# taz.de -- Söder und die K-Frage: Bitte, bitte, sagt doch Bitte! | |
> 29 bis 41 Prozent der Deutschen glauben, dass Markus Söder ein guter | |
> Kanzler wäre, am meisten er selbst. Und was, wenn er es tatsächlich | |
> würde? | |
Bild: Ist von sich überzeugt: Markus Söder beim Gillamoos-Volksfest in Abensb… | |
München taz | Es ist der 2. Mai 2023, da sitzt dieser glattrasierte | |
Mittfünfziger bei Markus Lanz und spricht über den nächsten | |
Kanzlerkandidaten der Union. Und zumindest eines scheint für ihn klar zu | |
sein: Wer auch immer es werden mag – er wird es auf keinen Fall sein. | |
[1][Markus Söder heißt der Mann] und behauptet: „Für mich ist die Sache | |
erledigt.“ Er habe einmal ein Angebot gemacht, dann hätten sich aber | |
Mehrheiten anders ergeben, was er zu respektieren habe. Und: „Meine | |
Lebensaufgabe ist Bayern.“ | |
Moderator Lanz hakt in der ihm eigenen Art nach und will wissen: Wenn aber | |
nun noch einmal ein Angebot komme, würde Söder es ablehnen? „Mal abgesehen | |
davon, dass es nicht kommt“, lautet die Antwort, „ich steh da ned zur | |
Verfügung.“ Lanz ist baff, das sei ein klares Wort. Aber auch logisch, | |
meint Söder, spricht noch über die Geschichte, in der es für CSU-Politiker | |
maximal einmal eine Möglichkeit gebe, Kanzlerkandidat zu werden, und | |
darüber, dass Bayern groß genug sei und es in der CDU genügend | |
hervorragende mögliche Kandidaten gebe. „Allen voran [2][Friedrich Merz.“] | |
Die Zweifel, wie ernst Söders Absage zu nehmen sei, waren schon damals | |
groß. Schließlich waren auch seiner ersten Bewerbung um die Kandidatur 2021 | |
Monate vorausgegangen, in denen er keine Gelegenheit ausließ, darauf | |
hinzuweisen, dass sein Platz in Bayern sei. So wunderte sich auch diesmal | |
kaum jemand, als die Äußerungen ein Jahr später in einer Schublade mit der | |
Aufschrift „Was geht mich mein Geschwätz von gestern an“ verschwanden. | |
Inzwischen klingt Söder völlig anders – als hätte er, mittlerweile stolzer | |
Träger eines Bartes, von dem wir dank seiner nun auch wissen, dass es sich | |
um einen „Henriquatre“ handelt, nichts mit diesem Namensvetter bei Lanz zu | |
tun. Schon seit Monaten verheimlicht der CSU-Chef nicht mehr, wie sehr es | |
ihn ins Kanzleramt zieht. Aus anfänglichen Andeutungen wurde zuletzt eine | |
[3][massive Werbetour in eigener Sache.] | |
## „Kein Platz für Egos“ | |
Beim [4][Politischen Gillamoos] in Abensberg, sagt er Anfang September: | |
„Für mich ist Ministerpräsident das schönste Amt. Aber ich würde mich nic… | |
drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen.“ In Interviews setzt | |
er in den darauffolgenden Tagen noch nach, im „Heute-Journal“, im Spiegel. | |
Merz und er würden gemeinsam entscheiden, wer Kandidat werde, sagt er. „Das | |
könnte auch ich sein.“ Aber es sei jetzt „kein Platz für Eitelkeiten oder | |
für Egos“. Selbstverständlich weiß Söder, wie amüsant sich ein solcher S… | |
aus seinem Munde anhört. Gemeint sind wohl nur die Eitelkeiten und Egos auf | |
CDU-Seite, für die kein Platz ist. | |
Klar, es wollten auch schon andere Kanzler werden in Deutschland. Und nicht | |
alle machten einen Hehl aus ihren Ambitionen. Gerhard Schröder soll | |
bekanntlich als junger Abgeordneter nach einem Kneipenabend am Tor des | |
Kanzleramts in Bonn gerüttelt und gerufen haben: „Ich will da rein.“ Doch | |
niemand brachte sich bislang vor einer Kandidatenkür so penetrant selbst | |
ins Spiel wie Markus Söder. | |
Selbst seine eigenen Leute scheinen von Söders plötzlicher Vehemenz | |
überrollt worden zu sein. Keiner, der sich bis jetzt eindeutig positioniert | |
hätte. Es sei unbestritten, dass Söder Kanzler könne, ließ | |
CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek im August einmal verlauten. Und | |
CSU-Wissenschaftsminister Markus Blume, ehemals Generalsekretär, sagt der | |
Süddeutschen Zeitung, für ihn sei die K-Frage noch offen. Das war’s dann | |
aber auch schon. | |
Einen CSU-Kandidaten könne es nur geben, sagt Markus Söder, wenn die CDU | |
ihn bitte. Sein Appell an die Schwesterpartei ist folglich unüberhörbar: | |
Seid vernünftig und bittet mich! Ein Appell, dem indes niemand so recht | |
folgen will. Stattdessen sprach Sachsens Ministerpräsident Michael | |
Kretschmer jüngst bei einem gemeinsamen Wahlkampfauftritt vom künftigen | |
Bundeskanzler Merz. Und Hendrik Wüst korrigierte Söder in der Frankfurter | |
Allgemeinen Zeitung, als dieser mal wieder über Armin Laschet als den | |
schlicht falschen Kandidaten herzog: „Armin Laschet hätte Deutschland als | |
Kanzler gut gedient und gutgetan“, sagte der nordrhein-westfälische | |
Ministerpräsident. | |
So ist Söders Befürchtung, die CDU könnte von allein vielleicht gar nicht | |
auf die aus seiner Sicht naheliegendste Lösung der K-Frage kommen, nicht | |
von der Hand zu weisen. Bis jetzt fühlte sich dort jedenfalls noch niemand | |
bemüßigt, „Bitte“ zu sagen. Wieso auch sollte die CDU die Spitzenkandidat… | |
an die kleine Schwester abgeben? Wieso ausgerechnet jetzt? | |
## Ja, ginge es um alles oder nichts … | |
Dafür dürfte nicht nur der allem Anschein nach [5][recht kanzlerwillige | |
Parteichef Merz] keinen rechten Anlass sehen. Auch Christdemokraten mit | |
weniger eigennützigen Motiven dürften Söders Ansinnen skeptisch gegenüber | |
stehen. Dass CDU-Granden zu Söder überliefen, dafür bräuchte es einen | |
triftigen Grund – etwa dass sie ihrem eigenen Chef die Gefolgschaft wegen | |
politischer Diskrepanzen aufkündigten. Doch inhaltliche Unterschiede | |
zwischen Söder und Merz sind derzeit mit bloßem Auge kaum auszumachen. | |
Am schwersten dürfte hier noch die Frage wiegen, ob die Union eine | |
Koalition mit den Grünen schon vorab kategorisch ausschließen sollte, wie | |
Söder fordert. Aber gerade in dieser Frage wird er schwerlich eine | |
Anti-Merz-Front bilden können. Schließlich sitzen CDU-Ministerpräsidenten | |
wie Hendrik Wüst und Daniel Günther bereits mit den Grünen im | |
Regierungsboot – und das allem Anschein nach gar nicht so ungern. | |
Ein anderer Grund, aus dem der CDU-Chef Merz Söder den Vortritt lassen | |
könnte, wäre eine Konstellation, in der er sich aktuell wenig Siegeschancen | |
ausrechnet und auf eine bessere Chance nach einer weiteren Legislatur | |
setzt. Das Modell Wolfratshausen also. Hier trug Angela Merkel beim | |
Frühstück im Januar 2002 Edmund Stoiber die Kanzlerkandidatur an. Keine | |
vier Jahre später wurde sie Kanzlerin und blieb es für 16 Jahre. Derzeit | |
jedoch ist die Situation eine völlig andere. Die Chancen der Union, den | |
nächsten Kanzler zu stellen, stehen gut. Abgesehen davon wäre Friedrich | |
Merz bei einem theoretischen Amtsantritt nach weiteren vier Jahren schon 74 | |
Jahre alt. | |
Bliebe schließlich ein drittes Motiv, auf die eigene Kandidatur zu | |
verzichten: die Existenzfrage. Ginge es um alles oder nichts, wäre zu | |
vermuten, dass die Wahl mit Söder zu gewinnen wäre, mit Merz aber verloren | |
ginge, brächte das sicherlich so manche in der CDU ins Grübeln. Auch davon | |
kann keine Rede sein. | |
Was Söder als Pfund mit in die Diskussion bringt, womit er seinen einsamen | |
Vorwahlkampf bestreitet, sind daher lediglich seine Umfragewerte. Die | |
sprechen zwar eine starke Sprache – laut ARD-„Deutschlandtrend“ halten 41 | |
Prozent der Deutschen Söder für einen guten Kanzlerkandidaten, Merz nur 23; | |
im ZDF-„Politbarometer“ liegt Söder immerhin noch sechs Prozentpunkte vor | |
dem CDU-Chef – dürften aus CDU-Sicht aber wohl kaum einen Schwenk zu Söder | |
rechtfertigen. Mag der eine am Ende auch ein, zwei Prozentpunkte mehr als | |
der andere holen können, dürfte für die Christdemokraten die | |
entscheidendere Frage sein, mit welchem Kanzler man am Ende leben müsste. | |
## Warum spielt er dieses Spiel? | |
Dazu kommt, dass die Umfragen keine Auskunft über die entscheidende Frage | |
geben, wie viele Wähler der Union mit einem Kanzlerkandidaten Merz die | |
Stimme geben würden, wie viele mit Söder. Man darf vermuten, dass der | |
Abstand hier deutlich geringer ausfallen würde. | |
All dessen dürfte sich ein gewiefter Politiker wie Söder freilich bewusst | |
sein. Warum spielt er also dennoch dieses Spiel? Warum riskiert er, sich | |
später wieder vorhalten lassen zu müssen, er habe Merz im Wahlkampf Knüppel | |
zwischen die Beine geworfen wie einst seinem Rivalen Laschet. Rechnet er | |
sich tatsächlich Chancen aus? Will er sich nur hinterher nicht sagen | |
müssen, er hätte nicht alles versucht? Hofft er auf einen freiwilligen | |
Verzicht von Merz oder will er sich für den Fall, dass dieser aus nicht | |
vorhersehbaren Gründen als Kandidat ausfallen sollte, rechtzeitig ins Spiel | |
gebracht haben? Oder ist es pure Taktik: Will Söder eigentlich andere | |
Zugeständnisse von der CDU und sorgt nun dafür, dass der eigene Rückzug als | |
Verhandlungsmasse in der Waagschale besonders schwer wiegt? | |
Fragen über Fragen. Es gibt noch eine ganz andere, die bei den | |
Gedankenspielen über die Kandidatenkür oft untergeht: Was wäre eigentlich, | |
wenn Söder am Ende tatsächlich Kandidat und dann auch Kanzler würde? Könnte | |
Söder in der neuen Funktion reüssieren? Trotz magerer Wahlergebnisse bei | |
den Landtagswahlen, ist der 57-Jährige als Ministerpräsident | |
vergleichsweise erfolgsverwöhnt, regiert Bayern weitgehend unangefochten. | |
Seine Partei folgt ihm geschlossen, der Koalitionspartner ist lästig, aber | |
pflegeleicht. Doch funktioniert das System Söder auch in Berlin? | |
Das Amt brächte viele Gefahren für den Franken mit sich, die er aus einem | |
jetzigen Job nicht kennt. So fremdelt Söder stark mit der Bundeshauptstadt, | |
die stets zur Schau getragene Abneigung gegen Berlin ist echt. Und anders | |
als in Bayern, wo Söder seinen Weg in die Staatskanzlei über Jahre durch | |
intensives Netzwerken vorbereitet hat, hat der CSU-Chef in Berlin keinerlei | |
Machtbasis. | |
## Die Zeit des Durchregierens wäre vorbei | |
Mit der Unionsfraktion hätte er im Bundestag eine wesentlich streitbarere | |
Truppe hinter sich als mit der braven CSU-Fraktion im bayerischen Landtag. | |
Die CDU, die erstmals in der Regierung wäre, ohne den Kanzler zu stellen, | |
müsste mit dieser neuen Situation zurechtkommen und wäre wohl zunächst vor | |
allem darauf bedacht, sich selbst zu profilieren – im Zweifel auch auf | |
Kosten des Kanzlers. | |
Im Kabinett würde Söders eigene Partei denn wohl auch nur ein, zwei | |
Minister stellen. Zudem müsste er sich dort zusätzlich mit einem, | |
vielleicht auch zwei Koalitionspartnern herumschlagen, die politisch um | |
einiges weiter von der CSU-Linie entfernt wären als die Freien Wähler. Die | |
Zeit des Durchregierens wäre vorbei, stattdessen bestünde das Tagesgeschäft | |
aus Kompromisssuche und enervierenden Koalitionsrunden. | |
Das internationale Parkett, auf dem sich Söder nun bewegen müsste, ist ihm | |
ebenfalls fremd – auch wenn er seit seiner letzten Wiederwahl immer mal | |
wieder auf Auslandsreise geht, was er zuvor eher vermieden hatte. | |
Nicht auszuschließen, dass sogar in München so manche Karten neu gemischt | |
würden. Dass die Nachfolgerin – oder eventuell auch der Nachfolger – in der | |
Staatskanzlei sich auf eine reine Statthalterfunktion reduzieren ließe, ist | |
nicht gesagt. Auch die Fraktion könnte plötzlich neues Selbstbewusstsein | |
schöpfen, eigene Wege gehen. Gewiss würde Parteichef Söder auch aus Berlin | |
versuchen, die Zügel möglichst straff zu halten. Franz Josef Strauß gelang | |
dies schließlich während seiner Bonner Zeit recht gut. Theo Waigel, um das | |
andere Beispiel aus der CSU-Geschichte anzuführen, war damit nicht ganz so | |
erfolgreich. | |
Den Beweis, ob in ihm nun mehr Strauß oder mehr Waigel steckt, wird Söder | |
vielleicht nicht antreten dürfen. Selbst in der CSU-Führung glaubt man dem | |
Vernehmen nach bei der K-Frage nicht an eine reelle Chance des eigenen | |
Chefs. Und manche in der Partei dürfte das sogar freuen. Martin Neumeyer | |
zum Beispiel. | |
Nach Söders Rede beim Gillamoos trat der örtliche Landrat und Gastgeber der | |
CSU-Veranstaltung noch mal kurz ans Rednerpult: „Wir meng di scho in Bayern | |
ham“, sagte er zu Söder. „So is fei des ned. Ned doss du moanst, du muasst | |
unbedingt gehn. War scho sche, wennsd dableim dodsd.“ Was übersetzt so viel | |
heißt wie: „Bleib lieber da!“ Berlin sei zwar schön, aber München sei no… | |
schöner. Söder tat kurz irritiert und fragte dann lediglich: „Hast jetzt | |
des mi’m Merz abg’sprochen oder was?“ | |
16 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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