# taz.de -- Schleswig-Holstein konzentriert Gerichte: Der weite Weg zur Gerecht… | |
> Schleswig-Holsteins Landesregierung will Gerichte an wenigen Standorten | |
> zusammenfassen. Opposition und Verbände fühlen sich überrumpelt. | |
Bild: Wo geht's hier zum Gericht? Schleswig ist Verlierer und Gewinner in einem… | |
Hamburg taz | Schleswig-Holsteins Landesregierung will alle Arbeits- und | |
Sozialgerichte des Landes an einem Standort konzentrieren. Damit werde Geld | |
gespart, mit dem 25 dringend benötigte Planstellen bei der | |
Staatsanwaltschaft finanziert werden könnten, teilte [1][Justizministerin | |
Kerstin von der Decken (CDU)] am Mittwoch mit. Opposition und Verbände | |
zeigten sich überrumpelt und verärgert. | |
„Diese Vorgehensweise lässt uns fassungslos zurück“, erklärte die | |
Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, Christiane | |
Schmehl. Dass mehrere Hundert Beschäftigte ohne jeden Dialog quer durchs | |
Land versetzt werden sollten, habe sie bisher für unvorstellbar gehalten. | |
„Gleichzeitig den Bürgerinnen und Bürgern ihren ortsnahen Zugang zu den | |
wichtigen Sozial- und Arbeitsgerichten zu nehmen, ist ein Handstreich, wie | |
er im Buche steht“, kritisierte Schmehl. Das Ministerium versicherte, vor | |
dem Gesetzgebungsverfahren werde es eine Anhörung geben. | |
In einer Pressemitteilung der schwarz-grünen Landesregierung zum Ergebnis | |
ihrer Haushaltsverhandlungen am Dienstag hatte es noch vage geheißen, die | |
Justizministerin werde gebeten, „die Fachgerichtsbarkeit örtlich stärker zu | |
konzentrieren und auch zu prüfen, ob und in welchem Umfang bei den | |
Amtsgerichten durch eine Zusammenlegung Effizienz- und | |
Wirtschaftlichkeitsvorteile erzielt werden können“. | |
## Ziel: mehr Effizienz | |
Die Pläne dafür lagen aber offenbar schon in der Schublade. Konkret sollen | |
die vier Sozialgerichte in Itzehoe, Kiel, Lübeck und Schleswig sowie die | |
fünf [2][Arbeitsgerichte] in Elmshorn, Flensburg, Kiel, Lübeck und | |
Neumünster an einem „Fachgerichtszentrum“ in zentraler Lage zusammengefasst | |
werden, in das auch mindestens ein Verhandlungssaal für große | |
Strafverfahren integriert werden soll. | |
Zudem soll das Finanzgericht von Kiel nach Schleswig in ein weiteres | |
Fachgerichtszentrum ziehen. Perspektivisch soll es auch nur noch ein | |
Amtsgericht pro Kreis geben. | |
Die Konzentration soll die Gerichtsbarkeit effizienter machen. „Es besteht | |
bei den Gerichtsgebäuden ein erheblicher Sanierungsstau, während es | |
gleichzeitig immer schwieriger wird, die teilweise sehr kleinen | |
Organisationseinheiten personell aufrechtzuerhalten“, heißt es in einer | |
Mitteilung des Ministeriums. „Dabei werden wir die Belange der | |
Justizbeschäftigten und der rechtssuchenden Bevölkerung bestmöglich | |
wahren.“ | |
Heiko Siebel-Huffmann, der Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft | |
Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ), bezweifelt das. „Für | |
alle werden die Wege weiter“, kritisiert er. „Damit nimmt man niemanden | |
mit, sondern verprellt alle diejenigen, die wohnortnah Rechtsschutz | |
gewähren.“ Das betrifft nicht nur die Richter, sondern auch die | |
ehrenamtlichen Beisitzer, bei Amtsgerichten die Schöffen. | |
## Angesichts der sozialen Lage „kontraproduktiv“ | |
Alfred Bornhalm, der Landesvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland | |
(SoVD), hält die Pläne in ihrer Deutlichkeit und Konsequenz angesichts „der | |
schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage“ für kontraproduktiv. | |
Angesichts der vielen Menschen, die [3][mit den Entscheidungen der Behörden | |
nicht einverstanden] seien, brauche es mehr Wohnortnähe, nicht das | |
Gegenteil. „Wenn ich nicht vor Ort bin, kann ich auch nicht das | |
gesellschaftliche Umfeld einschätzen“, sagt Bornhalm. Damit werde es | |
schwerer, den Menschen gerecht zu werden. | |
Der Richterverband kritisiert, dass das [4][Justizministerium die möglichen | |
Einsparungen nicht beziffert] habe. Der ASJ-Vorsitzende Siebel-Huffmann | |
prophezeit sogar, dass die Zusammenlegung mehr kosten als sparen werde. | |
Schließlich würden an den zentralen Standorten teure neue Säle und Büros | |
benötigt. Der Rechtsschutz in Schleswig-Holstein sei mit rund fünf Euro pro | |
Bürger und Monat schon günstig. Da könne kaum gespart werden. Zugleich | |
falle in der Fläche wichtige Infrastruktur und damit auch Kaufkraft weg. | |
25 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Abschiebehaft-in-Schleswig-Holstein/!5982210 | |
[2] /Lieferfahrer-aus-Suedasien/!6033346 | |
[3] /Koalitionsvertrag-in-Schleswig-Holstein/!5861387 | |
[4] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/ministerien-behoerden/… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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