# taz.de -- Justizreform in Schleswig-Holstein: Gerichte in Not | |
> Die FDP sieht überlastete Staatsanwaltschaften und Probleme bei der | |
> Digitalisierung. Das Ministerium plant nach Protesten nun eine kleine | |
> Justizreform. | |
Bild: Mit der Reform erhofft sich die Ministerin Synergien bei Gebäuden und Pe… | |
Kiel taz | Aufwändige Verfahren, Probleme bei der Einführung elektronischer | |
Akten, Personalmangel und die Sorge um eine Gerichtsreform, bei der | |
Standorte wegfallen könnten: Das Justizsystem in Schleswig-Holstein stehe | |
unter enormen Druck, die Belastung sei hoch, warnt die | |
FDP-Landtagsfraktion. Vor allem bei den Staatsanwaltschaften im Land sieht | |
Justizpolitiker Bernd Buchholz große Probleme. | |
Rund 336.000 Fälle gingen im Jahr 2024 bei den Staatsanwaltschaften ein, | |
erledigt wurden aber nur rund 191.000 Fälle. In den Vorjahren sahen die | |
Werte ähnlich aus. Das geht aus einer Großen Anfrage hervor, mit der die | |
FDP die Lage der Justiz insgesamt in den Blick nehmen wollte. | |
Besonders die Schieflage bei den Staatsanwaltschaften nannte Buchholz | |
„katastrophal“. Bei einer derartigen Überlastung der Strafverfolger | |
passiere es, dass sogar Haftsachen liegenbleiben und dass „man dann wegen | |
überlanger Verfahrensdauer Menschen aus der Untersuchungshaft entlassen | |
muss“. Dies passiere aber laut der Antwort des CDU-geführten | |
Justizministeriums nur in Einzelfällen oder betreffe einzelne Taten im | |
Rahmen eines größeren Prozesses, so dass der Wegfall einzelner Punkte | |
keinen Effekt auf eine Gesamtstrafe habe. | |
Doch auch die immer komplexeren Verfahren sah Buchholz als weiteres | |
Problem: Manche Anwält:innen würde inzwischen Schriftsätze per KI | |
schreiben lassen, die übrigen Prozessbeteiligten müssten sich durch ein | |
„Terrabyte Akten“ lesen – teils auf Papier, teils in elektronischen Akten. | |
## Protest gegen Standortschließungen | |
Denn die Gerichte stecken in der Digitalisierung, sind aber derzeit noch im | |
„Mischbetrieb“, wie das Ministerium schreibt. Das macht die Arbeit | |
aufwändig, vor allem, weil auch die E-Akten nicht immer zuverlässig | |
funktionieren: „Ein von vielen Anwenderinnen und Anwendern geschildertes | |
Problem ist eine als mangelhaft empfundene Performance dieses | |
Gesamtsystems“, heißt es etwas gewunden in der Ministeriums-Antwort. Das | |
sei gerade in Amtsgerichten ein Problem, wo pro Tag eine Person 50 bis 70 | |
Akten öffnet und bearbeitet, sagt Buchholz: „Da sitzt der Richter dann | |
lange vor der Eieruhr auf dem Bildschirm.“ | |
Im Herbst 2024 hatte es landesweit Proteste gegen die geplante Justizreform | |
gegeben. Für Ärger sorgte vor allem, dass Justizministerin Kerstin von der | |
Decken (CDU) [1][mehrere kleinere Gerichtsstandorte schließen wollte]. | |
Zurzeit gibt es in den 15 Kreisen und kreisfreien Städten zusammen 22 | |
Amtsgerichte sowie zahlreiche Fachgerichte, etwa für Arbeits- oder | |
Sozialrecht. [2][Gegen die Schließung von Standorten protestierten] | |
Gerichts-Beschäftigte ebenso wie Sozialverbände: Sie fürchteten weitere | |
Wege für Menschen, die vor einem Amtsgericht erschienen müssen – dort geht | |
es oft um Verfahren, in denen Beteiligte sich selbst vertreten. | |
Die Ministerin plant nun eine etwas kleinere Reform. So sollen einige der | |
Fachgerichte in Zweigstellen oder Kammern umgewandelt werden. Damit bleiben | |
die Standorte erhalten, während hinter den Kulissen „Synergien bei Gebäuden | |
und Personal erreicht werden“, wie es auf der Homepage des Ministeriums | |
heißt. Wie genau die Reform aussehen wird, ist derzeit unklar. Diese | |
Unsicherheit sorge aus Sicht der FDP für Unruhe: „Wer nicht weiß, ob sein | |
Arbeitsplatz erhalten bleibt, schaut sich vielleicht bei einer Verwaltung | |
oder bei den Gerichten in Hamburg um“, so Buchholz. | |
Er fordert Kerstin von der Decken daher auf, die Reform auszusetzen. „Mir | |
ist, trotz mehrfacher Nachfrage, nicht bekannt, dass dadurch ein relevantes | |
Einsparpotenzial entsteht“, sagte er. Zudem sei es sinnvoll, für den | |
digitalen Wandel externe Fachkräfte zu holen: „Zurzeit wird viel | |
Fachpersonal gebunden, das anderweitig hätte eingesetzt werden können.“ | |
16 Jul 2025 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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