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# taz.de -- Internationaler Schuldenbericht: Profite mit der Schuldenkrise
> Laut Bericht der Weltbank befinden sich die Schuldenrückzahlungen auf
> Rekordniveau. Die Zinsen für ärmste Länder haben sich verdreifacht.
Bild: Stifte für ärmere Schüler*innen in Sri Lanka. Das hochverschuldete Lan…
BERLIN taz | Im [1][internationalen Schuldenbericht 2024] räumt die
Weltbank die gravierenden Probleme von Entwicklungsfinanzierung durch
private Gläubiger ein: Ein Strom von privatem Kapital für Armutsbekämpfung
und andere Entwicklungsziele „erwies sich als Fantasie“, heißt es gleich zu
Beginn.
Seit 2022 haben ausländische private Gläubiger fast 141 Milliarden
US-Dollar mehr an Schuldendienstzahlungen von öffentlichen Kreditnehmern in
Entwicklungsländern eingefordert, als sie in neuen Investitionen zu
Verfügung gestellt haben, heißt es im Bericht. Und: Seit 2022 haben sich
private Investoren immer mehr aus Entwicklungsländern zurückgezogen.
Gleichzeitig scheint der im Bericht verhöhnte Slogan „von Milliarden zu
Billionen“ gerade wieder an Auftrieb zu bekommen. Die Weltbank will mit
Hybridkapital Gelder am Privatmarkt mobilisieren und setzt auf [2][Anreize
für Investitionen des Privatsektors] für Entwicklung und Klimafinanzierung.
Dafür nutzt die Entwicklungsbank etwa Garantien, die Absicherung gegen
politische Risiken oder die Abmilderung von Wechselkursrisiken.
Dass private Gläubiger in der Realität jedoch Profite machen, aber die
Risiken fast ausschließlich von den staatlichen Gläubigern und
multilateralen Entwicklungsbanken getragen werden, kritisierte Chefökonom
und Weltbank-Vize Indermit Gill deutlich bei der Vorstellung des Berichts.
Sie hätten sich in Risikozeiten zurückgezogen, während sich ihre
Investitionen durch die hohen Zinsen längst ausgezahlt hätten. Gleichzeitig
würden Entwicklungsbanken immer mehr zum Geber in der Not für diese
Staaten, so Gill. In einigen Fällen wurden diese Kredite aber für die
Rückzahlung an private Gläubiger genutzt.
## 1,4 Billionen US-Dollar an Schuldendienst zahlten Entwicklungsländer
2023
Für Entwicklungsländer hat sich die Situation doppelt verschlechtert. Durch
die hohen Zinsen in den USA und Europa sind ihre Kredite immer teurer
geworden und ihre Währungen haben an Wert verloren. Der Schuldendienst ist
laut Bericht auf dem höchsten Stand, der je erreicht wurde. 1,4 Billionen
US-Dollar zahlten Entwicklungsländer im Jahr 2023. Für die 26 ärmsten
Länder haben sich die Zinsen verdreifacht. Das Geld fehle für Investitionen
etwa in Bildung und Gesundheit, erklärte Gill.
„Diese Dynamik ist gefährlich“, sagte auch Malina Stutz von dem
Entschuldungsbündnis erlassjahr.de. Aber: „Es reicht nicht, wenn die
Weltbank das nur kritisiert. Der IWF hat die klare Vorgabe, dass er nur
Kredite vergeben darf, wenn die Schuldensituation tragfähig ist. Ist sie
das nicht, müssen die Institutionen darauf bestehen, dass es vorher
ausreichende Schuldenstreichungen gibt.“
Erlassjahr.de und Partner fordern außerdem seit Langem eine nationale
Gesetzgebung in Deutschland und anderen Ländern des Globalen Nordens, die
private Gläubiger verpflichtet, sich an Entschuldungsprozessen zu
beteiligen. Die privaten Kreditgeber könnten dann etwa ihre
Zinsrückzahlungen von hochverschuldeten Ländern nicht mehr in vollem Umfang
vor Gericht einklagen, sondern nur noch in dem Umfang, der in
internationalen Restrukturierungsprozessen von Schulden vereinbart wurde.
Die G20 hat auf dem Hoch der Pandemie 2020 einen „gemeinsamen Rahmen“ für
Restruktutierungsprozesse initiiert, den sogenannte Common Framework.
Dieser komme jedoch nur langsam voran, räumte Weltbankökonom Gill am Montag
ein. Bislang haben sich nur vier Länder beworben, der Prozess dauert lange,
er sei nicht für private Gläubiger geeignet.
## Entwicklungsländer wollen Rahmen für Restrukturierungen von Schulden
mitverhandeln
Stutz teilt die Kritik. Er sei aber nicht nur zu langsam, sondern auch
„intransparent und gläubigerlastig“, sagt sie. Es müsse einen multilateral
ausgehandelten Rahmen zur Restrukturierung von Schulden geben, der nicht
nur vom Globalen Norden bestimmt werde. So fordert es auch die Gruppe der
afrikanischen Staaten und die Gruppe der LDCs, der ärmsten Länder, im
Rahmen des [3][UN-Prozesses zu Entwicklungsfinanzierung (FfD4)].
Das aber blockieren die Staaten des Globalen Norden bisher. Von Donnerstag
bis Freitag läuft die letze Vorbereitungsrunde für die
UN-Entwicklungfinanzierungskonferenz im Juli 2025, wo auch das ein
zentrales Thema sein wird.
Ebenfalls Ende der Woche findet in Seoul, Südkorea, die finale
Geberkonferenz der Internationalen Entwicklungsgesellschaft der Weltbank,
kurz IDA, statt. Sie vergibt besonders günstige Kredite und Zuschüsse an
die 75 ärmsten Länder. Die [4][Weltbank hat versprochen, die Mittel
aufzustocken], bislang sind die Zusagen der reichen Staaten aber
zurückhaltend. Etwa Südkorea, Lettland, Polen, Spanien, Norwegen und
Dänemark haben höhere Zahlungen versprochen.
Stephan Exo-Kreischer, Europadirektor der Entwicklungsorganisation ONE,
plädiert für mehr Geld aus Deutschland für IDA, um ausreichend zinsgünstige
Kredite und Zuschüsse an die ärmsten Länder zu ermöglichen. Der deutsche
Beitrag von rund 1,6 Milliarden Euro für die aktuelle
Wiederauffüllungsrunde entspreche zwar nominal dem Betrag der letzten
Wiederauffüllungsrunde, durch den Kursverlust des Euros erhielte die
Entwicklungsbank real aber weniger Geld.
Gleichzeitig habe Deutschland noch einmal 305 Millionen Euro zusätzlich an
IBRD, die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, gegeben.
Sie vergibt Kredite an mittlere Einkommensländer zu Marktkonditionen.
Das sei zwar richtig, betont Exo-Kreischer, aber „für die IBRD so viel Geld
in die Hand zu nehmen und dann nicht das Gleiche für IDA zu tun, ist ein
Affront gegenüber den afrikanischen Staaten“. Denn besonders diese weisen
immer wieder auf die Bedeutung von IDA hin. Bei den Diskussionen um die
Weltbankreform befürchteten viele Entwicklungsländer, dass eine verstärkte
Klimafinanzierung zulasten von Armutsreduzierung gehen würde.
4 Dec 2024
## LINKS
[1] https://www.worldbank.org/en/programs/debt-statistics/idr/products
[2] /Fruehjahrstagung-von-IWF-und-Weltbank/!6001749
[3] https://financing.desa.un.org/post-news/announcing-fourth-international-con…
[4] /Weltbank-Vize-ueber-Klimafinanzierung/!5994612
## AUTOREN
Leila van Rinsum
## TAGS
Entwicklungspolitik
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