# taz.de -- Asylrechtsverschärfungen: Mein Deutschland bleibt offen | |
> Die Asyldebatte verschärft sich. Menschenrechte stehen auf dem Spiel. 32 | |
> Prominente sagen: Wir wollen ein offenes Land. | |
Bild: Lieber Bunt statt Schwarz-Rot-Gold! | |
Mein Deutschland bleibt offen, weil es sonst bald nur noch zwei Farben hat: | |
Grau und Braun. Wie traurig wird das! Es braucht Mut zum Buntsein, aber es | |
ist so viel schöner und aufregender!Cornelia Funke, Autorin | |
Was wird aus der Europäischen Union werden, wenn es das Programm von immer | |
mehr Regierungsparteien ist, Menschenrechte mit Füßen zu treten? Ich kann | |
den Satz „Wehret den Anfängen!“ nicht mehr hören. Wir sind bereits | |
mittendrin.Michel Friedman, Jurist und Publizist | |
Die Vorstellung einer in sich geschlossenen „Festung Europa“, auch einer | |
„Festung Deutschland“, in allen Dimensionen ist nicht zukunftsfähig. Europa | |
bedeutet für mich Offenheit, Begegnung von Kulturen und Völkern, | |
Integration, Aufnahme neuer Ideen, Neugierde. Mich prägt darin das starke | |
Wort von Johannes Paul II.: Wenn man Europa sagt, soll das Öffnung heißen – | |
apertura! Kardinal Reinhard Marx | |
Mit „Mein Deutschland …“ zeigt sich bereits ein Denkfehler, denn es geht | |
nicht um ein Land – und schon gar nicht um „mein Land“. Es geht um das | |
universelle Recht jedes Individuums auf körperliche und seelische | |
Unversehrtheit und das Unrecht, jenen, die dieses Recht suchen oder | |
bewahren wollen, ihr Menschsein abzuerkennen, um sie an [1][Grenzen] nach | |
vermeintlicher Nützlichkeit aussortieren zu können. Samira El Ouassil, | |
Autorin und Podcasterin | |
Ein offenes Deutschland bedeutet für mich Inklusion, Solidarität und | |
Teilhabe. Es ist ein Ort, an dem jeder Mensch in Würde leben kann. Nur | |
durch gegenseitige Wertschätzung und Unterstützung können wir uns als | |
Gesellschaft stärken und gemeinsam wachsen. Gianni Jovanovic, Aktivist und | |
Performer | |
Ich will nicht in einem Land ohne Migranten leben, Deutschland nur mit | |
Biodeutschen wäre furchtbar. Christiane Rösinger, Musikerin und Autorin | |
Menschenrechte sind unteilbar und unverhandelbar. Sie gelten universell. | |
Jedem Geflüchteten steht ein rechtsstaatliches Aufnahmeverfahren zu. Wer | |
die Grenzen schließen will, verrät die Menschenrechte, die grundlegende | |
Idee von offener Gesellschaft und Freiheit und leugnet die historische wie | |
gegenwärtige Verantwortung Deutschlands und Europas für Fluchtursachen. | |
Ilko-Sascha Kowalczuk, Historiker | |
Es ist kein Verdienst, zu leben, wo man lebt / solidarité avec les | |
sans-papiers. Jens Friebe, Musiker | |
Mein Deutschland bleibt offen, weil Vielfalt unsere größte Stärke ist. Für | |
ein Land, in dem die Würde aller Menschen unantastbar ist. Mirrianne Mahn, | |
Autorin | |
Deutschland ist so sicher wie seit Jahrzehnten nicht mehr! Und wir brauchen | |
weiter Zuwanderung, um uns kulturell, geistig, seelisch und als | |
demokratischer Staat weiterzuentwickeln. Hans-Jochen Wagner, Schauspieler | |
Die Herausforderungen unserer Zeit vom Krieg in Europa, den 50 Shades of | |
Autoritarismus bis hin zum [2][Klimawandel] sind überwältigend groß. Das | |
können wir nur gemeinsam lösen, wenn wir unsere unterschiedlichen | |
Perspektiven und Erfahrungen, Qualifikationen und Erkenntnisse als den | |
Reichtum erkennen, der eine Chance ist, die Zukunft nicht aus der Hand zu | |
geben. Die Grundlage dafür ist es, jeden einzelnen als Menschen zu sehen, | |
nicht als Zahl, nicht als Problem und schon gar nicht als Sache. Anne Rabe, | |
Autorin | |
Die Verschärfungen des Asylrechts, die wir in letzter Zeit erlebt haben, | |
sind beunruhigend. Statt Menschenrechte zu stärken, erleben wir eine | |
zunehmende Abschottungspolitik, die sich immer mehr an den extremen | |
Positionen orientiert. Für mich ist klar: Wir dürfen uns von | |
rechtspopulistischen Kräften nicht treiben lassen. Ein Deutschland, das | |
seine Türen verschließt, verliert nicht nur seinen humanitären Anspruch, | |
sondern auch einen Teil seiner Menschlichkeit. Raúl Krauthausen, | |
Inklusionsaktivist | |
Mein Deutschland bleibt offen, weil in der Welt noch so viele wertvolle | |
Menschen sind, auf die ich neugierig bin. Wie traurig wäre es, nur in der | |
eigenen Suppe zu schmoren. Wie unmenschlich wäre es, Menschen in Not nicht | |
zu helfen. Wie sehr würden wir uns das auch wünschen, wären wir in ihrer | |
Lage. Wie arrogant ist es, wenn wir das vergessen. Katty Salié, Moderatorin | |
Die aktuelle Asyl- und Migrationsdebatte wird politisch und medial | |
künstlich aufgeblasen, um von den wirklichen globalen Problemen abzulenken: | |
von den Kriegen und der Klimakatastrophe. Sich darum zu kümmern, scheint | |
aber zu abstrakt, zu mühsam, zu unpopulär. Da macht man lieber ein paar | |
Migranten zum Übel der Nation, die kann man jedenfalls sehen und ausweisen, | |
mit dem Klima geht das weniger leicht. Ein Anbiedern an Nazis war nie eine | |
gute Strategie, da sollte man die Brandmauer bauen und nicht um dieses | |
Land. Johannes Hendrik Langer, Schauspieler | |
Die politische Mitte erliegt wieder einer Sündenbock-Erzählung, bei der | |
alle strukturellen Probleme in unserem Land auf Migration zurückzuführen | |
sein sollen. Stattdessen braucht Deutschland ein neues Narrativ, das die | |
gelebte Vielfalt in unserem Land positiv beschreibt und in dem sich alle | |
hier lebenden Menschen wiederfinden können. Wir müssen weg von einem „Die“ | |
hin zu einem gemeinsamen „Wir“. Hier sind die demokratischen Parteien der | |
Mitte genauso gefordert wie jeder einzelne Bürger dieses Landes, der keine | |
Lust mehr darauf hat, neuen Herausforderungen mit alten Strategien zu | |
begegnen. Tyron Ricketts, Musiker und Schauspieler | |
Ein offenes Deutschland ist der Schlüssel zu einer gerechten und | |
solidarischen Gesellschaft. Wir dürfen uns nicht von Angst, Wut oder | |
Ohnmacht leiten lassen, sondern müssen die Menschenrechte für alle | |
verteidigen. Maria Popov, Moderatorin | |
Wenn wir so weitermachen, ist dieser Staat wirklich in Gefahr. Es muss ein | |
ganz anderes positives Gefühl von Zusammenarbeit an der Gesellschaft | |
entstehen. Dazu gehört, dass wir alle, die hier leben, erst mal als | |
Menschen sehen, und nicht aufteilen, abgrenzen und nur uns selbst sehen. | |
Wolfgang Tillmans, Künstler | |
Ich möchte mich bei meinen Freund*innen aus Syrien, Iran und der Ukraine | |
für die vielen Dinge bedanken, die ich mit ihnen erleben und von ihnen | |
lernen kann. Seit 2015 bereichern sie mein Leben und meine Arbeit. Und ich | |
wünsche meinen hartherzigen Landsleuten, sie mögen sich und uns den Weg in | |
eine solche Bereicherung nicht immer weiter verbauen. Heike-Melba Fendel, | |
Journalistin | |
Es hilft nur DISKUTIEREN, immer neue Foren schaffen, auf denen die | |
[3][AfDler] etc. sich der Öffentlichkeit stellen und das „Fakten checken“ | |
zur Richtschnur zu machen. Migration nie ohne Integration thematisieren. | |
Hanns Zischler, Schauspieler | |
Angst verbreitet sich leichter als Hoffnung. Es ist die billigste Variante | |
von Politik, Menschen Angst zu machen und ihnen dann vermeintliche Lösungen | |
anzubieten. Margarete Stokowski, Autorin und Kolumnistin | |
Die Vielfalt unserer Gesellschaft ist eine Realität, die gestaltet werden | |
muss. Das gelingt, wenn wir endlich konkret über das Wie sprechen, statt | |
Geflüchtete als Reaktion auf Wahlerfolge von rechts zu instrumentalisieren. | |
Grenzen vor Schutzsuchenden zu schließen, verletzt historisch hart | |
erkämpfte Grundrechte – und stellt unsere eigenen Werte, unsere | |
Menschlichkeit in Frage. Deborah Schnabel, Direktorin der Bildungsstätte | |
Anne Frank | |
Abgesehen von den fehlenden Fachkräften braucht jede Gesellschaft | |
Expert*innen wie Migrant*innen oder auch Kulturschaffende, die mit | |
kreativen Lösungen Krisen überwinden, denn das ist, was uns in Zukunft mehr | |
und mehr erwartet, von der Klimakrise bis zu immer näher rückenden Kriegen. | |
Eine offene und demokratische Gesellschaft steht zu den Menschenrechten und | |
dem Recht auf Asyl und ist kein Fähnchen im Wind, das sich vor den Karren | |
der Rechtsextremen spannen lässt. Die Kunst, VIELE zu bleiben. Bernadette | |
La Hengst, Regisseurin und Musikerin | |
Abgesehen davon, dass ich nicht recht weiß, was „mein“ Deutschland ist, | |
empfinde ich die aktuellen Panikreaktionen einhergehend mit schnellen | |
„Grenzdichtmachungen“ inklusive „testweise Zurückweisungen“ (Friedrich | |
Merz) als beschämend und dumm. Und – das Menschenrecht auf Asyl wird so | |
faktisch aufgekündigt. In einer sicher komplexen Zeit unterkomplex lösen zu | |
wollen, sollte eher Gebell von populistischen Vereinfachern bleiben. | |
Schorsch Kamerun, Sänger und Autor | |
Das Einstehen für offene Grenzen und die bereitstehende Willkommenskultur | |
für Menschen in einer Notlage muss nicht immer kompliziert verargumentiert | |
werden und ließe sich auf viel basalere Grundsätze zurückführen: | |
Zwischenmenschlichkeit und Vernunft. Sich abzuschirmen oder gar Grenzen | |
durch eine Mauer zu beenden, hat sich nie als effizient erwiesen und ist | |
nicht nur ein Mal schiefgelaufen. Tahsim Durgun, Influencer und Comedian | |
Die gegenwärtige Kampagne gegen Geflüchtete widerspricht nicht nur | |
gesetztem Recht und Menschlichkeit, sie ist auch geprägt von einer maßlosen | |
und regressiven Verkennung der Realität. Statt die neuen Solidaritäten | |
einer Migrationsgesellschaft auszuloten, statt diejenigen | |
gesellschaftlichen Transformationen voranzubringen, die für das gelingende | |
Zusammenleben aller wichtig wären, befördert die Idee der Abschottung eine | |
illusionäre und autoritäre Vorstellung von Handlungsmacht. Ein offenes | |
Deutschland wäre nicht nur „schön bunt“; es gäbe allen eine Stimme. Rahel | |
Jaeggi, Philosophin | |
Für mich ist völlig klar, dass nur ein offenes Europa der Kooperation die | |
Lösungen für eine sichere und stabil versorgte Zukunft bieten kann. Aus | |
kurzfristiger Wahltaktik heraus den gesellschaftlichen Zusammenhalt, | |
diplomatische Beziehungen und internationales Recht zu zertreten, ist | |
Parteipolitik ohne Weitsicht – aber nicht, was die Mehrheit in Deutschland | |
will. Wirkungsvolles Regieren geht anders. Maja Göpel, Ökonomin | |
Der FC St. Pauli steht für Inklusion, Vielfalt und gesellschaftlichen | |
Zusammenhalt. Uns besorgt die Polarisierung in den Debatten und die | |
Sehnsucht nach einfachen Lösungen und Repression statt Prävention. Als FC | |
St. Pauli werden wir weiterhin für einen anderen Weg eintreten, für ein | |
solidarisches Miteinander. Sei es im Fußball oder der gesamten | |
Gesellschaft. Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli | |
Wie kann es sein, dass sich große Teile der demokratischen Parteien von der | |
extremen Rechten so vor den Karren spannen lassen? Statt sich nach den | |
erschütternden Landtagswahlen ernsthaft mit der Bedrohung durch Rechtsaußen | |
auseinanderzusetzen, wird das Bild des vermeintlichen Grenzchaos eins zu | |
eins aus dem AfD-Narrativ übernommen, während diese sich ins Fäustchen | |
lacht. Anstelle von all dem sollte wirkliche Sozialpolitik in den Fokus | |
rücken, die Menschen entlasten und dem Populismus den Nährboden nehmen. | |
Vielfalt muss ernsthaft verteidigt werden, nicht nur in Floskeln, wenn sie | |
gerade gebraucht werden kann. Jonathan Berlin, Schauspieler | |
Ich sehne mich nach einem Deutschland, dass es vielleicht noch gar nicht | |
gibt. Ein Deutschland, das den Frust nicht über die Hoffnung siegen lässt. | |
In meiner Heimatstadt Frankfurt trägt die Alte Oper den Schriftzug: „Dem | |
Wahren, Schönen, Guten“. Nach diesem Deutschland sehne ich mich. Enissa | |
Amani, Künstlerin und Aktivistin | |
Die offene Gesellschaft ist der beste Schutz für unsere Demokratie und | |
Menschlichkeit. Egal ob alt oder jung, auf dem Land oder in der Stadt, egal | |
ob in Deutschland geboren oder erst seit Kurzem hier: Wenn wir mutig | |
zusammenstehen, können wir das, was uns wichtig ist, gegen die | |
Rechtsextremen verteidigen. Carla Reemtsma, Klimaaktivistin | |
Wenn Deutschland nicht einfach nur Schland sein möchte, muss es sich weiter | |
öffnen. Eine Demokratie, die nur nach innen leuchtet, erblindet irgendwann | |
an sich selbst. Wie fürchterlich trostlos, wie viel ärmer dieses Land wäre | |
– ohne uns. Khesrau Behroz, Podcaster | |
Artikel 1 – Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und sie bleibt für mich | |
unantastbar. Für alle, in all unserer Einzigartigkeit aber immer | |
miteinander und verbunden. Warum? „Denn zuallererst kommt die | |
Menschlichkeit … ohne Menschlichkeit ist unser Dasein nicht lebenswert. | |
Vidina Popov, Schauspielerin | |
14 Sep 2024 | |
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