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# taz.de -- Social-Media-Verbot für Teenager: Jugendschutz echt daneben
> Australien will Teenagern den Zugang zu sozialen Medien verbieten.
> Dabei sind digitale Räume essenziell und Erfahrungen dort so real wie die
> analogen.
Bild: Bald kein Social Media mehr für Jugendliche?
Jugendliche einfach aussperren. Das ist die Lösung! Findet zumindest die
australische Regierung, die Menschen, bis sie 14 oder 16 Jahre alt sind –
so sicher sind sich die Erwachsenen da noch nicht –, den [1][Zugang zu
Social Media] verbieten will. Dieses sinnfreie und diskriminierende Gesetz
soll noch 2024 ins Parlament eingebracht werden, sagt der Premierminister
Anthony Albanese.
Wie die Aussperrung aber technisch umgesetzt werden soll, das hat er lieber
noch nicht erklärt. Aber egal, welchen Mechanismus er sich da vorstellt: Er
wird darauf beruhen, dass [2][Daten] über Jugendliche gesammelt und von
Konzernen wie Regierung genutzt werden. Eine Dystopie.
Derlei Vorschläge sind aber nicht originär australisch, auch in Deutschland
werden sie immer wieder diskutiert. Dabei sind derlei Vorschläge zum einen
unsinnig und gefährlich, zum anderen ein Grund, die Altersdiskriminierung
einfach mal weiterzudenken.
Ich fordere im Sinne des wutgetriebenen, wissensfreien [3][Ageism]:
Facebook nur bis 60! Älteren fehlt es an der nötigen digitalen
Medienkompetenz. Viel zu schnell lassen sie sich vom Populismus auf dieser
Plattform radikalisieren. Und [4][Tiktok] auch nur bis 30! Einfach, um den
Jüngeren wenigstens ein klein bisschen Platz zu lassen.
## Nicht die Opfer aussperren
Gewalt, Betrug und Propaganda sind ernst zu nehmende Gefahren, denen junge
Menschen online ausgesetzt sind. Gefahren, um die sich die Politik dringend
kümmern muss. Nur ist ein Ausschluss der potenziellen Opfer kein „Kümmern�…
Übersetzen wir das Ganze doch mal in die Erwachsenenwelt: Auf Volksfesten
wie dem Oktoberfest werden Gewalttaten begangen, insbesondere sexualisierte
von Männern gegen Frauen. Ist die Lösung, Frauen nicht auf diese Feste zu
lassen? Es wäre eine faule, diskriminierende Pseudolösung, die jenen
schadet, die zu Opfern gemacht werden, nicht jenen, die zu Opfern machen.
Australiens Albanese argumentiert aber nicht nur mit den offensichtlichen
Gefahren für Kinder und Jugendliche wie [5][Grooming], [6][Radikalisierung]
und Mobbing. Er sagt auch, soziale Medien würden Kinder von „echten
Freund*innen“ und „echten Erfahrungen“ fernhalten.
## Potenzial für echte Lösungen
Wenn Erlebnisse und Freund*innen auf Social-Media-Plattformen nicht
[7][echt] sind, was sind die Instagram-Beiträge meiner Cousinen über die
Einschulung ihrer Kinder dann? Fragen Sie mal all die Menschen, die sich
auf Dating-Apps oder auf Social-Media-Plattformen kennengelernt haben, den
größten Liebeskummer ihres Lebens, eine langjährige Beziehung und eventuell
sogar ein oder mehrere Kinder dabei gewonnen haben: Ist all das nicht echt?
Und war es das nicht auch von Anfang an?
Soziale Medien, egal ob Tiktok, Instagram, Snapchat oder oldschool Foren,
haben das Potenzial, echte Lösungen für Probleme aus dem Analogen zu
schaffen. Lösungen, die analog nicht entstehen können. Das Internet ist
voll von Communitys und Sub-Communitys, die sich so nie oder nur unter
größter Anstrengung in der nichtdigitalen Welt begegnen könnten. Das
betrifft auch und vor allem Jugendliche und auch und vor allem
marginalisierte Menschen. Für sie können soziale Medien lebensrettend sein.
Sich diese Lösungen in der Realität zu schaffen, ist manchmal schwieriger
als im Internet. Findet doch mal einen Ort, an dem sich eine queere
Jugendgruppe treffen kann. Ein Ort, den alle regelmäßig und problemlos
erreichen können, egal ob sie in Nürnberg oder Buxtehude leben, ob sie
reich sind oder arm. Ohne Angst, auf dem Weg von Nachbar*innen gesehen
und verurteilt zu werden oder sogar von expliziten Homo- und
[8][Trans-Hassern]. Ohne von den Eltern gefragt zu werden, wo man hingehe,
und dann im Zweifel lügen zu müssen.
## Teenager*innen sind schlauer
Gewalt – auch gegen Jugendliche – passiert nicht nur online. Sie passiert
im Umgang mit ihnen überall. Ganz besonders dann, wenn sie zu Minderheiten
gehören. Vor manchen Fällen dieser Gewalt kann das Internet schützen. Man
muss nicht 16 sein, um diesen Schutz zu brauchen. Nicht mal 14.
Wofür man übrigens auch nicht 16 sein muss: Lösungen finden, um Verbote zu
umgehen. Teenager*innen sind jünger, aber nicht dümmer als Alte. Ich
vermute: Sie sind schlauer. Sie wissen, wie man (auch im Digitalen) über
Zäune klettert, Löcher reinschneidet, Tunnel darunter gräbt. Das ist eine
ihrer Kernkompetenzen, neben dem Infragestellen von Autoritäten und
unsinnigen Regeln.
Die Regel, die australische Erwachsene sich da gerade ausdenken, ist so
eine. Sie schützt nicht, sondern sie zerstört Schutz.
11 Sep 2024
## LINKS
[1] /Social-Media-Nutzung-bei-Jugendlichen/!5997431
[2] /Tracking-und-Datensammeln-im-Netz/!5914049
[3] /Alter-Gefuehle-und-Ageism/!5969301
[4] /Kultusministerien-verzweifeln-an-TikTok/!6003591
[5] /Cyber-Grooming-im-Netz/!5852788
[6] /Radikalisierung-von-Elon-Musk/!6026915
[7] /Serie-ueber-Musiker-der-90er/!5973653
[8] /Transaktivistin-ueber-TERFs/!5920500
## AUTOREN
Johannes Drosdowski
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