# taz.de -- Werbetracking bei Onlinemedien: Daten „zum Wucherpreis“ | |
> Eine österreichische NGO hat Beschwerde gegen Medien wie „Spiegel.de“ | |
> eingelegt. Sie sagt: Die Zustimmung zu Werbetracking sei nicht | |
> freiwillig. | |
Bild: NGO hat Beschwerde eingereicht: das „Spiegel“-Verlagshaus in Hamburg | |
Die österreichische Datenschutzorganisation Noyb hat gegen fünf deutsche | |
Onlineportale wie spiegel.de Beschwerde erhoben. Die Leser:innen würden | |
gezwungen, ihre Daten „zum Wucherpreis“ zurückzukaufen, lautet der | |
eigenwillige Vorwurf. Erfolg wird die Beschwerde wohl kaum haben. | |
Noyb steht für „none of your business“ (geht dich nichts an) und ist die | |
Organisation des Wiener Aktivisten [1][Max Schrems], der schon mehrfach | |
erfolgreich gegen Facebook geklagt hat. | |
Diesmal wendet sich Noyb gegen journalistische Onlinemedien, die sogenannte | |
Cookie-Pay-Walls einsetzen. Zum Beispiel bei spiegel.de werden neue | |
Nutzer:innen alsbald vor die Alternative gestellt, entweder der Werbung | |
und dem „üblichen Tracking“ zuzustimmen oder ein „Pur-Abo“ für 4,99 E… | |
pro Monat abzuschließen. Mit diesem Abo könne man spiegel.de „ganz ohne | |
Werbetracking und praktisch werbefrei“ lesen, so der Verlag. | |
Mit Werbetracking ist gemeint, dass spiegel.de und seine Partner | |
registrieren, für welche Artikel und Themen sich jemand interessiert. | |
Daraus wird ein persönliches Profil mit personalisierter Werbung erstellt. | |
Bei spiegel.de werden 190 Partnerunternehmen aufgezählt, die aber wiederum | |
mit weiteren Partnern zusammenarbeiten. Die gesamte Kette des Datenhandels | |
sei vermutlich nicht einmal für den Spiegel überschaubar, vermuten die | |
Datenschützer:innen. | |
Noyb geht davon aus, dass Leser:innen, die trotzdem dem Datentracking bei | |
spiegel.de zustimmen, das nicht freiwillig tun. Und ohne freiwillige | |
Einwilligung sei das Datentracking illegal. Die Organisation hat daher bei | |
der Hamburger Datenschutzbehörde, die für den Spiegel zuständig ist, Mitte | |
August eine Beschwerde eingereicht. Entsprechende Beschwerden betreffen | |
zeit.de, faz.net, heise.de und t-online.de. Die Eingaben gingen hier an die | |
Behörden in Hamburg, Hessen, Niedersachsen und NRW. Die | |
Datenschutzbeauftragten sollen jeweils die Praxis unterbinden und | |
abschreckende Strafen verhängen. | |
Doch warum soll die Zustimmung zum Datentracking nicht freiwillig sein? | |
Noyb listet in seiner 36-seitigen Spiegel.de-Beschwerde mehrere Gründe auf. | |
So nutze der Spiegel ein „Ungleichgewicht“ aus, das aus seiner Position als | |
marktbeherrschendes Leitmedium folge. Das ist gewagt. Denn beim | |
„Ungleichgewicht der Macht“ ging es bisher vor allem um Einwilligungen | |
gegenüber Behörden und Arbeitgeber:innen, nicht gegenüber Onlinemedien. | |
## „Spiegel“ reagierte fast schon defensiv | |
Auch das Argument, bei Verweigerung der Einwilligung drohten „beträchtliche | |
Nachteile“, ist erstaunlich. Noyb bezeichnet den Preis eines Pur-Abos für | |
4,99 Euro pro Monat als „wucherisch“. Sie argumentieren so, als würde die | |
Summe nur dafür bezahlt, dass die Daten der Leser:innen nicht verhökert | |
werden. Die eigentliche Gegenleistung des Spiegels für den Abo-Preis | |
besteht aber in einem journalistischen Angebot, das einer Tageszeitung | |
entspricht und für monatlich 5 Euro sehr günstig wäre. | |
Der Spiegel reagierte in einer ersten Stellungnahme fast schon defensiv. | |
Die Tracking-Zustimmung sei zwar sicher freiwillig, aber man überlege | |
durchaus, das Pur-Abo zu verbilligen. Das Modell sei jung und die Preise | |
noch „ein Stück weit experimentell“. | |
Am erfolgsträchtigsten könnte der [2][Noyb]-Hinweis auf das Kopplungsverbot | |
der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sein. Damit ist gemeint, dass beim | |
Abschluss eines Vertrags nicht die Zustimmung zu einer Datennutzung | |
verlangt werden darf, die für die Abwicklung des Geschäfts nicht | |
erforderlich ist. Bei spiegel.de heißt das laut Noyb: Für das Lesen des | |
journalistischen Angebots ist das Werbetracking nicht erforderlich, deshalb | |
kann auch hierzu keine Zustimmung verlangt werden. | |
Noyb bestreitet, dass das Tracking für die Finanzierung von spiegel.de | |
relevant sei. Der größte Teil der Einnahmen aus personalisierter Werbung | |
bleibe bei anderen Firmen; beim Spiegel wären das 190 Partnerunternehmen, | |
denen die Leserdaten zur Verfügung gestellt werden. Doch beim | |
Kopplungsverbot ist rechtlich vieles noch ungeklärt. Außerdem sind laut | |
DSGVO Ausnahmen möglich. Vielleicht helfen die Noyb-Beschwerden bei der | |
Klärung von Zweifelsfragen. | |
Was Noyb nicht erwähnt: In Österreich hat die Datenschutzbehörde 2018 | |
entschieden, dass das „Pay oder Okay“-Modell des Onlinemediums standard.at | |
zulässig ist. Die Zustimmung von Leser:innen zum [3][Tracking] sei | |
freiwillig, wenn als Alternative ein Pur-Abo für 6 Euro im Monat angeboten | |
wird. | |
Das sei „keine unverhältnismäßig teure Alternative“, so die österreichi… | |
Datenschutzbehörde. Es drohe deshalb „bei weitem kein wesentlicher | |
Nachteil“, wenn Leser:innen keine Einwilligung zum Tracking geben. | |
25 Aug 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Datenschutzaktivist-ueber-digitale-Spuren/!5472574 | |
[2] /Experte-ueber-Firma-fuer-Gesichtserkennung/!5777930 | |
[3] https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2021-04/apple-werbe-tracking-bundes… | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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