# taz.de -- Gegen schlechte Arbeitsbedingungen: Mehrere Monatsgehälter vorgest… | |
> Ein Pizza-Lieferfahrer wurde mit Lohnzurückhaltung bestraft. Er kämpft | |
> vor dem Arbeitsgericht und wird vom Arbeitskampf-Fonds PayDay | |
> unterstützt. | |
Bild: Der will gar keinen Lohn: Ein Roboter der Firma Dominos fährt während e… | |
Berlin taz | Am Dienstag wurde vor dem Arbeitsgericht Berlin zum ersten Mal | |
ein Fall verhandelt, bei dem der Kläger von dem neuen | |
[1][Arbeitskampf-Fonds PayDay] unterstützt wird. Kabir (Name geändert) war | |
Lieferfahrer der Pizzakette Dominos. Er sagt, er sei von der Firma mit | |
Lohnzurückhaltung bestraft worden, weil er sich intern bei seinem | |
Vorgesetzten über die schlechten Arbeitsbedingungen beschwert hätte. Laut | |
der Klage gegen Dominos schuldet der Pizzadienst Kabir mehrere | |
Monatsgehälter. Um ihm die Zeit bis zur Gerichtsverhandlung finanziell zu | |
überbrücken, hat der Verein PayDay den Betrag vorgestreckt. | |
Dominos hat zwar einen Vergleich vorgelegt. Doch Kabir lehnte aufgrund der | |
darin enthaltenen Verschwiegenheitsklausel ab. „Es ist wichtig, dass man | |
seine [2][Stimme gegen Ungerechtigkeiten] erhebt“, sagt er nach der | |
Verhandlung. Statt der vertraglich zugesicherten 12 bis 20 Stunden habe er | |
in Spitzenzeiten im Winter bis zu 50 Stunden pro Woche schuften müssen, und | |
zwar ohne Pause. Dafür arbeitete er in ruhigeren Zeiten weniger als | |
vertraglich vorgesehen – und bekam damit auch weniger Lohn. Auch die Zeiten | |
während des Wartens auf neue Kundenbestellungen seien widerrechtlich nicht | |
bezahlt worden. | |
Über schlechte Arbeitsbedingungen zu sprechen und sie so zu politisieren, | |
ist für den Verein PayDay der springende Punkt: „Schweigeverträge sollen | |
Angestellte davon abhalten, über ihre schlechten Arbeitsbedingungen zu | |
berichten“, sagt PayDay-Gründer Raphael Kamps. Lohnzurückhaltung sei „eine | |
Form von Union Busting, darüber müssen wir mehr reden“, so Kamps weiter. | |
Eine Bedingung für einen Lohnvorschuss von PayDay ist dann auch, dass man | |
sich im Betrieb für die Rechte von Angestellten eingesetzt hat. Darüber | |
hinaus soll man bereit sein, die Fälle auch vor Gericht auszufechten. | |
## Erfahrung mit Arbeitskämpfen | |
PayDay wurde im Juni 2023 von einer Gruppe ehemaliger Rider und | |
Hostelangestellten gegründet. Alle hatten Erfahrung mit Arbeitskämpfen | |
gesammelt und zum Teil versucht, einen Betriebsrat zu gründen. Aus dieser | |
Zeit wüssten sie, dass Lohnzurückhaltung ein beliebtes Mittel ist, | |
unliebsame Angestellte finanziell und emotional zu zermürben. | |
Wer Miete bezahlen muss, gebe sich eher mit einem Vergleich über nur einen | |
Teil des geschuldeten Lohns zufrieden und akzeptiere vielleicht auch eine | |
Schweigeklausel, statt sich auf einen über Monate oder Jahre hinziehenden | |
Gerichtsprozess einzustellen. Auch die überlasteten Gerichte mögen | |
Vergleiche, schließlich ersparen sie Arbeit. | |
Zahltag gegen LohnklauDer Start des PayDay-Fonds ist erst einmal gesichert. | |
Denn das von Ridern des [3][Supermarktlieferdienstes Gorillas] gegründete | |
Gorillas Workers Collective (GWC) hatte mit dem Niedergang der Firma zwar | |
ihre Hauptaufgabe verloren. Allerdings war nach erfolgreichen | |
Spendenaufrufen die Streikkasse gut gefüllt. Dieses Geld hat GWC nun an | |
PayDay gespendet, damit das Geld weiterhin für Arbeitskämpfe eingesetzt | |
werden kann. GWC-Aktivisten gehören auch zu den Gründern des Vereins. | |
Kabir ist nach der Ablehnung des Vergleichs am ersten Tag vor Gericht guter | |
Dinge. Die eigentliche Gerichtsverhandlung folgt nun erst später. Was, wenn | |
er verliert? „Dann war der Lohnvorschuss eine Schenkung, kein Darlehen“, | |
sagt Raphael Kamps. Das Wichtigste sei: Kämpfen. | |
10 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.payday-ev.de/ | |
[2] /Arbeitsbedingungen-bei-Lieferando/!6021131 | |
[3] /Arbeitskampf-bei-Gorillas/!5781546 | |
## AUTOREN | |
Caspar Shaller | |
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