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# taz.de -- Wahlprogramm von CDU/CSU: Albtraum für die Umwelt
> Die Union will Fortschritte in der Agrarpolitik zurückdrehen. Die Natur
> würde leiden und langfristig auch die Bauern. Es gibt aber auch gute
> Ansätze.
Bild: Von weniger Schweinen ist im Wahlprogramm der CDU/CSU nicht die Rede
Das Kapitel zur Landwirtschaft im [1][Wahlprogramm der Union] liest sich
wie eine Wunschliste von Bauernverband und Industrie. Und es ist ein
Albtraum für Umweltschützer. Langfristig wird das Programm von CDU und CSU
für die Bundestagswahl auch den Bauern eher schaden als nützen. In diesem
Kapitel steht viel auf dem Spiel: Die deutsche Landwirtschaft erzeugt die
meisten Lebensmittel für den hiesigen Verbrauch.
Die Branche ist aber auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass immer mehr
Pflanzen- und Tierarten aussterben. Sie verursachte 2022 inklusive der
Emissionen aus Böden und Maschinen laut Umweltbundesamt [2][13 Prozent der
Treibhausgase] in Deutschland. Viele Tiere werden unter Bedingungen
gehalten, die die meisten Deutschen kritisieren. Und doch wollen CDU und
CSU die Landwirtschaft möglichst so weitermachen lassen wie in ihrer
letzten Regierungszeit.
Dafür würden sie auch den ein oder anderen ohnehin kleinen Fortschritt der
Ampel-Jahre wieder zurückdrehen. „Wir führen die Agrardieselrückvergütung
wieder vollständig ein“, heißt es im Programm. Das war die prominenteste
Forderung der Bauernproteste im letzten Winter. Die Landwirte wollen auch
weiterhin rund [3][450 Millionen Euro] jährlich an Energiesteuer auf den
Diesel für Traktoren und andere Landmaschinen erstattet bekommen.
Dabei erhält die Branche mit nur rund 1 Prozent der Erwerbstätigen ohnehin
schon überproportional großzügige Subventionen. Einen fossilen Kraftstoff
zu subventionieren, ist mit Blick auf den Klimaschutz völlig falsch. Der
Anreiz, treibhausgasintensiven Sprit einzusparen, fiele weg. Für Klima und
Natur wären aber zum Beispiel mehr Traktoren mit Anlagen sinnvoll, die den
Reifendruck so regeln, dass der Verbrauch sinkt. Auch Elektromotoren für
kleinere Maschinen würden ohne Dieselsubventionen deutlich
wettbewerbsfähiger.
## Viele Tiere erhitzen die Erde
Schlecht fürs Klima ist zudem, dass die Union „gegen eine Reduktion“ der
Tierzahlen ist und sich nicht zum Ziel bekennt, den Fleischverzehr zu
senken. Sie ignoriert, dass die Viehhaltung der größte Verursacher von
Treibhausgasen und anderen Umweltbelastungen innerhalb der Landwirtschaft
ist. Zu dieser Realitätsverweigerung passt, dass CDU und CSU die
Stoffstrombilanz im Düngerecht abschaffen wollen, mit der die Menge von
Pflanzennährstoffen wie Stickstoff berechnet wird, die die Höfe in die
Umwelt abgeben.
Zu hohe Mengen könnten nach entsprechenden Gesetzesänderungen sanktioniert
werden. Es ist klar, dass zu viel Pflanzennährstoff schädlich für Klima,
Grundwasser und Artenvielfalt ist. Der für [4][Nitrat festgelegte
Grenzwert] im Grundwasser wurde in den vergangenen Jahren vielerorts
überschritten. Der Bauernverband argumentiert, dass eine solche Bilanz zu
aufwendig wäre. In Wirklichkeit kostet die Rechnung die Betriebe dem
[5][Nationalen Normenkontrollrat] zufolge nur 4,8 bis 5,3 Stunden pro Jahr.
Die jährlich mehr als [6][6,3 Milliarden Euro Agrarsubventionen] der EU für
Deutschland sollen die Landwirte nach dem Willen der Union für noch weniger
Gegenleistung als bisher einstreichen können. Sie gibt als Ziel vor, „die
Gemeinsame Agrarpolitik für die Bäuerinnen und Bauern im Sinne von
Bürokratieabbau, Transparenz und Effizienz massiv zu vereinfachen“. Unter
„Bürokratie“ verstehen viele Bauernverbände zum Beispiel Vorschriften für
größere Fruchtfolgen, also für mehr Artenvielfalt auf dem Acker.
Die Union will sich auch „neuen EU-Pflichten“ entgegenstellen. Das könnten
beispielsweise Vorschriften für mehr Tier- und Umweltschutz sein.
Stattdessen möchten die Christdemokraten die Zulassung von Pestiziden
erleichtern, obwohl schon die jetzigen Zulassungsregeln so lax sind, dass
immer wieder auch gesundheitsschädliche Mittel jahrelang erlaubt werden,
bis sie unter der Last neuer Studien viel später dann doch verboten werden.
## Mehr Vielfalt wäre zielführend
Die Landwirte werden unter diesen Prämissen zwar kurzfristig
Produktionskosten einsparen. Langfristig wird die Erderwärmung aber gerade
den Landwirten schaden, denn sie sind besonders abhängig vom Wetter. Fatal
ist, dass die Union sich auch kaum Gedanken darüber macht, wie sich die
Landwirtschaft auf das neue Klima einstellen kann. Dazu wäre zum Beispiel
mehr Vielfalt auf dem Acker hilfreich, um das Risiko von Ernteausfällen
weiter zu streuen.
Ohne die Stoffstrombilanz wird es schwer, die EU-Kommission davon zu
überzeugen, dass Deutschland die sehr pauschalen Regeln gegen Überdüngung
in besonders betroffenen Gebieten zugunsten von Höfen ändern darf, die
nicht überdüngen. Allerdings enthält das Wahlprogramm auch positive
Ansätze: Es spricht sich nicht gegen die von der Ampel beschlossene
verpflichtende [7][Kennzeichnung der Haltungsbedingungen für
Schweinefleisch] aus. Mit ihr sollen Verbraucher Produkte aus
artgerechteren Ställen besser erkennen können.
Die Union unterstützt den Plan, die obligatorische Kennzeichnung der
Herkunft von Lebensmitteln auszuweiten. „Wir sorgen für eine verlässliche
Finanzierung tierwohlgerechter Ställe und schaffen genehmigungsrechtliche
Hürden ab“, heißt es. CDU und CSU wollen „Moore schützen und
wiedervernässen“, [8][was große Mengen Treibhausgase einsparen könnte].
Die Union fordert nicht klar, die Kennzeichnungspflicht und
Sicherheitstests von gentechnisch veränderten Pflanzen zu kippen.
Diese Technik wird vor allem dazu genutzt, eine umweltschädliche
Landwirtschaft mit wenig Vielfalt zu erleichtern. All das sind sinnvolle
Punkte, bei denen sogar der mögliche Koalitionspartner Bündnis 90/Die
Grünen mitgehen könnte. Die Forderung der Union, Ernährungssicherung als
Ziel ins Grundgesetz aufzunehmen, könnten die Grünen als Symbolpolitik
tolerieren.
Insgesamt gilt aber: Wer CDU oder CSU wählt, entscheidet sich in Sachen
Landwirtschaft vor allem für ein „Weiter so wie unter Bundeskanzlerin
Angela Merkel“. Das ist angesichts von Klimakrise und Artensterben
unverantwortlich.
13 Jan 2025
## LINKS
[1] https://www.politikwechsel.cdu.de/wahlprogramm
[2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/landwirtschaft/landwirtschaft-umweltf…
[3] https://www.bundestag.de/resource/blob/1020758/40461d46a8b9a288b4002e9c971f…
[4] https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/grundwasser/nutzung-belastunge…
[5] https://www.normenkontrollrat.bund.de/Webs/NKR/DE/home/home_node.html
[6] https://www.bmel.de/DE/themen/landwirtschaft/eu-agrarpolitik-und-foerderung…
[7] /Gesetz-zur-Kennzeichnung-der-Tierhaltung/!5937724
[8] /Neue-Studie-zum-Artensterben/!5968590
## AUTOREN
Jost Maurin
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