# taz.de -- Tracking und Datensammeln im Netz: Neues aus der Überwachungsbäck… | |
> Wer im Internet unterwegs ist, wird mit vielerlei Methoden überwacht. | |
> Eine ist nun verstärkt im Visier von Datenschützer:innen – und von | |
> Google. | |
Bild: Und wo bitte kann man hier ablehnen? | |
BERLIN taz | Es passiert täglich millionenfach. Ein:e Nutzer:in öffnet | |
eine Webseite. Halbseitenfüllend legt sich ein Banner darüber, der um das | |
Einverständnis wirbt, Cookies zu setzen, persönliche Daten zu verarbeiten, | |
die Nutzenden digital zu verfolgen. Mit Vorliebe ist der Okay-Button groß | |
und grün und damit schnell zu klicken – und hinter einem kleinen grauen | |
Feld „Einstellungen“ verstecken sich die Abgründe des digitalen Trackings. | |
Wer hier nicht zustimmen will, muss Zeit mitbringen. | |
„Cookie-Banner können ein Hindernis sein, eine Webseite zu benutzen“, sagte | |
Christiane Rohleder, Staatssekretärin im Verbraucherschutzministerium Ende | |
Januar bei einer Tagung. „Sie sind oft unübersichtlich und irreführend, | |
teilweise sogar manipulativ gestaltet.“ | |
Ausgerichtet hatte die Tagung ein vom Ministerium beauftragtes Unternehmen, | |
das Design-Leitlinien für nutzer:innenfreundliche Cookie-Banner | |
entwickelt hat. In einer Art freiwilligen Selbstverpflichtung können sich | |
etwa Firmen, Verbände oder Forschungseinrichtungen hier anschließen. Sie | |
sagen dann zu, etwa einen „Ablehnen“-Button anzubieten, der so gestaltet | |
ist wie der „Okay“-Button. Doch der Zulauf ist bislang verhalten. 7 | |
Institutionen haben unterzeichnet, davon nur 2 Unternehmen. | |
Das ist kein Wunder: Die Compliance, also das Einhalten von rechtlichen und | |
ethischen Regeln, ist in Sachen Cookie-Banner überschaubar. So kam der | |
Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) vor anderthalb Jahren bei einer | |
Auswertung von knapp 1.000 Webseiten zu dem Ergebnis: Jedes zehnte | |
Cookie-Banner ist rechtswidrig. Das klingt nicht nach viel, aber: Der | |
Großteil der restlichen Seiten bewegt sich mit seinen Banner-Designs in der | |
rechtlichen Grauzone, so das Ergebnis damals. Zum Beispiel, weil es zwar | |
einen Ablehnen-Button gibt, der aber klein und leicht übersehbar ist. | |
Und heute? „Das Problem ist weiterhin groß“, sagt Florian Glatzner, | |
Referent für Digitales beim vzbv. Zwar gebe es, vor allem als Reaktion auf | |
diverse Klagen, Verbesserungen. So verpflichtete etwa die französische | |
Datenschutzaufsicht Google zu einem Ablehnen-Button – das hatte anscheinend | |
Signalwirkung für die Branche. Trotzdem, sagt Glatzner: „Das Grundproblem | |
bleibt das dahinter liegende, komplett intransparente System des | |
Werbetracking.“ | |
Was sich verbessert, zeigen etwa die Zahlen des österreichischen | |
Datenschutzvereins noyb: [1][Die scannte im Frühjahr 2021 über 3.600 | |
Webseiten und reichte in der Folge mehr als 700 Beschwerden ein], zum | |
Beispiel gegen Anbieter, die auf einen Ablehnen-Button verzichteten. Dann | |
ein zweiter Scan im vergangenen Herbst, also anderthalb Jahre später. | |
Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Seiten habe ihre Banner verbessert | |
und etwa Schaltflächen zum Ablehnen ergänzt oder sichtbarer gemacht – | |
darunter waren auch Anbieter, denen der Verein überhaupt keine Beschwerde | |
geschickt hatte. „Diese Beschwerdewelle hat massive präventive Wirkung“, | |
erklärte Gründer Max Schrems damals. Unternehmen hätten bereits nach der | |
Ankündigung der Aktion umgedacht – auch wenn man selbst noch nicht | |
betroffen gewesen sei. | |
## Wirrwarr der Zuständigkeiten | |
Doch wer ist eigentlich zuständig dafür, den Wildwuchs in der Branche zu | |
beseitigen? Das ist kompliziert. Allein deshalb, weil Cookie-Banner auf | |
zwei unterschiedlichen Regelwerken basieren. | |
Die e-Privacy-Richtlinie regelt den Umgang mit Cookies selbst – wobei nicht | |
klar geregelt ist, wer hier für die Durchsetzung sorgen soll. Viele | |
Anbieter wollen sich mit den Bannern aber auch eine Einwilligung zum | |
darüber hinausgehenden Tracking holen. Hier ist die | |
Datenschutz-Grundverordnung zuständig, also die | |
Datenschutz-Aufsichtsbehörden. Von denen hat allein jedes Bundesland | |
mindestens eine. Dazu kommen weitere, etwa für den Rundfunk, die Kirchen | |
oder Bundesbehörden – ganz zu schweigen von den Aufsichtsbehörden in den | |
anderen EU-Staaten. | |
Entsprechend heterogen ist die Meinungslage. Beim Europäischen | |
Datenschutzausschuss, so etwas wie der Schlichtungsstelle auf EU-Ebene in | |
Datenschutzfragen, gibt es eine extra Arbeitsgruppe dazu. Die hat jüngst | |
eine Art Richtlinie dazu veröffentlicht, wie sie das Recht auslegt. Was | |
demnach nicht geht: Eine schon vorangekreuzte Zustimmung oder wenn die | |
Ablehnen-Option mit mehr Klicks zu erreichen ist als die Zustimmung. Was | |
offen bleibt: Was ist mit Farben und Kontrasten? Darf der Ablehnen-Button | |
klein und kaum zu sehen sein? Wie ist das mit dem Widerruf einer früher | |
erteilten Einwilligung? | |
„Zu einigen strittigen Fragen schweigen die Behörden, zum Beispiel zu | |
irreführenden Button-Farben“, kritisiert daher Felix Mikolasch, | |
Datenschutzjurist bei noyb. Dabei brauche es klarere Leitlinien, um die | |
Nutzer:innen zu schützen.“ Oder die favorisierte Lösung von | |
Staatssekretärin Rohleder: „Am besten wäre es, wenn Webseiten keinen | |
Cookie-Banner brauchen, weil sie kein Werbetracking machen.“ | |
## Industrielle Überwachungsbäckerei | |
Doch von Webseiten ohne Werbetracking sind wir weit entfernt. Denn die | |
Werbeindustrie hat längst nicht nur Cookies im Angebot. Sie betreibt quasi | |
eine Überwachungsbäckerei von industriellem Ausmaß. Prominent in der | |
Auslage: Fingerprinting. Das macht sich zunutze, dass Anbieter über den | |
Browser eine ganze Reihe von Parametern des Betriebssystems herauskriegen | |
können. Die Zeitzone etwa, Auflösung und Farbtiefe des Bildschirms, welche | |
Browsererweiterungen, Treiber und Schriften installiert sind und weitere | |
technische Daten über die im Gerät befindlichen Komponenten wie | |
Grafikkarte. In der Summe ergibt sich damit ein erstaunlich genauer | |
Fingerabruck des Systems. | |
Im Detail gibt es unterschiedliche Facetten des Fingerprinting: Eine | |
erstellt eine Art Audio-Fingerabdruck, eine andere nutzt Canvas, ein | |
HTML5-Element, das, von Nutzer:innen unbemerkt, ein Bild oder einen Text | |
im Browser darstellen. Für alle Arten gilt: Mit dem Fingerprint können | |
Betreiber:innen von Webseiten die Nutzer:innen wiedererkennen. Wer | |
wissen will, wie identifizierbar die eigene Installation ist, kann das zum | |
Beispiel über die Webseite der Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier | |
Foundation (EFF) unter [2][https://coveryourtracks.eff.org/] testen. | |
Am einfachsten ist das Tracking für die Anbieter, wenn ein:e Nutzer:in | |
bei einem Dienst eingeloggt ist, etwa bei Plattformen wie Google, Facebook | |
oder Twitter. Wer dann eine Seite besucht, die Inhalte dieser Plattformen | |
eingebunden hat, wird von den Unternehmen ebenfalls identifiziert. | |
Ähnlich fies: Evercookies. Das sind keine Cookies im eigentlichen Sinn, | |
sondern Javascript-Schnipsel, die gelöschte Cookies wiederherstellen. Der | |
Traum einer jeden Großbäckerei sozusagen. Wie hartnäckig diese Scripte | |
sind, zeigte 2013 Edward Snowden mit einer seiner Veröffentlichungen: | |
Demnach kann oder konnte die NSA mit Evercookies sogar Nutzer:innen des | |
Tor-Browsers identifizieren. Der sollte eigentlich für die größtmögliche | |
Anonymität im Netz sorgen. | |
## Browser mit ein bisschen Schutz | |
Die Gegenseite rüstet daher auf: Einige Browser und diverse | |
Browser-Erweiterungen versuchen, die Nutzer:innen vor den | |
Überwachungstechnologien zu schützen. So blockieren etwa die Browser | |
Firefox und Brave unter anderem standardmäßig Cookies, die nicht vom | |
Webseitenbetreiber selbst kommen, sondern von Dritten – so wird zumindest | |
ein kleiner Teil des Tracking herausgefiltert. Noch schwieriger ist es bei | |
Smartphone-Apps: Sie binden meist großzügig Tracker ein – Nutzer:innen | |
brauchen entweder viel technisches Verständnis oder eine Extra-App wie | |
Tracker Control, um sich zumindest einigermaßen zu schützen. | |
Angesichts des zweifelhaften Rufs, den Tracking insgesamt und Cookies im | |
Speziellen genießen, ist es kein Wunder, dass die Tech-Industrie an | |
Alternativen arbeitet. Google etwa sitzt schon seit einigen Jahren an | |
möglichen Konzepten. Ein erstes, das Nutzer:innen in Kohorten geteilt | |
hätte, um ihnen dann zielgerichtete Werbung anzuzeigen, stellte das | |
Unternehmen nach massiver Kritik wieder ein. Die Befürchtung: | |
Nutzer:innen könnten zu einfach identifiziert werden. | |
Der neue Ansatz heißt „Topics“: Die Nutzenden sollen Interessenkategorien | |
zugeordnet werden. Rund 350 solcher Kategorien nennt Google hier als Zahl, | |
zum Beispiel „Fitness“ oder „Reise und Mobilität“. Daran könnte die W… | |
angepasst werden. Google-Unterlagen zufolge könnte Topics im kommenden Jahr | |
so weit sein. | |
Ob das Konzept tatsächlich zu mehr Datensparsamkeit führt, ist aber noch | |
nicht ausgemacht. „Das Interesse der meisten Beteiligten rund um die | |
Werbeindustrie ist groß, das derzeitige Geschäftsmodell weiterzufahren“, | |
sagt Verbraucherschützer Glatzner. Er fordert daher eine grundlegende | |
Reform des Online-Werbemarktes. | |
Datenschützer:innen haben bereits bei den jüngsten | |
Plattformregulierungen der EU [3][ein Komplettverbot von trackingbasierter | |
Werbung] [4][in die Diskussion gebracht]. Der Vorschlag scheiterte damals – | |
an den Lobbyinteressen der Industrie. | |
20 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Tracking-im-Netz/!5771643 | |
[2] https://coveryourtracks.eff.org/ | |
[3] /Tracking-im-Internet/!5771660 | |
[4] /EU-Abgeordnete-zu-Tracking-im-Internet/!5745038 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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daher nun gegen mehrere hundert Unternehmen vor. |