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# taz.de -- Politikwissenschaftler über Black Vote: „Unterschätzen, was Tru…
> Der Politikwissenschaftler Alvin Tillery will Schwarze Männer davon
> überzeugen, für Kamala Harris zu stimmen. Das sei nicht
> selbstverständlich.
Bild: Trump-Fan am Rande der National Convention der Republikaner im Juli in Mi…
taz: Herr Tillery, seit Kamala Harris die Präsidentschaftskandidatin der
Demokraten ist, wollen mehr Schwarze Menschen in den USA für die Partei
stimmen als unter Joe Biden. Laut der [1][jüngsten Umfrage des Pew Research
Instituts] bevorzugen jedoch immer noch zehn Prozent weibliche Schwarze und
16 Prozent männliche Schwarze Wähler Donald Trump. Bei den Männern also
doppelt so viele wie bei der Wahl 2020. Warum?
Alvin Tillery: Ich denke, wir müssen zunächst einmal verstehen, dass die
Schwarze Community in den USA kein Monolith ist. Sie ist seit den späten
1980er Jahren immer vielfältiger geworden, insbesondere durch die
Einwanderung aus der Karibik und aus Afrika. Zwar sind auch heute 90
Prozent der Schwarzen Bevölkerung in den USA Nachkommen von Menschen, die
in Amerika versklavt wurden und auch die Bürgerrechtsbewegung miterlebt
haben. Aber bereits die 10 Prozent mit einem anderen Hintergrund schaffen
vor allem in Städten wie Atlanta und Miami einen Wandel. Es entstehen
Gruppen von Menschen, die zwar Schwarz sind und ihre eigene Schwarze
Identität besitzen, aber ihre Politik und ihre Werte sind nicht dieselben.
taz: Welche sind das?
Tillery: Sie sind nicht durchdrungen von der Erinnerung an die Geschichte
der Sklaverei und der Rassentrennung in den USA. Ein anderes Problem ist
das Alter: 50 Prozent der Schwarzen Bevölkerung sind heute unter 30 Jahre
alt. Meine Eltern und Großeltern haben die Jim-Crow-Ära miterlebt. Ich
selbst bin ein Überlebender rassistischer Gewalt. Ich habe also eine sehr,
sehr klare Vorstellung der Gefahren des Systems, das Donald Trump durch die
Abschaffung von Bürgerrechtsgesetzen einführen will. Aber bei einem
27-jährigen Schwarzen, der im Südwesten von Atlanta lebt, kommt das
vielleicht nicht so klar an.
taz: Sie sprechen [2][von dem „Project 2025“], dem Manifest einer
republikanernahen Denkfabrik, das etwa zentrale Gesetze zum Schutz von
Schwarzen Menschen vor Polizeigewalt und der Bekämpfung von Diskriminierung
aufheben will.
Tillery: Ja. Mein Beispiel, der 27-Jährige aus Atlanta, kennt vielleicht
keine Weißen, arbeitet nicht in der Nähe von Weißen, für ihn ist diese
Bedrohung also abstrakt, oder er unterschätzt sie. Für ihn ist das größte
Problem vor allem anderen seine wirtschaftliche Not. Und so ist die
Loyalität für die Demokratische Partei unter diesen Leuten, die ich die
neuen Schwarzen Swing-Voters nenne, viel geringer.
taz: Nimmt die Demokratische Partei Schwarze Stimmen für
selbstverständlich?
Tillery: Ja, das zeigt sich in den Umfragen. Etwa zwölf Prozent aller
Schwarzen Stimmen sind Donald Trump zugetan, aber weitere fünf bis zehn
Prozent sind unentschieden. Noch wählt der größte Teil der Schwarzen
Bevölkerung die Demokraten. Aber nicht aus Überzeugung, sondern nur aus
Angst vor den Republikanern. Sie sind zu Recht auch den Demokraten
gegenüber misstrauisch, denn die Demokraten haben 40 Jahre lang Versprechen
an die Schwarze Community gebrochen.
taz: Das müssen Sie erklären.
Tillery: Sehen wir uns die erste Biden-Harris-Amtszeit an. Da versprachen
sie eine Wahlrechtsreform: Der Voting Rights Act sollte die rassistische
Benachteiligung von Schwarzen verhindern. Er kam aber nie zustande, weil
Biden und Harris den demokratischen Senatoren Joe Manchin aus West Virginia
und Kyrsten Sinema aus Arizona erlaubten, die Gesetzesvorlage zu
verschleppen. Dann versprachen sie mit dem George Floyd Policing Act eine
Reform der Polizei, die insbesondere Schwarze Männer vor Gewalt schützen
sollte. Doch obwohl die Demokraten den Senat kontrollierten, erlaubten sie
den Republikanern, auch dieses Gesetz zu verschleppen. Drittens haben sie
versprochen, das Waffenrecht strenger zu regulieren, aber da auch die
Demokraten finanziell von der Waffenlobby abhängig sind, konnten sie nicht
einmal 51 Stimmen aus ihrer eigenen Partei dafür gewinnen.
taz: Sie haben die Non-Profit-Initiative [3][Black Alliance for Equality]
gegründet, um Schwarze sogenannte Independent Voters zu erreichen. Wie
wollen Sie Vertrauen wiederherstellen?
Tillery: Mein Hauptanliegen ist es gar nicht so sehr, die Unentschiedenen
davon zu überzeugen, dass Harris die beste Option für sie ist, sondern
davon, dass Donald Trump die schlechteste Option für sie ist. Insbesondere
für Schwarze Männer.
taz: Ist das Schwarzen Männern nicht bewusst?
Tillery: Viele dieser Trump-begeisterten Schwarzen Männer unterschätzen,
was er ihnen antun wird. Wenn man ihnen sagt, dass Trump mehr bewaffnete
Polizisten in ihre Nachbarschaft schicken wird, um sie zu filzen, sagen
sie: „Oh nein, das wird nicht passieren.“ Das Gleiche haben wir 2016
[4][bei der lateinamerikanischen Bevölkerung] in den USA gesehen. Es gab
mehrere Fälle von [5][Latinos, die für Trump gestimmt] hatten, und
[6][deren Angehörigen ohne amerikanischen Pass dann abgeschoben wurden],
weil sie seine Drohungen nicht ernst genommen haben. In unserer Kampagne
wollen wir also primär Social-Media-Arbeit leisten, die über die Gefahren
für Schwarze Männer aufklären soll: Wenn Donald Trump wieder Präsident
wird, wird es noch mehr rassistische Polizeigewalt geben, es droht die
Legalisierung von Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe am Arbeitsplatz.
Harris müsste das ganz klar ansprechen und auch betonen, dass die
Republikaner konkret das Unterrichten Schwarzer Geschichte an Schulen
verbieten wollen.
taz: Stattdessen betont Kamala Harris in ihrem Wahlkampf vor allem
Abtreibungsrechte. Warum lässt sie die Rechte Schwarzer Menschen bislang
aus?
Tillery: Das liegt daran, dass sich Harris’ Kampagne [7][an weiße
Swing-Voter in den Vorstädten richtet]. Die Spielregeln für diese Strategie
stammen noch von Bill Clinton. Als er 1992 gewann, ignorierte er das Thema
Race und sprach allein über die Wirtschaft. Die Demokraten, die jetzt an
der Macht sind, haben oftmals noch für Bill Clinton gearbeitet. Sie glauben
immer noch, dass die meisten weißen Wähler in Amerika rassistisch sind und
gegen die Demokraten stimmen werden, wenn man über Race spricht. Seit
Barack Obamas Wahlsieg wissen wir aber, dass das nicht stimmt. Etwa 40
Prozent der weißen Wählerschaft engagieren sich wirklich aufrichtig für
eine fortschrittliche Politik in Sachen Race. Aber Harris’ Analysten sagen
ihr, dass sie nicht über die Themen sprechen soll, die Schwarze Männer
interessieren, weil das die weißen Swing-Wähler vergraulen würde.
taz: [8][In US-amerikanischen Medien] wird derzeit debattiert, ob manche
Schwarze Männer Harris auch deshalb nicht unterstützen, weil sie keine Frau
als Präsidentin haben wollen.
Tillery: Wir können nicht leugnen, dass ein kleiner Teil der Schwarzen
Männer auch deshalb nicht für Harris stimmen will, weil sie eine Frau ist.
Aber diesen Sexismus gibt es auch bei weißen Männern. Für Hillary Clinton
haben weniger Männer gestimmt als für Trump. Viele weiße Männer stimmen
generell eher für einen Mann, sie sagen es nur vielleicht nicht so offen in
einer Umfrage. Wir sollten uns generell nicht auf die Umfragen unter den
weißen Swing-Wählern verlassen. Bei Barack Obama waren deren Stimmen am
Wahltag ganze zehn Prozent unter dem, was die Umfragen vorhergesagt hatten.
Deshalb konzentrieren wir uns in unserer Arbeit auf die Schwarzen Wähler.
Wenn Harris bei ihnen nicht über 90 Prozent kommt, sehe ich ehrlich gesagt
keine Chance, dass sie gewinnt.
taz: Harris hat als Staatsanwältin besonders viele nicht-weiße Männer ins
Gefängnis gebracht. Ist das auch ein Faktor, der bei Schwarzen Männern
Misstrauen auslöst?
Tillery: Das ist in der Tat ein Dilemma, das nur schwer zu lösen ist. Denn
ihre Vergangenheit als Staatsanwältin ist genau das, was sie für so viele
weiße Swing-Wähler attraktiv macht. Das heißt, egal welche Botschaft sie
diesbezüglich sendet, sie verliert entweder weiße oder Schwarze Wähler.
Auch da muss die Antwort sein, zu betonen, wie viel schlimmer unser
Justizsystem unter Donald Trump aussehen würde, einem Mann, der selbst
[9][verurteilter Verbrecher ist].
taz: Harris ist, wie Trump, Teil des Establishments und sehr wohlhabend.
Ist ihr mangelnder Appeal für Ihren Beispiel-Wähler, den 27-Jährigen aus
Atlanta, vielleicht auch eine Frage der Entfremdung verschiedener Klassen?
Tillery: Nein, das glaube ich nicht, denn es gibt kaum amerikanische
Menschen in der Politik, die eine echte, authentische
Arbeiterklasse-Identität haben. Präsident Biden ist aber der erste
demokratische Präsident seit Carter, der ein echtes Programm für die
Arbeiterklasse hat. Ich würde sogar sagen, er ist der beste
Arbeiterpräsident, den wir je auf der Seite der Demokraten hatten. Er hat
sich glaubhaft für die Gewerkschaften starkgemacht. Und ich denke, Harris
ist bereit, diese Politik fortzusetzen. Aber am Ende neigen in Amerika die
Wähler eben nicht dazu, ihre wirtschaftlichen Interessen zu wählen. Sie
neigen dazu, über kulturelle und andere gesellschaftliche Themen
abzustimmen. Und deshalb sind das genau die Themen, die Harris in den Swing
States ansprechen muss.
23 Sep 2024
## LINKS
[1] https://www.pewresearch.org/short-reads/2024/08/22/black-voters-support-har…
[2] /Trump-gegen-Harris/!vn6027807/
[3] https://www.allianceforblackequality.org/
[4] /US-Praesidentschaftswahl/!6032574
[5] /Latinos-die-Trump-waehlen/!5993337
[6] https://www.washingtonpost.com/news/post-nation/wp/2017/04/04/the-last-ditc…
[7] /Kamala-Harris-Programm/!6033875
[8] https://www.nytimes.com/2024/08/11/us/politics/harris-black-men.html
[9] /Strafprozess-gegen-Donald-Trump/!6035095
## AUTOREN
Morgane Llanque
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