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# taz.de -- Regierungskrise der Ampel: Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn ra…
> Nach dem Wirtschaftspapier der FDP muss die Regierung ein paar Fragen
> klären. Scholz hat Lindner und Habeck einbestellt. Nagelprobe wird der
> Haushalt.
Bild: Bleiben oder gehen? Finanzminister Christian Lindner (re) hadert einmal m…
Berlin taz | In der SPD setzt man nun auch auf göttlichen Beistand.
Vertreter:innen der deutschen Bischofskonferenz waren am Montag zum
Gespräch mit dem Präsidium in die Parteizentrale, ins Berliner
Willy-Brandt-Haus geladen. Laut Presseerklärung sei es vor allem um
gesellschaftlichen Zusammenhalt gegangen. Aber natürlich ließ sich [1][der
desolate Zustand der Ampel] nicht verschweigen. Anwesende berichteten, die
Kirchenvertreter:innen hätten plädiert, die Interessen des Landes
über parteipolitische Interessen zu stellen. Also keine Neuwahlen zu
riskieren, sondern den Haushalt beschließen und die Legislatur zu Ende
führen.
Aber liegt das noch in der Hand der SPD? Seit Freitag hat man den Eindruck,
Finanzminister Christian Lindner hat sich zum Schicksalsgott (manche meinen
-dämon) der Ampel aufgeschwungen. In einem 18-seitigen Papier unter der
Überschrift „Wirtschaftswende Deutschland“ stellt er grundlegende
Vereinbarungen der Koalition in Frage. So fordert er, die Klimaziele
teilweise aufzugeben und wichtige Instrumente, etwa den Klima- und
Transformationsfonds, zu streichen. Um die Wirtschaft anzukurbeln, schlägt
der Finanzminister umfangreiche Steuersenkungen für Unternehmen vor, setzt
auf die Abschaffung des Solidaritätszuschlags und bläst zum Angriff auf
[2][sozialdemokratische Herzensprojekte wie das Tariftreuegesetz].
So weit so altbekanntes FDP-Gedankengut. Doch trägt das Schreiben eben
nicht den Stempel der FDP-Parteizentrale, sondern den Briefkopf des
Bundesfinanzministeriums. Die Opposition sieht in dem Papier „die
Scheidungsurkunde der Ampel“, der Parlamentarische Geschäftsführer der
Union im Bundestag.
Genau diese will die SPD um jeden Preis vermeiden. Am Sonntagabend speiste
Bundeskanzler Olaf Scholz mit Lindner im Kanzleramt zu Abend, nachdem er
zuvor die Spitzen der SPD zum Krisengespräch empfangen hatte. Nach draußen
drang nicht viel, ein Video aufgenommen mit einem Teleobjektiv zeigt, wie
sich beide in Scholz’ Büro gegenüber sitzen – Lindner gestikuliert, Scholz
hört zu.
## SPD will weitermachen, Grüne auch
Scholz’ Sprecher Steffen Hebestreit erklärte am Montag, es werde in den
nächsten Tagen mehrere Treffen zu dritt geben, neben Scholz und Lindner ist
Vizekanzler Robert Habeck dabei. Nach Informationen der taz treffen sie
sich jeweils am Montag, Dienstag und Mittwoch zu Dreiergesprächen, bevor am
Mittwochabend der 17-köpfige Koalitionsausschuss zusammentritt. Kommt es
dort zum Schwur?
SPD-Chefin Saskia Esken bemühte sich am Montag, Verlässlichkeit
auszustrahlen. Der Koalitionsausschuss sei ein ganz normaler, auch wenn
wichtige Entscheidungen anstünden. „Es geht jetzt nicht um einen Showdown.“
Man müsse gemeinsam überlegen ob man die Kraft aufbringe, weiter
Verantwortung zu übernehmen. So viel könne sie versprechen: „Wir stehen
bereit.“
Auch die Grünen zeigen wenig Neigung, die Ampel zu verlassen. Der
scheidende Grünen Vorsitzender Omid Nouripour versuchte am Montag zu
deeskalieren. „Wir wollen den Bruch nicht und gehen davon aus, dass die
anderen auch vertragstreu sind.“
## FDP-Generalsekretär weicht Frage nach „Ausstieg“ aus
Bleibt also die Frage, was die Freien Demokraten planen. Das Wort
„Ausstieg“ vermied Christian Lindner am Sonntagabend im Interview mit dem
ZDF, seine Vorschläge lägen auf dem Tisch, nun seien die anderen dran. „Wir
werden die Situation klären“.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sieht ebenfalls Grüne und SPD am Zug,
bezeichnete Lindners Papier als „ehrliches Angebot“. Mehrfach wich der
Generalsekretär der Frage aus, ob die Liberalen auch bereit wären, die
Bundesregierung zu verlassen, sollte über die von Lindner vorgeschlagene
Kehrtwende in der Klima- und Sozialpolitik keine Einigung erzielt werden.
Lindner habe konkrete und durchgerechnete Vorschläge gemacht, wie man den
Haushalt beschließen und das Wachstum anschieben könne. „Wir wollen jetzt
wissen, was der zuständige Wirtschaftsminister vorschlägt.“
Der hatte allerdings bereits in der [3][Vorwoche ein eigenes Papier für
Wirtschaftspolitik] vorgelegt, das allerdings in eine ganz andere Richtung
ging und statt Kürzungen größere Ausgaben vorsieht. Am Montagnachmittag
ging Habeck dann aber einen Schritt auf den Finanzminister zu, indem er die
Intel-Milliarden aus dem Klimafonds zur Haushaltskonsolidierung freigab. Er
appellierte an die Koalitionspartner, sich jetzt auf den Haushalt und die
Umsetzung der bereits beschlossenen Wachstumsinitiative zu konzentrieren.
„Dies ist die schlechteste Zeit, dass die Regierung scheitert.“
Die SPD-Vorsitzende sieht allerdings wenig Verhandlungsspielräume. Sie habe
in dem 18-seitigen Papier keinen Vorschlag gefunden, „der geeignet wäre, in
dieser sozialdemokratisch geführten Regierung umgesetzt zu werden“, so
Esken. Das gilt auch für den Solidaritätsbeitrag, obwohl der eh zur
Disposition steht. FDP-Abgeordnete klagen gegen die Extra-Abgabe, die nur
noch Besserverdienende und Unternehmen zahlen müssen, das
Bundesverfassungsgericht will in der kommenden Woche eine Vorentscheidung
treffen.
## Möglichkeit der Minderheitsregierung
Wie es weitergeht, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Rudert Lindner
zurück? Oder lässt er die Koalition platzen, beziehungsweise setzt darauf,
dass Scholz ihn und die FDP-Minister:innen rausschmeißt? Für diesen Fall
könnten SPD und Grüne auch in einer Minderheitsregierung weitermachen und
auf Verordnungsbasis regieren. Fraglich ist, ob sie das politisch
durchhalten, denn die Union wird kaum geneigt sein, Zugeständnisse zu
machen, sondern auf Neuwahlen pochen.
Für ein konstruktives Misstrauensvotum, also der Abberufung des
Bundeskanzlers und der Einsetzung des eigenen Kandidaten Friedrich Merz
fehlt ihr im derzeitigen Parlament die Mehrheit. Scholz selbst müsste also
den Weg frei machen, in dem er die Vertrauensfrage stellt. Erst wenn er
diese verliert, kann der Bundespräsident auf seinen Vorschlag hin den
Bundestag binnen 21 Tagen auflösen. Nach erfolgter Auflösung blieben 60
Tage für Neuwahlen. Rein rechnerisch vergehen also locker drei Monate, bis
ein neuer Bundestag zusammentritt, dann dürften noch mal ein paar Monate
für Koalitionsverhandlungen bis zur Regierungsbildung folgen.
Ob es überhaupt so weit kommt, wird sich auch an einem anderen Termin in
diesem Monat entscheiden. Am 14. November treffen sich die
Haushälter:innen der Ampel zu ihrer Bereinigungssitzung. Falls sie es
nicht schaffen, das Milliardenloch, das im Regierungsentwurf klafft, zu
stopfen, dürfte das Ende der Ampel besiegelt sein. Das ist nach dem
Zugeständnis des Wirtschaftsministers eher unwahrscheinlich, zudem denken
Haushälter:innen pragmatisch. Das Ende der Ampel wird also eine rein
politische Entscheidung.
4 Nov 2024
## LINKS
[1] /Grundsatzpapier-des-Finanzministers/!6046476
[2] /Oeffentliche-Auftraege/!6034317
[3] /Investitionsbonus-fuer-Unternehmen/!6041559
## AUTOREN
Sabine am Orde
Anna Lehmann
Cem-Odos Güler
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