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# taz.de -- Energie in Schweden: Sicherheit als K.O.-Argument gegen Windkraft
> Windparks vor der Küste könnten die militärische Überwachung des Landes
> gefährden, fürchtet Schwedens Regierung – und kippt 13 Offshore-Projekte.
Bild: Voll gefährlich für die schwedische Sicherheit: Rotorblätter, die den …
Stockholm taz | Der Unternehmensverband Teknikföretagen sprach von einem
„Todesstoß für den Stromausbau“. Anlass war das Nein der schwedischen
Regierung zu Genehmigungsanträgen für 13 große Offshore-Windparks, die in
der Ostsee geplant waren. Zusammengenommen hätten sie vor der Süd- und
Ostküste 140 Terawattstunden (TWh) Strom pro Jahr erzeugen sollen. Daraus
wird nun nichts. Denn das schwedische Militär warnt vor Sicherheitsrisiken
für das Land.
Die [1][Windparks könnten das militärische Überwachungssystem
beeinträchtigen], Signale stören und Aufklärung erschweren, hatte der Chef
des Verteidigungsstabs, Generalleutnant Carl-Johan Edström, gesagt. Wenn
Schweden etwa aus Kaliningrad mit Raketen und Drohnen angegriffen würde,
könne wichtige Reaktionszeit verloren gehen. Auch U-Boote könnten schwerer
ortbar sein.
„Die Regierung sieht es so, dass der Bau der Projekte in der Ostsee zu
inakzeptablen Konsequenzen für Schwedens Verteidigung führen würde“,
begründete Verteidigungsminister Pål Jonson von den Moderaten die
Nichtgenehmigung der Offshore-Parks. In der aktuell [2][ernsten
sicherheitspolitischen Lage müssten Verteidigungsinteressen] schwerer
gewichtet werden. „Die Nähe zur stark militarisierten Kaliningrad-Gegend
war zentral in dieser Beurteilung“, sagte Jonson und hob auch [3][Schwedens
noch neue Verantwortung in der Nato] für die Region hervor.
Der Verband Schwedische Windindustrie reagierte erstaunt. Militärische
Bedenken seien ja nicht neu. Aber deshalb eine ganze Region kategorisch für
die potenzielle Stromproduktion auszuschließen? „Es gibt mehrere Projekte
in der Nato, mit Problemen wie denen, die die Regierung nennt, umzugehen“,
so der Verband.
## Vorrang des Militärischen
Energieversorgung gegen militärische Sicherheit: Für Premierminister Ulf
Kristersson (ebenfalls Moderate) ist die Priorität klar. Er wehrte die
nicht nachlassende Kritik demonstrativ verständnislos ab: Es wäre
unverantwortlich, nicht auf das Militär zu hören, wenn es um die
schwedische Sicherheit gehe, sagte er am Sonntag in einem Fernsehinterview.
„Nahezu katastrophal, an selbstzerstörerisches Verhalten grenzend“, nannte
hingegen der frühere Verteidigungsminister Mikael Odenberg, ein
Parteikollege Kristerssons, die Entscheidung. Nicht einmal nach Lösungen zu
suchen, Energiebedarf und Sicherheitsinteressen zu vereinen, sei eine
„energie- und wirtschaftspolitische Havarie“.
Die Windkraft-Debatte wird in Schweden sehr emotional geführt. Die
christdemokratische Energieministerin Ebba Busch machte 2022 mit Aussagen
wie „Nein zu Stahlwäldern aus Windkraftanlagen“ Wahlkampf. Dass sie ihre
Haltung später angepasst hat, reicht ihren politischen Gegnern nicht, um
ihr eine wirkliche Unterstützung des Windkraftausbaus abzunehmen. Die
Ministerin postet auch Statements wie „Ich liebe Kernkraft. Sie wird es
billiger machen, schwedisch zu sein“ auf Instagram. Dabei ist klar, dass
die [4][Atom-Pläne der Regierung für die Steuerzahlenden tatsächlich teuer]
werden. In zehn Jahren soll es zwei neue große Reaktoren geben, bis 2045
dann zehn, gefördert mit günstigen staatlichen Krediten und Preisgarantien.
## Windenergie nur Übergangstechnologie
Windkraft ist günstiger und schneller zu bekommen. Der konservativen, mit
[5][den rechtsextremen Schwedendemokraten zusammenarbeitenden Regierung]
gilt sie aber nur als Zwischenschritt: Sie sei zu unzuverlässig und
wetterabhängig, als dass sich die Industrie darauf verlassen könne, sagt
Busch. Atom bleibe zentrale Basis für die künftige Energieversorgung.
Laut der schwedischen Energiebehörde produzierte Schweden 2023 insgesamt
163 TWh Strom und verbrauchte 135 TWh – 2 Prozent weniger als im Vorjahr.
Wasserkraft machte den größten Teil aus, gefolgt von Atomkraft. Windkraft
war mit 34 TWh drittgrößter Lieferant, Wärmekraftwerke steuerten 14 TWh
bei, Solarenergie 3 TWh. Letztere verzeichnete allerdings den größten
Zuwachs, 58 Prozent.
Zentrale Punkte der Debatte sind die extremen Unterschiede zwischen den
Strompreisen im Norden und im Süden sowie die Versorgung der zumindest laut
Plan stark wachsenden grünen Industrie im Norden. Der Süden ist vom Strom
aus dem Norden abhängig, seit sechs von zwölf Atomreaktoren vom Netz
genommen wurden, der letzte 2020. Die Strompreise aus der Windkraft
variieren stark, die Weiterleitung in den Süden kostet zusätzlich. Ein
weiteres Problem sieht Busch darin, dass es für den mit Hilfe von Wind
erzeugten Strom zu wenig Speichermöglichkeiten gebe und Anschlüsse fehlten,
um ihn im eigenen Land zu nutzen.
Die Finanzierung des Anschlusses der genehmigten [6][Offshore-Anlage
Kriegers Flak vor Trelleborg] hatte die Regierung im August abgesagt – mit
der Begründung, man könne nicht Offshore-Windenergie bevorzugt behandeln.
Vattenfall pausiert das Projekt seitdem.
14 Nov 2024
## LINKS
[1] /Gutachten-koennte-Energiewende-bremsen/!5844940
[2] /Schweden-preppt-fuer-den-Ernstfall/!6031305
[3] /Nato-Mitglied-Schweden-ruestet-auf/!6034248
[4] /Energie-in-Europa/!5931985
[5] /Rechte-in-Schweden/!6039635
[6] /Abhaengigkeit-von-Oel-und-Gas-mindern/!5125680
## AUTOREN
Anne Diekhoff
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