# taz.de -- Migrationsdebatte: Kommunen fordern „Task-Force“ | |
> Der Städte- und Gemeindebund will eine „Task-Force“ für mehr | |
> Abschiebungen. CSU-Chef Markus Söder will Asyl-Erstanträge zudem auf | |
> unter 100.000 reduzieren. | |
Bild: Plötzlich mit Bart: Markus Söder | |
Berlin afp/dpa | Kurz vor einem erneuten Gesprächstermin der | |
Bundesregierung mit der Union über die Migrationspolitik am Dienstag haben | |
sich sowohl CSU-Chef Markus Söder als auch FDP-Chef Christian Lindner dafür | |
ausgesprochen, die Zahl der Asyl-Erstanträge auf unter 100.000 zu | |
reduzieren. | |
Söder sagte am Sonntagabend in der ARD, Deutschland sei „mit den Folgen und | |
der Integration überfordert“. Die AfD-Bundestagsfraktion beschloss derweil | |
ein Positionspapier, in dem sie den Kampf gegen „illegale | |
Masseneinwanderung“ als Thema Nummer eins vor der Bundestagswahl benennt. | |
Ende August hatte der [1][Messeranschlag von Solingen] mit drei Toten die | |
Debatte über die Migrations- und Abschiebepolitik angeheizt. Vergangene | |
Woche nahm die Ampel-Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) | |
Gespräche mit der Union und den Ländern über die Einwanderungspolitik auf. | |
Für Dienstag ist ein weiteres Treffen geplant, CDU-Chef Friedrich Merz | |
stellt allerdings Vorbedingungen. | |
Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Söder forderte am | |
Sonntag in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ mit Blick auf die | |
jährlichen Asyl-Erstanträge hierzulande: „Insgesamt muss die Zahl deutlich | |
auf weit unter 100.000 auf Dauer reduziert werden, weil wir tatsächlich | |
überfordert sind“ – und dies „nicht nur, was Kitas betrifft und Schulen … | |
Wohnungen“. | |
## „Kulturell überfordert“ | |
Deutschland sei „auch zum Teil kulturell überfordert“, fügte Söder hinzu. | |
„In vielen deutschen Städten fühlen sich auch die deutschen Einwohner gar | |
nicht mehr zu Hause.“ | |
FDP-Chef Lindner sagte im „Bericht aus Berlin“ zu den Forderungen, die Zahl | |
der Asyl-Erstanträge auf unter 100.000 zu reduzieren: „Die Zahl kann ich | |
mir zu eigen machen.“ Er sei in der Migrationspolitik bereit, „dass wir | |
alles tun, was politisch, rechtlich und logistisch möglich ist“. So müsse | |
es „eine Form der Zurückweisung geben“. | |
Lindner beharrte auf ein Mitspracherecht seiner Partei in der | |
Migrationsdebatte. Auf die Frage, inwieweit Scholz zur Durchsetzung von | |
Zurückweisungen an der Grenze seine Richtlinienkompetenz einsetzen sollte, | |
antwortete er: „Das wird nicht funktionieren, in Koalitionsregierungen mit | |
‚Basta‘-Argumenten zu arbeiten.“ | |
## Gemeindebund für mehr Abschiebungen | |
Der CDU warf der FDP-Chef mit Blick auf die Migrationsdebatte vor, „dass da | |
versucht wird, parteipolitischen Gewinn zu erzielen, dass da taktisch | |
gearbeitet wird“. Die CDU werde beim Thema Einwanderung jedoch nichts | |
gewinnen, sagte der Bundesfinanzminister. „Sie kann höchstens die AfD und | |
das Bündnis Sahra Wagenknecht stärken.“ | |
Für mehr Abschiebungen sprach sich zudem der [2][Deutsche Städte- und | |
Gemeindebund] aus. Hauptgeschäftsführer André Berghegger sagte der | |
Rheinischen Post, es sei richtig, die Anstrengungen zu verstärken, dass | |
Menschen ohne Bleiberecht in ihre Herkunftsländer zurückkehrten. Zur | |
Beschleunigung der Prozesse solle eine „Task Force Abschiebungen“ des | |
Bundes eingerichtet werden, regte Berghegger an. Außerdem erscheine es | |
„sinnvoll, die deutschen Grenzen so lange zu kontrollieren, bis die | |
europäische Asylreform in Kraft ist“. | |
Berghegger kritisierte es als „unverständlich“, dass die Kommunen in die | |
Gespräche zwischen Regierung und Opposition nicht unmittelbar einbezogen | |
würden, obwohl sie die Entscheidungen umsetzen müssten. | |
## Auch Gewerkschaft der Polizei für Zurückweisungen | |
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach sich in der Rheinischen Post für | |
Zurückweisungen von Asylbewerbern an den Grenzen aus, wenn den Beamten der | |
Bundespolizei daraus „im Nachgang keinerlei rechtliche Probleme entstehen“. | |
Der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, verwies | |
zugleich darauf, dass „die Bundespolizei bereits jetzt am Limit arbeitet | |
und eine weitere Belastung nicht auf Dauer zu leisten wäre“. | |
CDU-Chef Merz macht für das Treffen mit der Bundesregierung am Dienstag zur | |
Voraussetzung, dass das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP davor auf seine | |
Forderungen insbesondere bei den Zurückweisungen eingeht. Kanzler Scholz | |
entgegnete, die von Merz geforderten Zurückweisungen an der Grenze gebe es | |
schon. Er zeigte sich aber offen für Nachschärfungen. Nach Angaben des | |
Bundesinnenministeriums vom Freitag wurden seit Oktober 2023 an den | |
deutschen Grenzen mehr als 30.000 Menschen zurückgewiesen. | |
Unterdessen gab es zwei Wochen vor der Wahl in Brandenburg beim | |
Wahlkampftalk von acht Spitzenkandidaten der Parteien einen Eklat im Streit | |
über Migration und Sicherheit: AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt | |
verließ nach etwas mehr als einer halben Stunde den Saal des Gesprächs von | |
Tagesspiegel und Potsdamer Neuesten Nachrichten im Hans-Otto-Theater. | |
Berndt war der Ansicht, er sei bis dahin zu selten an die Reihe gekommen, | |
obwohl alle nach und nach befragt wurden. „Warum haben Sie nicht nur Herrn | |
Woidke eingeladen? Warum haben Sie uns dann noch als Ornament | |
dahingesetzt?“, fragte Berndt. | |
## „Irreguläre Migration begrenzen“ | |
Regierungschef Dietmar Woidke forderte mehr Anstrengungen, um | |
ausreisepflichtige Ausländer abzuschieben. „Da geht es darum, geltendes | |
Recht umzusetzen“, sagte der SPD-Spitzenkandidat. Er forderte: „Wir müssen | |
irreguläre Migration begrenzen.“ AfD-Fraktionschef Berndt warf ihm vor, | |
bisher untätig gewesen zu sein und forderte, ein Betretungsverbot | |
öffentlicher Veranstaltungen für Asylbewerber nach der tödlichen | |
Messerattacke in Solingen durch Zugangskontrollen durchzusetzen. Die AfD | |
Brandenburg wird vom Verfassungsschutz des Landes als rechtsextremistischer | |
Verdachtsfall eingestuft. | |
CDU-Landes- und Fraktionschef Jan Redmann attackierte Woidke mitunter | |
scharf und warf ihm vor, seinen Kurs mit der Forderung nach Grenzkontrollen | |
gedreht zu haben. „Wie bei so vielen Themen haben sie das Ufer gewechselt“, | |
sagte er. Das wies Woidke zurück. FDP-Landesvorsitzende Zyon Braun | |
kritisierte, Abschiebehaftplätze fehlten im Land. Linksfraktionschef | |
Sebastian Walter warf den übrigen Kandidaten vor: „Alle rücken nach | |
rechts.“ | |
Grünen-Spitzenkandidat Antje Töpfer warnte, es sei nicht zielführend, | |
Grenzen zu schließen. Woidke entgegnete, es sei kontraproduktiv, gar nichts | |
zu machen. Freie-Wähler-Landeschef Péter Vida forderte klare Regeln für | |
straffällige Asylbewerber, wenn „eine winzig kleine Minderheit sich so | |
verhält“. | |
## Wie viele Stimmen bekommt die AfD? | |
Der Regierungschef bekräftigte seinen Rückzug, falls die AfD und nicht | |
seine SPD stärkste Kraft werden sollte. „Meine größte Herausforderung ist, | |
zu verhindern, dass Menschen, die mindestens des Rechtsextremismus | |
verdächtig sind, in diesem Land jemals etwas wieder zu sagen haben“, sagte | |
er. Auf die vorgelesene Frage einer Leserin, wer seine Nachfolgerin oder | |
sein Nachfolger werden solle, antwortete er nicht direkt. „Wir werden dann | |
uns entsprechend unterhalten.“ | |
Der BSW-Landesvorsitzende Robert Crumbach wies den Vorwurf zurück, dass | |
Parteigründerin Sahra Wagenknecht den Kurs vorgebe: „Wir reden miteinander, | |
wir machen Politik aus einem Guss, aber es ist nicht so, dass da Befehle | |
erteilt werden.“ Der Ukraine-Krieg müsse aus seiner Sicht bei möglichen | |
Koalitionsgesprächen angesprochen werden, er sei eine entscheidende Frage | |
an Wahlständen. Bei der Talkrunde ging es zudem unter anderem um | |
Bildungspolitik. | |
9 Sep 2024 | |
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