# taz.de -- Lang geplantes Ende der Ampelkoalition: Seine feuchten Augen | |
> Eine Spurensuche im Umfeld von Christian Lindner zeichnet Szenen von | |
> Illoyalität bei den Liberalen. Ist das der Anfang des Endes vom FDP-Chef? | |
Bild: Tränen, Trauer, Täuschung: Christian Lindner bei seiner ersten Rede, na… | |
Nach seiner Entlassung als Finanzminister konnte man fast schon Mitleid mit | |
Christian Lindner bekommen. Der FDP-Chef berichtete vor den Kameras von | |
seinen Enttäuschungen, und er wollte den Eindruck erwecken: Hier ist jemand | |
ernsthaft gekränkt. Aufgewühlt und mit feuchten Augen sprach Lindner davon, | |
wie der Bundeskanzler mit „einem kalkulierten Bruch“ das Land ins Chaos | |
gestürzt habe. | |
[1][Der 6. November ist als das Ende der Ampelregierung] in die Geschichte | |
der Bundesrepublik eingegangen. Spurensuchen im Umfeld Lindners legen nun | |
nahe, dass die FDP-Spitze seit Monaten dieses Ende herbeiführen wollte, in | |
einer Chatgruppe sollen führende Liberale vom „D-Day“ gesprochen haben. | |
[2][Die Zeit hat die Szenen im inneren Zirkel der FDP-Spitze akribisch | |
nachgezeichnet.] Dabei wird einmal mehr klar, dass es sich bei der Partei | |
der Individualisten nur noch um einen Christian-Lindner-Fanclub handelt und | |
dass der Boss Widersprüche durchaus auch mit Wutanfällen und Ausschluss | |
quittieren kann. Tränen, Trauer und Täuschung, in den letzten Szenen des | |
Theaters war sich Teamleader Christian keines Mittels zu schade. | |
Eine Kurzfassung der Zeit-Recherche geht so: Nach den miesen Ergebnissen | |
bei den Landtagswahlen (in Brandenburg erhielt die FDP so viele Stimmen wie | |
es dort ungültige Wahlzettel gibt, 0,8 Prozent) sind sich alle sicher: So | |
geht es nicht weiter. In drei Treffen bespricht die FDP-Führung demnach | |
Strategien, um das Ende der Ampel herbeizuführen und so liberale | |
Prinzipientreue zu inszenieren. | |
## Wahlkampf | |
Lindner hat die Recherchen der Zeit und auch der Süddeutschen Zeitung, die | |
über die Schlachtpläne der FDP ebenfalls berichtete, nicht dementiert. Er | |
teilte lediglich mit, dass Wahlkampf sei. „Wo ist die Nachricht?“ | |
Nur wer keine Erwartungen an ein Mindestmaß an menschlichem Anstand hat, | |
sieht hier keine Nachricht. Die Zeit schreibt, Lindner habe bei den | |
internen Beratungen gerufen, er könne die Fressen der anderen | |
Regierungsmitglieder nicht mehr sehen und die FDP müsse raus aus der Ampel, | |
denn sonst könne er die Partei nicht in den nächsten Wahlkampf führen. So | |
soll er auf Bedenken reagiert haben, die Noch-Verkehrsminister und | |
[3][Ex-FDPler Volker Wissing] bei einem der Treffen geäußert haben soll. | |
Christian Lindner bangt um sein Lebensprojekt, kein Wunder also, dass er in | |
Diskussionen auch mal laut wird. Die FDP ist seine One-Man-Show, er hat die | |
Partei nach den Jahren der Knechtschaft unter der Union und der darauf | |
folgenden politischen Bedeutungslosigkeit wieder in den Bundestag geführt. | |
Bei den Strategietreffen sei es deshalb einhellige Meinung gewesen, dass | |
nur Lindner die Liberalen erneut ins Parlament führen könne, sprich: Wer | |
Loyalität mit der Regierung zeige, ist illoyal zum Parteichef. | |
## „Vernünftige Wirtschaftspolitik“ | |
Laut Zeit besprach die FDP-Spitze bereits am 29. September, ein | |
wirtschaftspolitisches Papier aufzusetzen, [4][dass innerhalb der Koalition | |
nicht einigungsfähig sein sollte]. Diese Grundsatzschrift sollte dann mit | |
dem Framing, in der Ampel sei eine „vernünftige Wirtschaftspolitik“ nicht | |
möglich, ihren Weg in die Presse finden – so geschehen am Freitag vor | |
Lindners Entlassung. | |
Es sind filmreife Szenen: Mit disziplinierender Rhetorik nach innen und | |
spalterischen Standpunkten nach außen habe die FDP ihre Koalitionspartner | |
provozieren und so ihren Rauswurf aus der Regierung herbeiführen wollen – | |
oder zumindest Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem Rücktritt aller | |
FDP-Minister*innen auf kaltem Fuß erwischen wollen. | |
Die durchgeskriptete Abrechnung von Scholz mit Lindner zeigte, dass ihn das | |
perfide Spiel nicht ganz überraschend traf. | |
Dabei geht Lindners Strategie über das nun bekannt gewordene hinaus: Mit | |
kalkuliertem Selbstmitleid versuchte der FDP-Chef seinen Plan, das Ende der | |
Regierung herbeizuführen, zu kaschieren. Auch innerhalb der Liberalen | |
müssen diese Krokodilstränen des Parteichefs für Stirnrunzeln sorgen. Und | |
da Loyalität dort nicht groß geschätzt zu sein scheint, ist der Anfang des | |
Endes von Lindner als Parteichef wohl eingeleitet. | |
17 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Regierungskrise-in-Deutschland/!6047445 | |
[2] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2024-11/christian-lindner-ampel-aus… | |
[3] /Die-Wahrheit/!6045539 | |
[4] /Grundsatzpapier-des-Finanzministers/!6046476 | |
## AUTOREN | |
Cem-Odos Güler | |
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