| # taz.de -- Experte über Firma für Gesichtserkennung: „Einschüchternde Wir… | |
| > Das US-Unternehmen Clearview speichert in seiner biometrischen | |
| > Fotodatenbank auch Europäer:innen. Das will die Datenschutzorganisation | |
| > noyb beenden. | |
| Bild: Alles genau im Blick: Clearview hat eine gigantische Gesichterdatenbank a… | |
| taz am wochenende: Herr Dahi, warum beschäftigen Sie sich mit dem | |
| US-Unternehmen Clearview? | |
| Alan Dahi: [1][Clearview hat Milliarden von Gesichtsfotos aus dem Internet | |
| zusammengesammelt] und biometrisch vermessen. Diese Datenbank bietet | |
| Clearview den US-Sicherheitsbehörden und eventuell auch Privatunternehmen | |
| für biometrische Fahndungen an. Der Kunde reicht das Foto einer unbekannten | |
| Person ein, und Clearview findet heraus, wer die Person ist. Der Aufbau | |
| einer derartigen biometrischen Fotodatenbank verstößt eindeutig gegen | |
| EU-Recht. | |
| Aber Clearview sitzt in den USA und bietet seinen Service gar nicht in | |
| Europa an. Warum soll Clearview sich an EU-Recht halten? | |
| Clearview war durchaus schon in Europa aktiv. So arbeitete die schwedische | |
| Polizei zeitweise mit Clearview zusammen, bis ihr das die schwedische | |
| Datenschutzbehörde verbot. Vor allem aber enthält Clearviews Datenbank auch | |
| Fotos und biometrische Informationen von Millionen EU-Bürgerinnen und | |
| -Bürgern. | |
| Sind das nicht Fotos, die im Netz für jeden sichtbar sind? | |
| Ja, sie sind mehr oder weniger frei zugänglich. Das heißt aber nicht, dass | |
| man die Fotos ohne Einwilligung speichern, biometrisch vermessen und aus | |
| den biometrischen Daten eine Fahndungsdatenbank aufbauen darf. Das alles | |
| verstößt eindeutig gegen die EU-Datenschutz-Grundverordnung. | |
| Ist Clearview nicht einfach eine Suchmaschine für Bilder? Was ist der | |
| Unterschied zu Google, das alle Webseiten der Welt in seinen Serverfarmen | |
| speichert? | |
| Die biometrische Auswertung von Fotos ist ein deutlich tieferer Eingriff | |
| als die Aufnahme von Webseiten, die grundsätzlich indiziert werden wollen. | |
| Um eine Person zu erkennen, [2][wird das Gesicht genau vermessen,] über 500 | |
| Datenpunkte werden gespeichert. Solche biometrischen Daten gelten nach | |
| EU-Recht als besonders schützenswert. | |
| Google kann auch nach Fotos suchen. Was ist daran anders? | |
| Wenn ich bei der Google-Bildersuche ein Foto hochlade, dann zeigt sie an, | |
| auf welchen Seiten das identische Foto zu finden ist. Wenn es im Netz keine | |
| übereinstimmenden Fotos gibt, zeigt die Google-Bildersuche nur „optisch | |
| ähnliche Bilder“ an, bei denen so gut wie nie die richtige Person dabei | |
| ist. Googles Bildersuche ermöglicht also keine Erfolg versprechende | |
| biometrische Fahndung wie in der Datenbank von Clearview. | |
| Warum sollten sich EU-Bürger:innen daran stören, wenn ein US-Unternehmen | |
| ihre Gesichtsdaten verarbeitet? | |
| Weil es eine einschüchternde Wirkung haben kann, wenn ein Unternehmen alle | |
| öffentlich verfügbaren Bilder für Sicherheitszwecke auswertet. Da die | |
| Technik nicht perfekt ist, kommt es dabei immer wieder zu Fehlzuordnungen, | |
| das heißt, es entsteht ein falscher Verdacht. Das Unwohlsein über die nicht | |
| absehbaren Folgen könnte dazu führen, dass Menschen sich im Netz nicht mehr | |
| mit Fotos präsentieren, obwohl sie eigentlich Lust dazu hätten oder dies | |
| nützlich fänden. | |
| Gilt ihre Kritik auch für das polnische Unternehmen PimEyes? | |
| Ja, PimEyes arbeitet ganz ähnlich wie Clearview und bietet seine Dienste | |
| sogar Privatpersonen an – ab 24,99 Dollar im Monat. Das Unternehmen hat | |
| seinen Sitz jetzt zwar auf die Seychellen verlegt. Aber auch PimEyes | |
| verstößt gegen EU-Recht, weil es die Fotos von EU-Bürgerinnen und -Bürgern | |
| auswertet. Früher oder später werden wir auch gegen PimEyes vorgehen. | |
| Ihre Organisation noyb („none of your business“) hat sich bei der | |
| österreichischen Datenschutzbehörde über Clearview beschwert, was ist Ihr | |
| Ziel? | |
| Wir wollen, dass Clearview untersagt wird, die Fotos von EU-Bürgerinnen und | |
| -Bürgern zu speichern und biometrisch auszuwerten. Außerdem soll gegen | |
| Clearview eine hohe Geldstrafe verhängt werden. | |
| Ähnliche Beschwerden gibt es bei den Behörden in Frankreich, | |
| Großbritannien, Italien und Griechenland. Warum in diesen Ländern? | |
| Wir sind ein Bündnis aus fünf Datenschutzorganisationen. Jede Organisation | |
| hat in ihrem Staat eine Beschwerde gegen Clearview eingereicht. | |
| Was ist mit Deutschland? | |
| [3][Matthias Marx, ein Aktivist des Chaos Computer Club], hat schon voriges | |
| Jahr die Hamburger Datenschutzbehörde aktiviert. | |
| Wie geht es weiter? | |
| Die Behörden haben bis Ende August Zeit, um Stellung zu nehmen. Da es um | |
| ein europaweites Thema geht, werden sie sich mit allen | |
| EU-Datenschutzbehörden absprechen. | |
| Wäre es überhaupt möglich, die Fotos und Daten aller EU-Bürger:innen aus | |
| der Datenbank von Clearview zu entfernen? Ein Foto sagt ja nichts darüber | |
| aus, welche Staatsangehörigkeit die abgebildete Person hat. | |
| Das ist nicht unser Problem. Wenn es nicht möglich ist, die Daten von | |
| EU-Bürgerinnen und -Bürgern zu löschen, dann muss Clearview eben den | |
| Betrieb ganz einstellen. Es gibt aber auch in den USA schon Klagen gegen | |
| das Geschäftsmodell. Datenschutz ist kein europäischer Spleen. | |
| 26 Jun 2021 | |
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