# taz.de -- Felix Banaszak über das Linkssein: „Für solche plumpen Spiele f… | |
> Felix Banaszak will Grünen-Chef werden. Ein Gespräch über das Linkssein, | |
> Gemeinsamkeiten mit Robert Habeck und Provokationen von Christian | |
> Lindner. | |
Bild: Will als Grünen-Chef Menschen mit Vermögen stärker in die Pflicht nehm… | |
taz: Herr Banaszak, in zwei Wochen sind Sie Grünen-Chef. Haben Sie schon | |
Angst? | |
Felix Banaszak: Angst? Nein. Ich habe Respekt vor der Aufgabe. Aber ich | |
habe auch Bock drauf. | |
taz: Ihre baldige Vorgängerin Ricarda Lang hat jüngst in einem Interview | |
gesagt, dass sie aus Angst, Angriffsfläche zu bieten, nur noch sehr | |
kontrolliert und glatt gesprochen habe. Am Ende habe sie sich gefühlt wie | |
ein Sprechroboter. | |
Banaszak: Ich finde diese Reflexion sehr hilfreich. Es ist ja auch ein | |
Appell, sich nicht abschleifen zu lassen. Das ermutigt mich darin, mir treu | |
zu bleiben: zu sagen, was ich denke, und nichts zu sagen, woran ich selbst | |
nicht glaube. | |
taz: [1][Seit Ihrer Kandidatur] klingen Sie aber auch schon vorsichtiger. | |
Banaszak: Meine Lokalzeitung hat gerade geschrieben: [2][„Banaszak | |
verspricht: Ich erzähl den Leuten keinen Scheiß.“] | |
taz: Schauen wir mal. Sie verstehen sich als Linker. Was ist überhaupt noch | |
links bei den Grünen? | |
Banaszak: Links zu sein ist für mich heute etwas anderes als das, was noch | |
vor ein paar Jahren linker Mainstream war. Es ist richtig, sich vor einem | |
imperialen Aggressor wie Wladimir Putin nicht in den Staub zu werfen, um | |
Frieden herzustellen. Dazu gehört gerade auch, das angegriffene Land mit | |
Waffenlieferungen zu unterstützen. Und ich hadere mit einem Teil der | |
Linken, der den [3][islamistischen Terror der Hamas] verharmlost. Meine | |
Linke steht klar gegen Antisemitismus – und sieht das entsetzliche Leid, | |
das die Menschen im Nahen Osten erleben müssen. | |
taz: Und was ist links bei den Grünen? | |
Banaszak: Armut als ein gesellschaftliches Problem zu begreifen, das man | |
angehen muss. Die wachsende Ungleichheit nicht einfach hinzunehmen. Und zu | |
fragen, ob man in einer Zeit, in der Hallenbäder und Stadtbüchereien | |
geschlossen werden, Menschen mit immer schneller wachsenden Vermögen nicht | |
stärker in die Pflicht nehmen sollte. | |
taz: Das war auch Ricarda Langs Ansatz – und jetzt hat sie eingeräumt, dass | |
sie damit gescheitert ist. | |
Banaszak: Ich würde das so hart nicht sagen. In der Ampel liegt es ja nicht | |
an den Grünen, dass wir die Kindergrundsicherung bisher nicht im Bundestag | |
beschlossen haben oder dass nicht schon zu Beginn der [4][Debatte um das | |
Heizungsgesetz] eine soziale Förderung vereinbart werden konnte. Jetzt mag | |
man sagen: Da haben die Grünen es nicht geschafft. Stimmt, noch nicht. Aber | |
wir haben mehr geschafft, als sich manchmal abgezeichnet hatte. Wo wir noch | |
einen langen Weg vor uns haben: das falsche Image loszuwerden, dass wir | |
abgehoben seien und uns für diese Fragen nicht interessieren würden. | |
taz: Ihnen laufen Wähler*innen aus der Mitte weg – und gleichzeitig | |
Stammwähler*innen, denen die Grünen nicht mehr links genug sind. Was tun | |
Sie dagegen? | |
Banaszak: Ein Problem scheint mir eher, dass uns einige nicht mehr | |
vertrauen, dass wir trotz aller notwendigen Kompromisse eigentlich nach | |
mehr streben. Das liegt daran, dass wir uns stärker als unsere | |
Koalitionspartner mit Kompromissen als notwendigem Teil der | |
Koalitionsarbeit identifizieren und nicht vor allem kommuniziert haben, was | |
wir alles blöd finden. Auch in Zukunft werden die Grünen nicht Opposition | |
in der Regierung sein. Aber die Partei darf sich auch nicht als | |
ausgelagerte Pressestelle der Regierung verstehen. Sie muss klarmachen, | |
wofür sie weiterhin steht und kämpft. Zum Beispiel beim Klima, wo wir so | |
viel erreicht haben wie keine Regierung zuvor – und trotzdem mehr wollen. | |
Weil es noch nicht reicht. | |
taz: Viele linke Grüne, auch Sie, hatten in den vergangenen Monaten die | |
Sorge, dass die Partei unter [5][Kanzlerkandidat Robert Habeck] zu sehr in | |
die Mitte rutscht. | |
Banaszak: Eine Partei ist dann stark, wenn sie bei klarer Führung | |
gleichzeitig ihre Vielfalt zur Geltung bringt. Wenn wir die Mitte der | |
Gesellschaft erreichen wollen, brauchen wir ein gefestigtes Fundament und | |
auch die Menschen, die seit vielen Jahren an unserer Seite stehen und jetzt | |
gerade hadern. Die Grünen sind eben eine linke, progressive Partei, Punkt. | |
Ich bin mir sicher, dass Robert Habeck das teilt. | |
taz: Im Juli haben Sie der Rheinischen Post gesagt: „Robert Habeck muss | |
unter Beweis stellen, dass er die Partei in ihrer Breite mitnehmen kann und | |
will.“ Das klingt schon nach Sorge. | |
Banaszak: Das war meine Empfehlung, damit das Projekt zum Erfolg wird. Und | |
ich bin mir sicher, dass er genau das tun wird. | |
taz: Wie kommt es, dass Sie das jetzt anders sehen? | |
Banaszak: Wir sprechen viel miteinander. | |
taz: Das Politikmodell von Robert Habeck, anschlussfähig in alle Richtungen | |
zu sein, ist gescheitert. Manche Realos meinen, man muss das Ganze nur | |
konsequenter betreiben. Also: mehr Zugeständnisse bei der Migration und | |
vorsichtiger beim Klima, um die Menschen nicht gegen sich aufzubringen. | |
Banaszak: Die Idee der Bündnispartei ist: Wir machen grüne Politik mit | |
voller Überzeugung. Aber wir werben auch um diejenigen in der Gesellschaft, | |
für die der Weg dahin weiter ist. Diese Idee finde ich weiterhin richtig. | |
Ich kann meiner Partei nicht empfehlen, ihr Programm aus dem Abwehrkampf | |
gegen eine gesellschaftliche Entwicklung heraus zu entwickeln. Wir müssen | |
selbstbewusst die gesellschaftliche Mitte mit definieren. Dass das gelingen | |
kann, haben wir von 2018 bis 2021 schon einmal bewiesen. | |
taz: Nehmen wir das Beispiel Migration. [6][Da setzen Sie eine Politik | |
durch], gegen die die Grünen vor ein paar Jahren noch auf die Straße | |
gegangen sind. Dennoch stehen Sie als die da, die alles blockieren. Wie | |
wollen Sie die Deutungsmacht darüber, was die Grünen sind, zurückgewinnen? | |
Banaszak: Viele, die uns eigentlich nahe stehen, finden uns zu | |
kompromissbereit, während wir in der Breite der Gesellschaft als | |
kompromisslose Ideologen gebrandmarkt werden. Das hat leider oftmals damit | |
zu tun, dass wir intern die Vorurteile bestätigen. Wenn ein Teil meiner | |
Partei fordert, wir müssten uns endlich der Realität öffnen, impliziert er, | |
dass wir bisher dafür blind gewesen seien. Und wenn die anderen sagen, die | |
Grünen seien keine Menschenrechtspartei mehr, bestätigen sie umgekehrt die | |
Kritik aus der Zivilgesellschaft. Mein Weg ist, eine Politik der | |
Differenzierung auch offensiv zu vertreten. | |
taz: Progressive sind weltweit in der Defensive. Was heißt das für die | |
Grünen? | |
Banaszak: Mit Blick auf [7][die US-Wahl] bin ich noch immer zuversichtlich, | |
dass Kamala Harris gewinnt. Die US-Demokraten haben einen Strategiewechsel | |
vollzogen. Sie verkaufen sich weniger als das kleinere Übel zu Trump, | |
sondern stellen ihre eigenen Vorstellungen nach vorne. Selbstkritisch muss | |
man sagen: Grüne und SPD haben zuletzt zu sehr für sich als Bollwerk gegen | |
die AfD geworben. Das ist aber noch keine überzeugende Antwort auf | |
gesellschaftliche Probleme. | |
taz: Als Vorsitzender sind Sie eine Schlüsselfigur des linken Flügels. Der | |
ist aktuell nicht gut aufgestellt. In der Personaldebatte konnten Sie Sven | |
Giegold, den Wunschkandidaten der Partei-Linken, [8][nicht als Politischen | |
Geschäftsführer durchsetzen]. Schwächt es Sie, dass Ihrem Flügel die | |
Schlagkraft fehlt? | |
Banaszak: Ich möchte Vorsitzender der gesamten Partei werden. Genau wie | |
Franziska Brantner übrigens. Unsere Politik werden wir so ausrichten, dass | |
sich auch mein Flügel darin wiederfindet. Das ist die Aufgabe aller, die | |
sich um Verantwortung bewerben. | |
taz: Manche aus dem linken Flügel sagen: dass Sven Giegold nicht | |
Geschäftsführer wird, war Ihre erste Niederlage. | |
Banaszak: Sorry, aber das ist Quatsch. Sven Giegold hat nie gesagt, dass er | |
Geschäftsführer werden will. [9][Er kandidiert jetzt als stellvertretender | |
Parteivorsitzender]. | |
taz: Vier Wochen lang wurde diskutiert, dass er Geschäftsführer werden | |
will. Als Missverständnis hätten Sie das früher aufklären können. | |
Banaszak: Bei Spekulationen halte ich mich zurück. Er kandidiert für den | |
Bundesvorstand, und ich freue mich darüber. Damit ist die Frage | |
beantwortet. Wir haben jetzt insgesamt eine Konstellation gefunden, die die | |
Breite der Partei abdeckt und starke politische Köpfe miteinander | |
verbindet. Ich bin fein damit. | |
taz: „Ich bin fein damit“ – das hat auch Markus Söder gesagt, als Friedr… | |
Merz Kanzlerkandidat wurde. | |
Banaszak: Ich habe mir vorgenommen, weniger über Herrn Söder zu sprechen | |
als er über uns. | |
taz: Die Ampel ist in der Krise, ein neues Papier von Finanzminister | |
Christian Lindner wird allgemein als Provokation von SPD und Grünen | |
bewertet. Wie sehen Sie das? | |
Banaszak: Für solche plumpen Spielchen fehlt mir die Langeweile. | |
taz: Bekommen wir Neuwahlen oder hält die Koalition bis zur Bundestagswahl | |
im nächsten September? | |
Banaszak: Wenn ich das mal wüsste. Ich werde jedenfalls nicht aktiv zu | |
einem früheren Wahltermin beitragen. | |
taz: Wenn die Koalition jetzt bricht: Wären die Grünen nach dem Umbruch an | |
der Spitze überhaupt auf einen Wahlkampf vorbereitet? | |
Banaszak: Natürlich sind wir das. Aber wer seine Entscheidung über den | |
Fortbestand einer Regierung daran bemisst, wann er sich den größten Vorteil | |
für seine Kampagne verspricht, sollte die Politik anderen überlassen. | |
taz: Noch mal zurück zur sozialen Gerechtigkeit: Für den Parteitag gibt es | |
einen Antrag mit vielen Unterstützer*innen, der eine Vermögenssteuer und 16 | |
Euro Mindestlohn fordert. Gegen beide Punkte gibt es in der Partei auch | |
Widerspruch. Wie werden Sie abstimmen? | |
Banaszak: Ich nehme meine Verantwortung als Bewerber um den Parteivorsitz | |
ernst. Deswegen werde ich keine Vorfestlegungen treffen. Mein Ziel ist, | |
dass am Ende ein Beschluss steht, auf den sich die große Mehrheit der | |
Partei verständigen kann. | |
taz: Aber Sie müssen doch eine Position haben. | |
Banaszak: Die werde ich in der Debatte sicher einbringen. | |
taz: Jetzt klingen Sie ja doch schon wie ein Sprechroboter. | |
Banaszak: Wer sich um ein solches Amt bewirbt, hat Verantwortung nicht nur | |
für sich selbst, sondern für die Gesamtpartei. Die nehme ich ernst. | |
3 Nov 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Bewerbung-um-den-Gruenen-Parteivorsitz/!6036780 | |
[2] https://www.waz.de/lokales/duisburg/article407567639/kein-bullshit-felix-ba… | |
[3] /Nahost-Demos/!6034896 | |
[4] /Robert-Habeck-wirbt-fuer-Waermepumpen/!6028019 | |
[5] /Kanzlerkandidatur-von-Robert-Habeck/!6020573 | |
[6] /Sicherheitspaket-und-die-Haerte-der-EU/!6041120 | |
[7] /US-Wahl-2024/!t5575916 | |
[8] /Kandidaturen-fuer-Gruenen-Vorstand/!6046017 | |
[9] /Gruenen-Politiker-Sven-Giegold/!6042831 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
Sabine am Orde | |
## TAGS | |
Bündnis 90/Die Grünen | |
Vorstand | |
Parteichef | |
Felix Banaszak | |
Ampel-Koalition | |
GNS | |
Christian Lindner | |
Christian Lindner | |
Grüne | |
Bündnis 90/Die Grünen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Grundsatzpapier von Christian Lindner: Eine gefährliche Attacke | |
Mit seinem Grundsatzpapier greift Finanzminister Lindner BSW- und | |
AfD-Politik auf. Grüne und SPD sollten sich darauf nicht einlassen. | |
Grundsatzpapier des Finanzministers: Lindner setzt die Säge an die Ampel und a… | |
Der FDP-Chef fordert eine Auflösung des Klimafonds und übt Druck auf den | |
Arbeitsminister aus. Sparen will er bei Bürgergeld, Rente und Geflüchteten. | |
Kandidaturen für Grünen-Vorstand: Das 1000-Teile-Puzzle | |
Nach langen Gesprächen steht das Tableau für den Grünen-Vorstand. Der linke | |
Flügel bekommt die Geschäftsführung, aber nicht seinen Wunschkandidaten. | |
Fraktionschefin über Grünen-Krise: „Die Mitte ist linker, als man denkt“ | |
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge will die Union offensiver angehen. | |
Ein Gespräch über die Krise ihrer Partei und Robert Habeck als | |
Strippenzieher. |