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# taz.de -- Eskalation in Georgien: Gewaltausbruch in Tbilisi
> Polizei- und Sicherheitskräfte gehen brutal gegen Teilnehmer*innen
> von Anti-Regierungsprotesten vor. Auch Journalisten werden gezielt
> angegriffen.
Bild: Sicherheits- und Polizeikräfte gehen in Tbilisi mit äußerster Brutalit…
Berlin taz | Wasserwerfer, Tränengas, Uniformierte, die auf Protestierende
einprügeln sowie Menschen, die auf dem Rustaveli-Boulevard blutend am Boden
liegen: Die Gewalt ist zurück in der georgischen Hauptstadt Tbilisi. In der
Nacht zu Freitag gingen Sicherheits- und Polizeikräfte – wieder einmal –
mit äußerster Brutalität gegen Demonstrant*innen vor.
Laut Angaben des georgischen Innenministeriums seien 43 Personen „als
Ergebnis illegaler und gewalttätiger Aktionen“ festgenommen worden. Sie
hätten polizeilichen Forderungen nicht Folge geleistet und sich
geringfügigen Rowdytums schuldig gemacht. 32 Polizeikräfte seien verletzt
worden. Die Proteste, bei denen auch Gummigeschosse zum Einsatz kamen,
dauerten bis zum frühen Freitagmorgen an.
Auf Videos ist zu sehen, wie Spezialeinsatzkräfte Apotheken stürmen, um
dort Schutz suchende Protestierende auf die Straßen zu zerren. Neben den
regulären Einsatzkräften sollen laut eines Berichts auf dem Webportal
JAMNews, auch maskierte, schwarz gekleidete Personen ohne Erkennungszeichen
an den Ausschreitungen gegen die Protestierenden beteiligt gewesen sein.
Medien und Menschenrechtsorganisationen bemühen sich derzeit um Aufklärung,
um wen es sich dabei genau gehandelt hat.
Mehrere Politiker*innen erlitten Knochenbrüche. Informationen des
Nachrichtenportals oc-media zufolge seien mindestens 15
Journalist*innen Opfer tätlicher Übergriffe geworden. Die
oc-media-Mitarbeiterin Mariam Nikuradze musste sich nach einem Einsatz von
Wasserwerfern in ärztliche Behandlung begeben.
Sie mutmaßt, dass das Wasser mit Pfefferspray versetzt gewesen sei. Zudem
sei ihr das Mobiltelefon aus der Hand geschlagen worden, nachdem sie den
Vorfall gefilmt habe. Ihr Kollege berichtete von einem gezielten
Tränengas-Einsatz, obwohl er eine Weste mit der Aufschrift „Presse“
getragen habe.
## EU-Integrationsprozess stoppen
Auslöser der Proteste, die auch in den Städten Batumi, Gori und Zugdidi
stattfanden, war eine Ankündigung von Regierungschef Irakli Kobachidze bei
einem Briefing im Hauptsitz der Regierungspartei Georgischer Traum (KO) vom
Donnerstag. [1][Tbilisi werde den Integrationsprozess mit der EU bis auf
Weiteres aussetzen] und jegliche EU-Hilfen zum Haushalt ablehnen. „Wir
werden der Europäischen Union nicht beitreten, indem wir betteln und auf
einem Bein stehen, sondern auf würdige Weise mit einem soliden
demokratischen System und einer starken Wirtschaft“, sagte Kobachidze.
Einige Stunden zuvor hatte das EU-Parlament mit übergroßer Mehrheit (444
Ja-Stimmen, 72 Nein-Stimmen und 82 Enthaltungen) eine nicht-bindende
Resolution zu Georgien angenommen. Darin werden [2][die Ergebnisse der
Parlamentswahl vom 26. Oktober nicht anerkannt] und eine Wiederholung der
Wahl innerhalb eines Jahres unter internationaler Beobachtung und durch
eine unabhängige Wahl-Verwaltung gefordert.
Begründet wird dies unter anderem mit zahlreichen Verstößen gegen das
Wahlrecht, wie die Beeinflussung und Einschüchterung von Wähler*innen,
Versuchen, das Ergebnis zu manipulieren sowie der Behinderung der Arbeit
von Medien und Wahlbeobachter*innen. Desweiteren enthält die Resolution die
Forderung nach persönlichen Sanktionen gegen einzelne Vertreter des KO –
neben Kobachidze auch Parlamentspräsident Schalwa Pauaschwili, den
Bürgermeister von Tbilisi Kakha Kaladze sowie den milliardenschweren
Oligarchen und KO-Gründer Bidzina Iwanischwili.
Sollte der Georgische Traum seine regelmäßig wiederholten Versprechen
einhalten, die politische Opposition zu verbieten, würde dieser Schritt
„das Land noch weiter von der EU entfremden und jegliche Schritte in
Richtung eines Beitritts unmöglich machen“, heißt es darin weiter. In einer
ersten Reaktion auf die Resolution, die vor ihrer Annahme öffentlich
geworden war, hatte Kobachidze diese als Fetzen Papier bezeichnet, der
einer Diskussion nicht wert sei.
## Auf einem Tiefpunkt
[3][Georgien ist seit Dezember 2023 EU-Beitrittskandidat]. Mittlerweile
sind die Beziehungen zwischen Brüssel und Tbilisi auf einem Tiefpunkt
angelangt. Eine erste Zäsur war [4][die Verabschiedung des umstrittenen
„Agentengesetzes“ nach russischen Vorbild] im vergangenen Mai.
Das Gesetz verschärft die Rechenschaftspflicht von Medien und
Nichtregierungsorganisationen, die mehr als 20 Prozent ihrer Mittel aus dem
Ausland erhalten. Laut Kritiker*innen gibt dieses Gesetz dem KO die
Instrumente an die Hand, um ihm nicht genehme Stimmen und oppositionelle
Kräfte mundtot zu machen. Die USA kündigten im Juli an, Hilfszahlungen an
Tbilisi in Höhe von mehr als umgerechnet rund 90 Millionen Euro
einzufrieren. Zudem verhängte Washington gegen mehrere Abgeordnete des KO
Einreisesperren.
Die Parlamentswahlen vom 26. Oktober waren ein weiterer Sargnagel.
Offiziellen Angaben zufolge will der KO mit 54 Prozent der Stimmen gewonnen
haben. Bereits an Wahltag waren von Beobachter*innen, aber auch Mitgliedern
der Opposition schwere Vorwürfe wegen versuchter Manipulationen und
Fälschungen erhoben worden.
Dennoch wurde der KO im November zum Wahlsieger erklärt. Alle vier
Oppositionsbündnisse, die offiziellen Angaben zufolge die Fünfprozenthürde
überwunden hatten, boykottieren das Parlament. Auch sie fordern eine
Wiederholung der Wahl.
Eine Stütze der Opposition ist [5][Staatspräsidentin Salome Zurabischwili]
– noch. Ihr Mandat läuft im Dezember ab, einen anschmiegsamen, politisch
bequemen Nachfolger, der vom Parlament gewählt werden wird, hat der KO
bereits benannt. Auch Zurabischwili nahm an den Protesten vom Donnerstag
teil.
„Ich bin bei diesen Menschen. Der Widerstand hat begonnen und wird nicht
enden, bis wir neue Wahlen haben“, sagte sie. Einige Polizeikräfte gemahnte
sie an deren Pflicht, Georgiens Souveränität zu schützen und fragte die
Betreffenden, ob sie „Russland oder Georgien dienten“. Für diesen
Freitagabend sind weitere Proteste angekündigt.
29 Nov 2024
## LINKS
[1] /Vor-Parlamentswahlen-in-Georgien/!6038959
[2] /Wahlen-in-Georgien/!6045089
[3] /EU-Beitritt-von-Ukraine-und-Moldau/!5980475
[4] /NGOs-in-Georgien/!6023558
[5] /Wahlen-in-Georgien/!6045184
## AUTOREN
Barbara Oertel
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