# taz.de -- Hamburger gegen US-Überwachungsfirma: Big Deal mit Daten | |
> Eine US-Firma ermöglicht Behörden eine automatisierte Gesichtserkennung | |
> mit Hilfe einer Mega-Datenbank. Der Hamburger Matthias Marx geht dagegen | |
> vor. | |
Bild: Wird schon von Sheriffs aus Florida genutzt: Clearview-Datenbank im Einsa… | |
HAMBURG taz | Im Januar vorigen Jahres las der Hamburger Matthias Marx | |
einen Artikel in der New York Times. Darin wurde von einem | |
[1][US-amerikanischen Start-up berichtet], das einen gigantischen | |
Datenschatz aufgebaut hatte: Clearview AI hatte sich über drei Milliarden | |
Bilder aus dem Internet gezogen, [2][auf denen Gesichter von Menschen zu | |
erkennen sind]. | |
Marx fand heraus, dass das Unternehmen auch Bilder von ihm besitzt – ohne | |
dass er darüber informiert wurde oder seine Zustimmung dazu gegeben hätte. | |
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte hat deshalb nun ein Verfahren gegen | |
Clearview eingeleitet. | |
„Ich hatte Grund zu der Annahme, dass Clearview auch Bilder von mir | |
besitzt“, sagt Marx, der an der Uni Hamburg eine Promotion über Anonymität | |
im Internet schreibt. „Das stimmte auch.“ Er schrieb das Unternehmen an, | |
fragte nach, ob es auch von ihm personenbezogene Daten und Bilder besäße – | |
und wem es sie zugänglich mache. Darüber berichtete der Spiegel. | |
Indem Clearview Firmen oder Behörden den Zugang zu seiner Datenbank | |
verkauft, verdient es sein Geld: Dann kann etwa eine Polizeibehörde die | |
Gesichtserkennungs-App von Clearview nutzen, darüber [3][Fotos hochladen | |
und diese mit Informationen aus der Datenbank abgleichen]. | |
## Datenschutzbeauftragter gegen Clearview | |
So kommen die Behörden an Daten von Menschen, von denen sie selbst noch | |
keine Informationen haben. Clearview sammelt nicht nur Fotos, sondern noch | |
weitere persönliche Daten, um damit wiederum an noch mehr Daten zu kommen. | |
„Nachdem ich durch die Antwort des Unternehmens herausfand, dass es | |
biometrische Daten von mir verwendet, habe ich mich an Johannes Caspar | |
gewandt“, sagt Marx. Caspar ist der Hamburgische Beauftragte für | |
Datenschutz. | |
Seine Behörde schickte einen Fragenkatalog an das Unternehmen. „Die Fragen | |
wurden lediglich ausweichend beantwortet“, sagt Caspars Sprecher Martin | |
Schemm. Caspar bohrte nach unter Androhung eines Strafgeldes von je 10.000 | |
Euro für jede unbeantwortete der insgesamt siebzehn Fragen. | |
Die dann eingereichten Antworten des Unternehmens ließen den | |
Datenschutzbeauftragten zu der Ansicht kommen, dass Clearview gegen die | |
europäische Datenschutz-Grundverordnung verstößt. „Das Unternehmen zieht | |
alle Bilder aus dem Internet, um damit seine Datenbank immer weiter | |
auszubauen“, sagt Schemm. | |
## Europaweites Verbot gegen Clearview nicht in Sicht | |
Betroffen sind davon auch europäische Bürger:innen. Die | |
Datenschutz-Verordnung aber schützt Europäer:innen vor Datenverarbeitung | |
auch in Ländern außerhalb der EU. | |
Dass das Unternehmen keine Niederlassung in Europa hat, sei demnach | |
unerheblich. Clearview müsste dennoch die Zustimmung jeder Person zu | |
personenbezogener Datenverarbeitung haben. Unerheblich sei auch, dass das | |
Unternehmen auf seiner Homepage ein Formular bereithält. Damit können | |
EU-Bürger:innen Clearview auffordern, nicht mehr in Suchergebnissen | |
aufgelistet zu werden. Von einer Löschung aller Daten ist aber keine Rede. | |
14 Tage hat das Unternehmen Zeit, die vom Datenschutzbeauftragten | |
geforderte Löschung von Daten vorzunehmen. Die österreichische | |
Zivilorganisation NOYB, die sich für digitale Bürger:innenrechte | |
einsetzt und auch Marx vertritt, hätte sich vom Datenschutzbeauftragten den | |
Ausspruch [4][eines europaweiten Verbots gegenüber Clearview gewünscht]. | |
„Wir können nur in einen konkreten Fall eingreifen“, sagt Schemm. Das | |
Löschen aller Daten, die Clearview von Europäer:innen besitzt, könne der | |
Datenschutzbeauftragte nicht erwirken. Ob Clearview der Aufforderung Folge | |
leistet, ist noch unklar. Sollte es sich weigern, müsste ein Gericht | |
entscheiden, ob ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung vorliegt. | |
1 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Software-zur-Gesichtserkennung/!5659203 | |
[2] https://www.nytimes.com/2020/01/18/technology/clearview-privacy-facial-reco… | |
[3] /Gesichtserkennung-im-Netz/!5655672 | |
[4] https://noyb.eu/de/clearview-ais-biometrische-fotodatenbank-der-eu-illegal | |
## AUTOREN | |
André Zuschlag | |
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