sofort zulegte, weil Trump hohe Strafzölle auf chinesische
Importe versprochen hat.
[9][„Berater für Regierungseffizienz“] wird Musks offizieller Titel nun
lauten, gemeinsam mit dem Pharmaunternehmer Vivek Ramaswamy soll er im neu
gegründeten Department of Government Efficiency „den Weg ebnen, Bürokratie
abzubauen, überflüssige Vorschriften zu streichen, verschwenderische
Ausgaben zu kürzen und die Bundesbehörden umzustrukturieren“. Das erklärte
Trump am vergangenen Mittwoch.
Hier haben also zwei Milliardäre ineinander investiert, weil sie für sich
selbst Profit rausschlagen wollen. Und noch dazu besitzen sie nun die
mediale und politische Macht, die USA und den Rest der Welt zu ihrem
Spielfeld zu machen. Diese Männer behandeln ein ganzes Land und seine
Institutionen wie einen Großkonzern, dessen Anteile sich aufkaufen und zum
eigenen Vorteil zurechtbiegen lassen. Und sie werden dafür nicht verhaftet,
sondern gefeiert.
Es gibt zu viele Menschen, die diesem Verhalten nacheifern. Sie müssen
dafür nicht alle einen auf Amateur-Käfigkämpfer machen, und Staatsoberhaupt
werden sie wohl auch nie. Aber etwas mehr vom Kuchen, das wär’s.
Die „Ich und mein Rudel zuerst“-Kultur frisst sich mit
Höchstgeschwindigkeit in den Planeten. Und sie hat es dort besonders
leicht, wo Gemeinschaftssinn schwindet und PopulistInnen und FanatikerInnen
die Angst vor sozialem Abstieg und Statusverlust befeuern. In Europa lässt
man Menschen an den Außengrenzen sterben. In Deutschland, wo es
parteiübergreifende Einigkeit für einen sozialökologischen Umbau und gegen
die AfD bräuchte, gockeln wieder die Gockel nach Kanzlerschaft.
## Der Siegeszug der bros muss alle alarmieren!
In Zeiten globaler Unsicherheit ist der Mensch wohl geneigter, es den bros
gleichzutun. Die haben es ja nach oben geschafft, während hier unten alles
zugrunde geht. Die eigene Erfolgsleiter ist greifbarer als linke Ideen von
Sozialstaat und Solidarität.
An dieser Stelle verliert die bro-Kultur übrigens ihren Penis. Nicht ein
Körperteil ist der Fehler, sondern AntifeministIn zu sein. Nicht die
Verbrüderung an sich, sondern das Zuhalten von Türen, das Errichten von
Festungen, das Ausüben und Hinnehmen von Gewalt. Das ist ein wichtiger
Unterschied.
Auch Frauen können antifeministisch sein oder Bro-Kultur leben, genau wie
eine Person mit Migrationsgeschichte sich wie ein alter weißer Mann
verhalten und ein aufgestiegenes Arbeiterkind zum Kapitalisten werden kann.
Arschlochverhalten wird nicht weniger arschig, wenn man Ärsche
diversifiziert.
Wenn es zur Leitkultur wird, ein artähnliches Rudel um sich zu versammeln
und sich einen Dreck um die Welt und die Folgen des eigenen Handelns zu
scheren, dann wird es dunkel. Schon jetzt trifft diese Verdunkelung all
diejenigen, die nicht hineinpassen (wollen) in die testolibertäre
Weltordnung: Kinder, Mädchen, Frauen, Alte, Kranke, Queers, trans Personen,
Menschen mit Behinderungen, Menschen ohne Geld. Menschen ohne Papiere.
Gerade deshalb muss der Siegeszug der bros alle alarmieren.
Wer sich von dieser Aufzählung nicht angesprochen fühlt, warte ab.
Fälschlicherweise glauben ja viele, sie wären näher dran am Leben eines
Elon Musk als an dem der Obdachlosen vor ihrer Haustür. Aber mindestens alt
und pflegebedürftig werden die meisten von uns. Fragt sich nur, in welcher
Welt.
15 Nov 2024
## LINKS
[1] /Praesidentschaftswahlkampf-in-den-USA/!6040844
[2] /US-Wahl-in-den-sozialen-Medien/!6047305
[3] https://www.wired.com/story/donald-trump-far-right-supporters-violent-memes/
[4] https://www.nytimes.com/2018/02/07/books/review-brotopia-silicon-valley-emi…
[5] /Tech-Investor-Peter-Thiel/!6041339
[6] https://www.zeit.de/kultur/2024-11/wahl-donald-trump-metoo-bewegung-sexuali…
[7] /Wahlen-in-den-USA/!6047508
[8] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/technologie/musk-tesla-trump-100.html
[9] /USA/!6049139
## AUTOREN
Lin Hierse
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