# taz.de -- Überschuldete Staaten: 1,3 Milliarden Dollar Zinsen am Tag | |
> 130 Länder sind überschuldet. Die hohen Tilgungskosten schaden der | |
> Bekämpfung von Armut und Klimawandel, mahnt der aktuelle Schuldenreport. | |
Bild: Zur Schuldentilgung: eintausend sri-lankische Rupien | |
BERLIN taz | Ein Großteil der Staaten weltweit steckt in einer | |
Schuldenkrise. Im diesjährigen [1][Schuldenreport 2024] stufen die NGOs | |
Misereor und Erlassjahr.de 130 von 152 untersuchten Ländern als kritisch | |
ein, 24 davon als sehr kritisch. Als problematisch gelten Schulden, wenn | |
sie nicht vom Wirtschaftswachstum oder Staatseinnahmen getragen werden | |
können. | |
„Am kritischsten ist die Lage in [2][Sri Lanka], Libanon und Bhutan“, sagte | |
Kristina Rehbein, Koordinatorin von Erlassjahr.de am Dienstag bei der | |
Vorstellung des Berichts. Besonders betroffen sei auch die afrikanische | |
Sub-Sahara-Region mit Ländern wie Ghana, Malawi und [3][Kenia]. | |
Laut [4][Bericht] müssen die Staaten des Globalen Südens 2024 so viel wie | |
nie zuvor für die Tilgung der Zinsen zahlen – an private Gläubiger, | |
multilaterale Entwicklungsbanken und Staaten aus dem globalen Norden, | |
China, Russland oder Indien. In 45 Staaten fließen mehr als 15 Prozent der | |
Staatseinnahmen in den ausländischen Schuldendienst. Insgesamt muss der | |
Globale Süden dieses Jahr 487 Milliarden US Dollar an Zinsen zahlen – mehr | |
als eine Milliarde US-Dollar pro Tag, rechnen die NGOs im Bericht vor. | |
„Das größte Problem ist, dass die Gelder, die in den Schuldendienst | |
fließen, nicht für die Bekämpfung von Armut, die Auswirkungen des | |
Klimawandels oder den wachsenden Hunger zur Verfügung stehen“, sagte Klaus | |
Schilder, Referent für Entwicklungsfinanzierung bei Misereor. Die globalen | |
UN-Nachhaltigkeitsziele, die sogenannten SDGs, seien damit nicht zu | |
erreichen, so Schilder. Gleichzeitig gibt es laut dem Bericht einen | |
Rückgang privater Investitionen, um Schulden zu refinanzieren. | |
## Vor allem private Gläubiger sollen Schulden erlassen | |
Die NGOs fordern, dass die Bundesregierung Staateninsolvenzverfahren | |
vorantreibt, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Das „Gemeinsame | |
Rahmenwerk“ der G20, die Umstrukturierungsverfahren der Schwellen- und | |
Industrieländervereinigung seien nicht ausreichend. Sie dauerten zu lange, | |
seien intransparent und stellten Interessen von Gläubigern in den | |
Vordergrund, heißt es in dem Bericht. Sie ermöglichten kaum | |
Schuldenstreichungen. | |
Insbesondere fordern die NGOs, dass private Gläubiger gesetzlich | |
verpflichtet werden, sich an Schuldenerleichterungen zu beteiligen. | |
Außerdem soll sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass auch | |
multilaterale Entwicklungsbanken wie etwa die Weltbank Schulden erlassen. | |
Denn diese sind bislang von Forderungen bei Umschuldungsverhandlungen | |
ausgenommen. | |
Der Zusammenhang zwischen Schulden und fehlender Klima- und | |
Entwicklungsfinanzierung sei mittlerweile in globalen Debatten angekommen, | |
sagte Rehbein. Der kommende UN-Zukunftsgipfel, die nächste Klimakonferenz | |
sowie die Frühjahrstagung von Internationalen Währungsfonds und Weltbank | |
Mitte April böten daher „eine zentrale Chance für die Bundesregierung, sich | |
für Schuldenerlasse einzusetzen“. Gleichzeitig müssten faire Steuersysteme | |
und günstige Entwicklungsfinanzierung vorangetrieben werden, so Rehbein. | |
9 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://erlassjahr.de/produkt/schuldenreport-2024/ | |
[2] /Schuldenkrise-in-Sri-Lanka/!5957097 | |
[3] /Chinesische-Kredite-fuer-Kenia/!5975173 | |
[4] /Schuldenreport-2023/!5925149 | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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