# taz.de -- Casey Spooner for President: Die Alternative | |
> Hätte eine queere Person Chancen, US-Präsident zu werden? Beim | |
> Kunstfestival „Hallen 05“ wiederholt Casey Spooner seine Bewerbung aus | |
> dem Jahr 2020. | |
Bild: „Why can't I be the president?“: Casey Spooners Performance, Hallen 0… | |
Vielleicht sind die USA bereit für eine Frau als Präsidentin des Landes, | |
eine Schwarze noch dazu. Man kann es nur hoffen. Aber wäre es auch denkbar, | |
dass eine offen queere Person echte Chancen hätte, den wohl wichtigsten Job | |
auf dem ganzen Planeten zu bekommen? | |
Um diese Frage kreisen die Installation und die Performance des Künstlers | |
und Musikers Casey Spooner, die noch bis zum Ende der Berliner Art Week | |
kommenden Sonntag in den Wilhelm Hallen in Reinickendorf zu erleben sind. | |
„Hallen 05“ nennt sich die Kunstausstellung, in deren Rahmen er auftritt. | |
Unterschiedliche Galerien und Institutionen präsentieren in den | |
spektakulären denkmalgeschützten Hallen einer ehemaligen Eisengießerei | |
Kunst von heute. | |
[1][Der Kunstverein Kestner Gesellschaft], der Spooner präsentiert, lässt | |
diesen in einer der Hallen auftreten, die er nur für sich hat. Man betritt | |
hier einen dunklen Raum, in dem eine Bühne aufgestellt wurde, wie man sie | |
kennt aus amerikanischen Wahlkampfveranstaltungen. | |
Auf so einer stand auch Donald Trump vor Kurzem, [2][als er bei einem | |
Attentat am Ohr angeschossen wurde]. Im Hintergrund gibt es Projektionen, | |
in denen Spooner unterschiedliche Inkarnationen verkörpert, die Macht, | |
Glamour und Queerness miteinander verbinden. Einmal steht er auf dem Balkon | |
eines Gebäudes und gestikuliert so anmutig vor seinem imaginären Volk, dass | |
man an Evita Perón denken muss. Oder er räkelt sich mit Ludwig-II.-Pose auf | |
einer Couch mit goldenem Dekor, wie man sie, nebenbei bemerkt, auch in | |
Trumps gerüchteweise extrem prunkvoll und gleichzeitig geschmacklos | |
eingerichteten Anwesen Mar-a-Lago vorfinden dürfte. | |
Mehrere Performances am Wochenende | |
Das ist die Installation, die für Spooner am vergangenen Wochenende | |
mehrmals täglich auch zur Bühne für seine Performance wurde. Am nächsten | |
wird er sie erneut aufführen, insgesamt weitere fünf Mal. | |
Ein Typ mit Cowboyhut und Arbeiterhosen im Camouflage-Look betritt während | |
dieser die Bühne. Ein Südstaaten-Redneck, der so auch bei einer | |
Wiedervereinigung der Village People mitmachen könnte und der anfängt, zu | |
elektronischer Musik mit einer Stimme zu singen, die an [3][die Pet Shop | |
Boys] erinnert. Und tanzt wie in einem Schwulenclub in San Francisco in den | |
Achtzigern. | |
„Spooner 2020“ heißt die Performance. Der Künstler selbst nennt sie eine | |
„politische Performance-Kampagne“. Sie ist das Reenactment seiner | |
künstlerischen Intervention in den amerikanischen Wahlkampf vor vier | |
Jahren. Damals hieß es Joe Biden gegen Donald Trump, und die Dringlichkeit, | |
den damals amtierenden Präsidenten der USA abzulösen, war so groß wie | |
jetzt, den Mann bloß nicht noch einmal zum Staatschef zu küren. | |
Auch Spooner war getrieben davon, irgendwie Stellung gegen den Anführer der | |
„Make America great again“-Bewegung zu beziehen. Also stieg er tatsächlich | |
mit ein in das Rennen zur Wahl des amerikanischen Präsidenten. Nicht | |
wirklich mit dem Ziel zu gewinnen, wie er damals bekannt gab, aber um zu | |
zeigen, dass es auch Alternativen wie ihn gäbe. | |
Oder zumindest für die Art von Person, die er darstellte: eine Art | |
typischer Trump-Wähler, der als Muskel-Schwuler aber doch ganz anders ist, | |
als man sich den so vorstellt. Und um zu demonstrieren, dass man auch ein | |
echter Showman wie Trump sein kann, jedoch ohne dabei gleichzeitig ein | |
Sexist und Rassist sein zu müssen. | |
Heute so relevant wie vor vier Jahren | |
Seine politische Botschaft ist heute so relevant, wie sie es vor vier | |
Jahren war. Deswegen mimt er noch einmal sich selbst als | |
Präsidentschaftskandidaten und würzt seine Show mit allerlei Anspielungen | |
darauf, dass in den USA Politik unauflösbar mit Entertainment verbunden | |
ist. | |
Auf seiner Bühne in den Wilhelm Hallen hängen mehrere US-Fahnen, | |
Luftballons fliegen umher, zwei grimmig dreinschauende Mitarbeiter des | |
Secret Service überwachen alles. Besucher und Besucherinnen halten Schilder | |
in die Höhe, auf denen „Spooner 2020“ steht. Und der Mann, der einmal so | |
tat, als wolle er der nächste Präsident der Vereinigten Staaten werden, | |
singt Textzeilen wie „Why can't I be the president?“ Die Antwort auf die | |
Frage lautet natürlich damals wie heute: Weil er schwul ist. | |
Spooner blickt nun vielleicht etwas anders auf die nächsten Wahlen in den | |
USA. Er, der den Electroclash-Performance-Act Fischerspooner mitgegründet | |
hat, der Anfang des Jahrtausends mit der Nummer „Emerge“ einen riesigen Hit | |
hatte, lebt nun vornehmlich in Paris und Berlin, wo die politische | |
Landschaft noch nicht ganz so kaputt ist wie in seiner Heimat. Seine | |
Hoffnung ist aber natürlich, wenn er dieses Mal schon nicht selbst für den | |
Posten als Präsident kandidiert, dass Kamala Harris das Rennen machen wird. | |
13 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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