| # taz.de -- Grundsatzpapier des Finanzministers: Lindner setzt die Säge an die… | |
| > Der FDP-Chef fordert eine Auflösung des Klimafonds und übt Druck auf den | |
| > Arbeitsminister aus. Sparen will er bei Bürgergeld, Rente und | |
| > Geflüchteten. | |
| Bild: Wird er durch diese Türe gehen? Christian Lindner am Dienstag im Bundest… | |
| Berlin taz | Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat einen | |
| Generalangriff auf die Politik der Ampel gestartet. In einem am | |
| Freitagnachmittag bekannt gewordenen 18-seitigen Dokument distanziert sich | |
| der FDP-Chef von der Regierungsarbeit und fordert eine radikale Abkehr von | |
| der deutschen Klimapolitik sowie starke Kürzungen im sozialen Bereich. | |
| In dem Papier aus dem Finanzministerium, das der taz vorliegt, spricht sich | |
| Lindner für die Auflösung [1][des Klima- und Transformationsfonds (KTF)] | |
| aus, mit dem die Bundesregierung nachhaltige Technologien unterstützt – | |
| etwa in der Wasserstoffwirtschaft. Das deutsche Klimaziel soll nach hinten | |
| verschoben, das Datum für den Kohleausstieg aufgehoben werden. Der | |
| Finanzminister fordert eine „Wirtschaftswende mit einer teilweise | |
| grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen, um Schaden vom | |
| Standort Deutschland abzuwenden“. | |
| Lindner verlangt, die „Bürokratiekosten“ in Deutschland zu senken, auch | |
| über die reguläre Amtszeit der Bundesregierung hinaus. „Für die nächsten | |
| drei Jahre sollte ein striktes Moratorium dafür sorgen, dass keine neuen | |
| Regulierungen und keine neue Bürokratie in Deutschland beschlossen werden“, | |
| heißt es in seinem Papier. Dabei nimmt der FDP-Chef vor allem | |
| SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, ins Visier. „Das gilt insbesondere für | |
| die vom [2][Bundesminister für Arbeit und Soziales vorgelegte Fassung des | |
| Tariftreuegesetzes], für das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz [3][und | |
| das Entgelttransparenzgesetz]“, heißt es. | |
| Nach dem Bekanntwerden des Papiers bezeichnete es der FDP-Chef in einer | |
| E-Mail an Parteifreunde als „Indiskretion“, dass seine Forderungen an die | |
| Öffentlichkeit gelangt seien. Das Konzept hätte zunächst nur im engsten | |
| Kreis der Bundesregierung beraten werden sollen. In der Mail, aus der | |
| verschiedene Medien zitieren, schreibt Lindner, [4][Wirtschaftsminister | |
| Robert Habeck (Grüne) habe ebenfalls Vorschläge zur Bewältigung der | |
| wirtschaftspolitischen Herausforderungen gemacht] und dabei ein | |
| kreditfinanziertes Sondervermögen ins Spiel gebracht. Er wolle mit seinem | |
| Papier „eine alternative Richtungsentscheidung“ vorschlagen. „Wir werden … | |
| Gesamtkontext nun in Regierung und Koalition beraten.“ | |
| Habeck hatte vor kurzem ein Papier zur Wirtschaftspolitik vorgelegt, Olaf | |
| Scholz (SPD) und die FDP-Fraktion luden zu jeweils getrennten | |
| Wirtschaftsgipfeln ins Kanzleramt und in den Bundestag – beide Seiten | |
| wollen an diesen separierten Gesprächsrunden festhalten. | |
| ## Der Finanzminister will die Einnahmen senken | |
| Lindner heizt die wirtschaftspolitischen Konflikte in der Ampel mit seinem | |
| Papier enorm an. Vor allem für die Grünen müssen die Forderungen des | |
| Finanzministers wie ein Affront wirken. „Es hilft dem Klimaschutz nicht, | |
| wenn Deutschland als vermeintlicher globaler Vorreiter möglichst schnell | |
| und folglich mit vermeidbaren wirtschaftlichen Schäden und politischen | |
| Verwerfungen versucht, seine Volkswirtschaft klimaneutral aufzustellen“, | |
| schreibt Lindner. | |
| Er fordert, die Klimapolitik künftig rein europäisch zu regeln und dafür | |
| ausschließlich auf das Werkzeug der CO₂-Bepreisung zu setzen. Zusätzliche | |
| Maßgaben, wie sektorbezogene Regelungen für die Verkehrs- oder die | |
| Baubranche hält Lindner für überflüssig. „Ebenso ist ein gesetzlich | |
| festgelegter Zeitpunkt für den Kohleausstieg nicht notwendig“, so Lindner. | |
| Zudem solle Deutschland gegenüber der EU-Kommission die Abschaffung der | |
| Berichts- und Nachweispflichten aus dem „Green Deal“ bewirken. | |
| Lindner macht in seinem Papier Vorschläge, von denen er sich schnelle | |
| Impulse für die Wirtschaft erhofft. „Als Sofortmaßnahme sollte der | |
| Solidaritätszuschlag, der überwiegend von Unternehmen, Selbständigen, | |
| Freiberuflern sowie Hochqualifizierten gezahlt wird, entfallen“, fordert | |
| er. Den Zuschlag müssen derzeit nur noch Hochverdienende zahlen. Außerdem | |
| möchte er die Körperschaftssteuer von 15 Prozent, die etwa | |
| Kapitalgesellschaften zahlen, im Jahr 2025 um zwei Prozentpunkte reduzieren | |
| und in den Folgejahren zusätzlich senken. | |
| Gleichzeitig möchte der Finanzminister bei den Staatsausgaben mehr sparen. | |
| Bei den Ausgaben für das Bürgergeld und dem dazugehörigen Wohngeld sieht | |
| der Finanzminister etwa ein Sparpotenzial von drei Milliarden Euro. Lindner | |
| fordert zudem eine weitere „Flexibilisierung“ des Renteneintrittsalters | |
| durch höhere Abschläge bei einem frühzeitigen Renteneintritt sowie | |
| Zuschlägen bei späterem Renteneintritt. Hier sieht der Finanzminister | |
| weitere 4,5 Milliarden Euro an Einsparmöglichkeiten im Vergleich zum | |
| bereits verabschiedeten Haushaltsentwurf der Regierung, über den der | |
| Bundestag zurzeit berät. | |
| ## CDU-Politiker fühlt sich an Lambsdorff-Papier erinnert | |
| Bei der Asylgesetzgebung fordert Lindner, einen „gesonderten Rechtskreis“ | |
| für subsidiär Schutzberechtigte zu schaffen, damit sie nach ihrer | |
| Anerkennung in Deutschland kein Bürgergeld erhalten, sondern weiterhin ein | |
| „abgesenktes Leistungsniveau ähnlich dem Asylbewerberleistungsgesetz“. | |
| Dadurch könne der Staat 800 Millionen Euro einsparen. | |
| SPD-Generalsekretär Matthias Miersch forderte die Koalitionspartner auf, | |
| für die Stabilisierung der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. „Nach dem | |
| Wirtschaftsminister bringt nun auch der Finanzminister seine Vorschläge in | |
| die Debatte ein. Wichtig ist jetzt, dass der Prozess konstruktiv und | |
| lösungsorientiert von allen Beteiligten begleitet wird“, sagte Miersch den | |
| Zeitungen der Funke-Mediengruppe. | |
| Unions-Vizefraktionschef Mathias Middelberg sagte gegenüber der | |
| Nachrichtenagentur Reuters, das Papier lese sich wie ein | |
| Kündigungsschreiben Linders. „Es erinnert an das Lambsdorff-Papier von | |
| 1982, das zum Bruch der damaligen Regierungskoalition führte.“ Wenn es | |
| Lindner jetzt nicht gelinge, die wesentlichen Punkte seines Papiers | |
| durchzusetzen, müsse er die Ampel-Regierung verlassen. | |
| Christian Lindner wolle offensichtlich endgültig das Ampel-Aus provozieren, | |
| sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag | |
| Christian Görke. „Die Vorschläge sind eine Luftnummer ohne | |
| Gegenfinanzierung und eines Finanzministers unwürdig“, sagte er. Lindner | |
| fordert Steuersenkungen für Superreiche und Wohlhabende, die von den | |
| Ländern und Kommunen finanziert werden sollen. | |
| Die Grünen blieben bislang auffällig zurückhaltend. „Das Papier ist eine | |
| Nebelkerze. Wichtiger wäre es, dass sich der Finanzminister um den Haushalt | |
| kümmert“, sagte Grünenfraktionsvize Andreas Auretsch. | |
| 2 Nov 2024 | |
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