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# taz.de -- Nebeneffekte von Windkraftanlagen: Wenn Windräder sich die Böen k…
> Je mehr Rotoren auf engem Raum, desto geringer die Erträge der einzelnen.
> Mancherorts beeinflusst der Windkraftausbau sogar das lokale Klima.
Bild: Stehlen sich gegenseitig die Power: Windräder in der Nordsee
Berlin taz | Windparks verändern die lokalen Windverhältnisse – denn sie
entziehen der Luft Bewegungsenergie. Für dieses Phänomen, das angesichts
[1][der Ausbaupläne in Deutschland] zunehmend relevant wird, hat sich
inzwischen die Bezeichnung „Windklau“ etabliert. Während das Thema für die
Anlagenbetreiber aus wirtschaftlichen Gründen relevant werden kann,
interessieren sich längst auch Meteorologen und Meeresforscher für die
Auswirkungen der Rotoren auf die Luft, das Wasser und den Boden.
Die Projektierer von Windparks wissen schon lange, dass ihre Windräder
ausreichend Abstand brauchen, um sich gegenseitig nicht zu viel Wind zu
stehlen. An Land ist daher ein Mindestabstand von fünf bis sieben
Rotordurchmessern in Hauptwindrichtung üblich, in den deutschen Windparks
auf dem Meer sind es sieben bis zehn Rotordurchmesser. Doch dort reichen
die Auswirkungen weit über die Parks hinaus.
„Bei großen Offshore-Windparks können im Nachlauf (die Strömung hinter den
Windturbinen; Anm. d. Red.) im Mittel bis zu 30 Kilometer weit
Ertragsverluste nachgewiesen werden“, sagt Martin Dörenkämper,
Energiemeteorologe am Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES in
Oldenburg. Bei speziellen Wetterbedingungen – besonders deutlich bei kaltem
Meer und warmer Luft – könnten sich Effekte auch auf 120 bis 150 Kilometer
Entfernung messen lassen. Da diese Konstellation aber nicht permanent
auftritt, ist sie für die Erträge auch nicht besonders relevant.
Besonders deutsche Offshore-Windparks sind vom Windklau betroffen, weil man
hier auf eine sehr hohe Leistungsdichte setzt: Pro Quadratkilometer würden
in den deutschen Seegebieten zumeist 8 bis 10 Megawatt an Kapazitäten
installiert, sagt Dörenkämper. In Dänemark arbeite man mit nur 4 bis 5
Megawatt.
## Offshore nimmt die Wellenhöhe ab
Entsprechend rückt zunehmend die Erkenntnis ins Bewusstsein, dass ein
starker Ausbau der Offshore-Windkraft die Erträge der einzelnen Anlagen
mindern wird. Der Thinktank Agora Energiewende [2][schrieb bereits im Jahr
2020 in einer Studie], dass „die Zahl der Volllaststunden der
Offshore-Windparks deutlich sinken“ werde, wenn eines Tages in der
Deutschen Bucht 50 bis 70 Gigawatt an Rotoren errichtet sind. Axel Kleidon,
Physiker und Meteorologe am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena,
kann das sogar quantifizieren: „70 Gigawatt würden den Ertrag um bis zu 40
Prozent reduzieren.“
Daher suchen Wissenschaftler nach Wegen, zumindest das Zusammenspiel der
Anlagen zu verbessern. Ein Vorschlag ist, nicht jede Maschine individuell
zu steuern, sondern einen Park insgesamt zu optimieren. Po Wen Cheng,
Professor für Windenergie an der Universität Stuttgart, sagt: „Wenn man zum
Beispiel die Anlagen in der ersten Reihe des Windparks ganz leicht aus dem
Wind dreht, kann man bei den nachfolgenden Anlagen mehr Energie zusätzlich
gewinnen, als man bei den ersten Anlagen verliert.“ Auch eine pulsierende
Rotation könne dazu führen, dass sich die Windgeschwindigkeit im Nachlauf
der Anlagen besser regeneriert – zugunsten der hinteren Rotoren.
Am Ende ist der Effekt solcher Kniffe aber begrenzt. Unter optimalen
Annahmen lasse sich auf diese Weise der Gesamtertrag eines Parks um zwei
bis drei Prozent erhöhen. Das Grundproblem der begrenzten Windressourcen
ließe sich so also nicht lösen.
Neben Branchenakteuren haben längst auch Geowissenschaftler die regionalen
Konsequenzen der Windernte im Blick. Nachgewiesen sind beispielsweise
bereits Auswirkungen auf die Meereswellen. „Die Wellenhöhe im Nachlauf des
Windparks nimmt um bis zu fünf Prozent ab“, sagt Ute Daewel,
Geowissenschaftlerin am Helmholtz-Zentrum Hereon in Hamburg. 20 Kilometer
windabwärts könne die Wellenhöhe noch bis zu ein Prozent verringert sein.
Mittels Satelliten sind solche Veränderungen nachweisbar.
## Kaum Folgen für die Bodenfeuchtigkeit
Mit der Windgeschwindigkeit nehmen auch Meeresströmungen ab, was die
Durchmischung im Ozean beeinträchtigt. „Modellsimulationen zeigen, dass
Strömungsgeschwindigkeiten im Bereich der Nachläufe bis zu zehn Prozent
reduziert werden“, sagt Daewel. Und selbst das Wetter wird durch die
Windernte beeinflusst. Naveed Akthar, Experte für die Modellierung der
Atmosphäre am Hereon, sagt, dass durch eine verstärkte vertikale
Durchmischung die Luftschichten unterhalb der Nabenhöhe trockener und
wärmer würden. In Offshore-Parks habe man in zwei Metern Höhe einen
Temperaturanstieg von etwa 0,25 Grad festgestellt, in Nabenhöhe hingegen
einen Temperaturrückgang von 0,15 Grad.
Auch nehme die Bewölkung im Bereich über den Windkraftanlagen zu, was zu
höheren Niederschlägen über den Windparks und geringeren Niederschlägen in
Windrichtung führe. Wie sich die für 2050 in der Nordsee geplanten
Windparks auf die Niederschläge an Land auswirken, sei eine der wichtigsten
noch ungeklärten Fragen.
Weniger deutlich als die Effekte der Windräder auf See sind jene der
Onshore-Maschinen, denn dort ist die Luft besser durchmischt; so gleichen
sich „Windlöcher“ schneller wieder aus. Gleichwohl ergibt sich bei massivem
Ausbau auch an Land ein Ertragsverlust für die einzelnen Anlagen. Axel
Kleidon vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie errechnete eine
Ertragsreduktion von 0,6 Prozent pro zusätzlichen 10 Gigawatt an
deutschlandweit installierter Kapazität: „Bei einem Ausbau der Windenergie
auf 200 Gigawatt wäre mit Ertragseinbußen von 10 bis 15 Prozent zu
rechnen.“
Anders als auf See seien die Auswirkungen der Anlagen an Land auf das
Lokalklima in Deutschland vernachlässigbar, sagt unterdessen
Fraunhofer-Forscher Martin Dörenkämper. Die mitunter kolportierten Folgen
für die Bodenfeuchtigkeit seien bisher nicht nachgewiesen, was an den oft
komplexen Luftströmungen liege, die die Einflüsse der Anlagen schnell
nivellieren. „In China und den USA, wo sehr große Windparks in trockenen
Klimaten stehen, ist das mitunter anders“, erklärt der Wissenschaftler.
So belegt auch die Nutzung der Windkraft, dass jeder Eingriff in ein
Ökosystem Folgen hat. Aber man dürfe die Relationen nicht aus dem Auge
verlieren, sagt Meteorologe Axel Kleidon. Es gebe nämlich weitaus
relevantere Eingriffe des Menschen: „Landnutzungsänderungen, etwa durch
Versiegelung von Flächen, haben einen deutlich stärkeren Effekt auf das
Lokalklima als alle Windkraftanlagen.“
8 Aug 2025
## LINKS
[1] /Nutzung-der-Windkraft/!6080578
[2] /Studie-zu-ineffizienten-Offshore-Parks/!5667722
## AUTOREN
Bernward Janzing
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