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# taz.de -- Kamala Harris' Programm: Jetzt kann sie auch noch Spagat!
> Die demokratische Kandidatin hat in der ersten TV-Debatte gegen Trump
> gewonnen, ihr Höhenflug geht erst mal weiter. Aber was hat sie eigentlich
> vor?
Bild: Hat den Wind im US-Wahlkampf gedreht: Kamala Harris am 12.9. in North Car…
Weniger als zwei Monate vor dem US-Wahltermin am 5. November hat Kamala
Harris eine weitere Hürde genommen. Die erste – und wohl auch einzige –
TV-Debatte gegen Donald Trump [1][hat sie mit Bravour gewonnen]. Ihre
rasante Wahlkampagne seit dem Rückzug Joe Bidens von der Kandidatur behält
damit zunächst das Momentum.
Dabei praktiziert Harris einen schwierigen Spagat. Rund 60 Prozent der
US-Amerikaner*innen zeigen sich in Umfragen unzufrieden mit dem Zustand des
Landes und wünschen sich Veränderung. Als amtierende Vizepräsidentin kann
Harris jedoch kaum glaubwürdig als diejenige auftreten, die politisch für
den Wechsel steht. Einer der wenigen guten Momente Donald Trumps in der
TV-Debatte war denn auch sein einstudiertes Abschlussstatement, in dem er
fragte, warum Kamala Harris all das Tolle, das sie verspricht, nicht schon
längst umgesetzt habe, schließlich säße sie doch seit dreieinhalb Jahren im
Weißen Haus.
Insofern scheint Harris, die in den letzten Wochen erst nach und nach
konkrete Vorschläge lanciert hat, eine Doppelstrategie zu verfolgen: Als
Person ist sie inzwischen klar aus dem Schatten Joe Bidens herausgetreten
und hat [2][mit ihrer genialen Wahl von Tim Walz als Vizekandidaten] einen
Energieschub ohnegleichen in die Demokratische Partei gebracht. Politisch
baut sie auf der Biden-Politik auf, bringt aber einige wenige neue
Vorschläge ein – Steuersenkungen für Geringverdienende, Erleichterungen für
junge Familien und höhere Abschreibungsmöglichkeiten für kleine
Unternehmensgründungen – die sie in einen Diversitätsdiskurs rahmt: gleiche
Chancen für alle, unabhängig von Status und Herkunft. Das nennt sie recht
bombastisch „Opportunity Economy“ und „New Way Forward“. So neu ist der…
nicht – der Anstrich schon.
All das ist inzwischen [3][auf ihrer Kampagnenseite nachzulesen]. Wie immer
bei solchen Wahlprogrammen steht da vieles, was schwer durch den Kongress
zu bringen wäre – aber diese insgesamt knapp 10 DIN-A4-Seiten haben auch
nicht den Zweck, ein Regierungsprogramm für vier Jahre zu formulieren,
sondern die Kandidatin zu definieren.
## Das große Thema Inflation
Das scheint auch immer noch dringend nötig: In Umfragen sagte kurz vor der
TV-Debatte rund ein Viertel der Befragten, ihnen sei nicht klar, wofür
Kamala Harris eigentlich stehe. Und danach gaben in Medienbefragungen
etliche unentschiedene Wähler*innen an, sie hätten nicht verstanden, was
Harris tatsächlich unternehmen wolle, um die Inflation und die damit
verbundenen hohen Lebenshaltungskosten zu senken. Neben Migration ist dies
das Topthema der Trump-Kampagne und tatsächlich eine der Hauptsorgen der
US-Amerikaner*innen. Zwar erklärt auch Donald Trump nicht, warum mit ihm
die Inflation sinken sollte. Aber als er Präsident war, war sie niedriger –
das reicht ihm als Argument.
Seit dem Wechsel von Joe Biden zu Kamala Harris ist die Wahl wieder offen.
Hatte kaum ein Analyst Biden auch nur eine theoretische Chance gegeben,
ausreichend Bundesstaaten zu gewinnen, um die benötigten 270 Stimmen im
Electoral College, dem Wahlleutegremium, zu erreichen, so liegen Trump und
Harris jetzt praktisch gleichauf.
In den letzten Wochen bis zur Wahl wird es darauf ankommen, das eigene
Wähler*innenpotenzial in den Swing States, jenen sieben bis acht
Bundesstaaten, in denen das Rennen noch offen ist, maximal zu mobilisieren.
Für die Demokrat*innen heißt das auch: Der progressive Flügel, der 2016
zu Hause blieb, weil Hillary Clinton für Linke nicht wählbar schien, muss
zur Wahl gehen. 2020 reichte dafür die Drohung einer zweiten Amtszeit
Donald Trumps aus.
Kamala Harris fährt dabei eine mehrgleisige Strategie. Einerseits halten
ihre Programmpunkte eine ganze Menge progressiver Inhalte bereit. Am
stärksten ist hierbei sicherlich die Verteidigung reproduktiver Rechte,
denn diese sind nach der Abschaffung des landesweiten Rechts auf Abtreibung
durch den Supreme Court 2022 allein schon ein Mobilisierungspunkt. Aber
auch in den Themenbereichen Bildung, Krankenversicherung und soziale
Absicherung bleibt Harris ausreichend fortschrittlich, um keinen Linken
abzuschrecken – und gleichzeitig vage genug, um die Ängste der Mitte vor
einem „Kommunismus“ gering zu halten.
## Fracking soll erlaubt bleiben
Zugleich verweist Harris auf ihrer Kampagnenseite hinter jedem Abschnitt
auf das konservative „Project 2025“. Das unter der Regie der Heritage
Foundation ausgearbeitete 900-Seiten-Programm würde den Trumpismus
institutionell verankern – und taugt als Gruselbild, um Harris die Stimme
zu geben, so das Kalkül.
Mit Sorge schauen jedoch Klimaaktivist*innen auf einige von Harris’
Positionen, die auch in der TV-Debatte deutlich wurden. Hier erklärte sie,
keinesfalls auf ein Verbot von Fracking hinzusteuern, einem im bedeutenden
Swing State Pennsylvania nicht zu vernachlässigenden Wirtschaftszweig. Wie
beim Thema Grenzschutz und Migration scheint Harris hier einem
Trump-Narrativ hinterherzulaufen: Wer gegen Fracking sei, sei für die
Menschen in Pennsylvania nicht wählbar. Das stimmt zwar so nicht, denn
angesichts der massiven Umweltschäden durch Fracking ist rund die Hälfte
der Wähler*innen des Bundesstaates einem Verbot nicht abgeneigt. Doch
für Harris gilt hier: besser keine Angriffsfläche bieten!
In der Außen- und Sicherheitspolitik und beim Thema Israel und Palästina
bleibt sie bei der derzeitigen Biden-Linie. Insbesondere ihre
Israel-Unterstützung, unterlegt mit den gleichen zahnlosen Aufrufen, doch
bitte das Leben der Zivilbevölkerung in Gaza zu schonen, kommt bei jenen,
die schon Biden während der Vorwahlen einen Denkzettel verpasst hatten,
nicht gut an. Wenn aber etwa die vielen pro-palästinensischen und
arabischstämmigen Wähler*innen im Swing State Michigan zu Hause bleiben,
kann auch das Harris die Wahl kosten.
Harris wird sich in den kommenden Wochen politisch weiter erklären müssen,
angreifbare Festlegungen wird sie aber weiter vermeiden. Vermutlich eine
richtige Strategie – zumindest um erst einmal die Wahl zu gewinnen.
Regieren kann sie dann ja immer noch.
13 Sep 2024
## LINKS
[1] /TV-Debatte-im-US-Wahlkampf/!6036244
[2] /Harris-Vizekandidat-Tim-Walz/!6028717
[3] https://kamalaharris.com/issues/
## AUTOREN
Bernd Pickert
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