# taz.de -- Sicherheitspaket und Grenzkontrollen: Ampel schottet ab | |
> Innenministerin Faeser verkündet Grenzkontrollen und Zurückweisungen. Die | |
> Ampel-Fraktionen wollen noch diese Woche Gesetzesverschärfungen | |
> beschließen. | |
Bild: Mag jetzt restriktive Asylpolitik: Nancy Faeser | |
Berlin taz | Jetzt soll es Schlag auf Schlag gehen. Bereits am Donnerstag | |
sollen die [1][Gesetzesverschärfungen in der Migrations- und | |
Sicherheitspolitik], welche die Ampel nach dem [2][islamistischen Attentat | |
von Solingen] ankündigte, in erster Lesung in den Bundestag gehen. Und | |
bereits am Montag verkündete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), dass | |
sie bei der Europäischen Kommission Kontrollen an allen deutschen Grenzen | |
für die nächsten sechs Monate notifizierte. Diese sollen ab dem 16. | |
September gelten und zu einer „massiven Ausweitung“ von Zurückweisungen von | |
Geflüchteten führen. | |
Damit verschärft die Ampel-Regierung nochmals deutlich ihre | |
Migrationspolitik. Denn nicht nur die Grünen, auch Faeser hatte lange die | |
Grenzkontrollen zurückgewiesen, mit Verweis auf die europäische | |
Freizügigkeit oder die Belastung für Pendler*innen. Schon zuletzt aber | |
hatte Faeser Grenzkontrollen zu Österreich, zur Schweiz, zu Tschechien und | |
Polen bis zum Jahresende verhängt. Diese werden nun noch weiter verlängert. | |
Dazu kommen nun auch Kontrollen an den Grenzen zu Frankreich, Luxemburg, | |
den Niederlanden, Belgien und Dänemark. | |
„Wir stärken die innere Sicherheit und setzen unseren harten Kurs gegen die | |
irreguläre Migration fort“, erklärte Faeser am Montagnachmittag. Zugleich | |
kündigte sie an, dass die Zahl der Zurückweisungen von Geflüchteten an der | |
Grenze deutlich steigen solle. Man habe dafür europarechtlich konforme Wege | |
gefunden. Welche, das ließ Faeser offen. Sie wolle darüber zunächst am | |
Dienstag mit der Union reden, erklärte sie. | |
Faeser verwies darauf, dass bereits seit Oktober 2023 mehr als 30.000 | |
Zurückweisungen an den deutschen Grenzen erfolgten, bei Personen, die keine | |
gültigen Dokumente vorlegten oder kein Asylgesuch vorbrachten. Die | |
Auswirkungen der künftigen Kontrollen auf Pendler*innen sollten „so | |
gering wie möglich“ gehalten werden, versprach Faeser. | |
## Österreich will keine Zurückgewiesenen aufnehmen | |
[3][Das Europarecht schließt direkte Zurückweisungen an der Grenze | |
allerdings aus]: Geflüchtete müssen zunächst ins Land gelassen werden, um | |
dort zu prüfen, welcher EU-Staat für das Asylverfahren zuständig ist. Und | |
Österreich erklärte bereits, dass es keine zurückgewiesenen Geflüchteten | |
aus Deutschland aufnehmen werde. Auch die Grünen hatten die Zurückweisungen | |
zuletzt als „rechtswidrig“ kritisiert. | |
Bereits vergangenen Dienstag aber hatte sich die Ampel mit | |
Vertreter*innen der Union [4][zu Gesprächen über Verschärfungen in der | |
Migrations- und Sicherheitspolitik] getroffen. CDU-Chef Friedrich Merz | |
hatte danach ein Ultimatum gestellt: Man werde die Gespräche nur | |
fortführen, wenn es zu Grenzkontrollen und Zurückweisungen komme. Dem kommt | |
die Ampel nun nach. Die zweite Gesprächsrunde soll diesen Dienstag folgen. | |
Und die Ampel drückt auch anderweitig aufs Tempo. Im Umlaufverfahren | |
beschoss die Regierung am Montag weitere angekündigte Verschärfungen in der | |
Asyl- und Sicherheitspolitik. Das Ziel: mehr Abschiebungen, | |
Leistungskürzungen für Geflüchtete, Messerverbote, mehr Befugnisse für die | |
Polizei. Nun sollen die Ampel-Fraktionen im Bundestag zügig nachziehen. | |
Bereits am Wochenende hatten Faesers Innenministerium und das | |
Bundesjustizministerium von Marco Buschmann (FDP) Formulierungsvorschläge | |
für die entsprechende Gesetzesänderungen an die Ampelfraktionen verschickt. | |
Diese wollten diese am Montagabend in ihren Fraktionssitzungen beschließen. | |
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte der taz, man wolle „zügig vorankommen | |
und das Sicherheitspaket noch in dieser Woche in erster Lesung beraten“. | |
Das würde man „ein sehr zeitnahes Inkrafttreten ermöglichen“. Auch | |
Justizminister Buschmann erklärte, er werbe „für hohes Tempo“ und eine | |
Beratung des Pakets noch diese Woche. FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin | |
bekräftigte, man werde das Paket im Bundestag „zügig umsetzen“, damit die | |
Maßnahmen „so schnell wie möglich genutzt werden können“. Das Vorhaben | |
dürfe nun „nicht zerredet werden“. | |
## Grüne pochen auf „ordentliches Verfahren“ | |
Das zielt auf die mitregierenden Grünen, die mit einigen der Asylmaßnahmen | |
hadern. Das Paket noch diese Woche in den Bundestag einzubringen, trägt die | |
Fraktion aber mit. Man wolle für eine „sachgemäße parlamentarische | |
Beratung“ sorgen, sagte Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic der | |
taz. Nach der ersten Lesung aber will die Fraktion nochmal intensiver | |
beraten. „Wir wollen in einem ordentlichen Verfahren mit | |
Sachverständigenanhörungen und Ausschussbefassung am Gesetzespaket | |
arbeiten, damit es hält, was es verspricht, nämlich einen realen Zugewinn | |
an Sicherheit.“ | |
Die Gesetzesvorschläge der Ministerien verteilen sich auf zwei Papiere, | |
zusammen rund 80 Seiten stark. Sie liegen der taz vor. Mehrere Maßnahmen | |
sollen ohne Zustimmung des Bundesrats verabschiedet werden. Darunter ein | |
stärkerer Druck auf Geflüchtete mit Dublin-Status, in das Erstaufnahmeland | |
zurückzukehren: Nur noch zwei Wochen sollen sie künftig | |
Asylbewerberleistungen erhalten, danach nur noch Sachleistungen oder | |
Wertgutscheine. | |
Auch sollen Geflüchtete ihren Schutzstatus verlieren, wenn sie wegen | |
antisemitischen, rassistischen oder anderweitig menschenverachtenden | |
Straftaten verurteilt werden. Gleiches soll gelten, wenn Straftaten mit | |
Messern begangen werden oder wenn eine Verurteilung für Landfriedensbruch, | |
also Straftaten bei Demonstrationen, von einem Jahr oder mehr erfolgt. | |
Auch zwischenzeitliche Rückreisen in die Herkunftsländer sollen künftig zur | |
Aberkennung des Schutzstatus führen – es sei denn, dies erfolgt bei Todes- | |
oder schweren Krankheitsfällen von Angehörigen. Jede Rückreise muss der | |
Ausländerbehörde angezeigt werden. Um die Identität von Geflüchteten | |
schneller klären zu können, soll das Bundesamt für Migration und | |
Flüchtlinge öffentliche Daten aus dem Internet biometrisch abgleichen | |
dürfen. | |
Zudem sollen künftig Messer bei öffentlichen Veranstaltungen, an | |
„kriminalitätsbelasteten“ Orten, in Zügen, Bussen oder Haltestellen | |
grundsätzlich verboten werden. Ausnahmen gelten für den Transport eines | |
gekauften Messers nach Hause oder etwa für Markthändler*innen. Die Polizei | |
soll hier mehr Befugnisse für Kontrollen erhalten. Springmesser sollen – | |
unabhängig von der Klingenlänge – generell verboten werden. Ausnahmen | |
gelten nur „im beruflichen und jagdlichen Umfeld“. | |
## Harsche Kritik von Pro Asyl | |
Auch sollen individuelle Waffenverbote leichter erteilt werden, indem | |
Waffenbehörden hierfür auch in öffentlichen Quellen recherchieren und | |
leichter Daten mit anderen Behörden austauschen dürfen. Zudem sollen | |
Finanzermittlungen des Bundesamt für Verfassungsschutz in der | |
extremistischen Szene verbessert werden – dies soll nun auch für nicht | |
gewaltorientierte Gruppen gelten. | |
Andere Vorhaben werden noch die Zustimmung des Bundesrats brauchen. Etwa | |
neue Befugnisse für das BKA und die Bundespolizei zur automatisierten | |
Analyse von internen Daten. Oder ein [5][Abgleich von Onlinedaten mit Fotos | |
und Stimmen von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen], der künftig | |
erlaubt werden soll. | |
[6][Initiativen wie Pro Asyl warnten], mit den geplanten Maßnahmen würden | |
„Grundwerte der Verfassung“ angegriffen, die Debatte sei „sozialpolitisch… | |
Gift“. Auch die Grüne Jugend forderte am Wochenende ein Abbruch der | |
Gespräche mit der Union: Die Strategie, aus Angst vor Rechten ihnen immer | |
weiter hinterherzurennen, gehe am Ende stets nach hinten los – und sporne | |
die Rechten nur immer mehr an. | |
9 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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