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# taz.de -- Verbotsverfügung gegen „Compact-Magazin“: Hass-Belege auf übe…
> Bei Diskussionen um das Verbot des rechtsextremen Compact-Magazins hilft
> ein Blick in die Verbotsverfügung des Innenministeriums. Der taz liegt
> sie vor​.
Bild: Hetze wie sie im Buchhandel stand: Das Compact-Magazin ist seit Dienstag …
Inhaltswarnung: Zur Dokumentation enthält dieser Text ausführliche Zitate,
die Rassismus, Antisemitismus und rechte Hetze belegen.
Es hatte nach [1][dem Verbot des Compact-Magazin] nicht lange gedauert, bis
nicht nur die Empörung in der rechten Szene, [2][sondern auch die
verfassungsrechtlichen Diskussionen] begannen. Das Bundesinnenministerium
(BMI) hatte am Dienstag die Compact-Magazin GmbH sowie die dazugehörige
Conspect Film GmbH verboten, Durchsuchungen in mehreren Bundesländern
vorgenommen und sich dabei auf das Vereinsrecht berufen, das auch für
Unternehmen gelten kann. Compact, so hieß es aus dem BMI, richte sich in
aggressiv-kämpferischer Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung.
Einige Fragen, [3][die danach auch juristisch diskutiert werden,] lauten:
War das Verbot verhältnismäßig? [4][Was ist mit der Pressefreiheit?] Hätten
vorher nicht eher einzelne Beiträge oder Ausgaben des Magazins verboten
werden müssen?
Der taz liegt die Verbotsverfügung vor. Auf 79 Seiten führt das BMI darin
aus, warum es Compact als „politischen Agitator mit verfassungsfeindlicher
Grundhaltung“ ansieht. Die Verbotsverfügung war als Verschlusssache „Nur
für den Dienstgebrauch“ eingestuft, was mit dem Tag des Vollzugs obsolet
wurde.
Auch andere Medien zitieren aus der Verbotsverfügung. Die Deutsche
Presse-Agentur berichtete, dass ein selbsterklärter Unterstützer Einblick
in die Verbotsverfügung gewährt habe und vergewisserte sich von der
Echtheit des Dokuments. Aus Regierungskreisen wurde darauf verwiesen, dass
die Verbotsverfügung nicht vom Innenministerium öffentlich gemacht worden
sei.
In einzelnen Kapiteln werden in dem Schreiben reihenweise Zitate aus
Heften, Titelbilder und Aussagen auf öffentlichen Veranstaltungen
angeführt. Sie belegen eine antisemitische, minderheitenfeindliche,
geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Haltung. Und das
in einer Massivität, die nicht auf einzelne Beiträge im Heft beschränkt
ist. Ein Abschnitt befasst sich direkt mit der Frage der
Verhältnismäßigkeit des Verbots, der Vereinbarkeit mit der Europäischen
Menschenrechtskonvention und wägt das Vereinsverbot auch gegen die
Pressefreiheit ab.
Vernetzung mit NPD, AfD und Identitären
In einem Kapitel der Verfügung befasst sich das BMI explizit mit den
Verbindungen von Compact zu andere Verfassungsfeinden. So werden Bezüge
mehrerer Mitarbeiter zur rechtsextremen Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD)
aufgelistet. Demnach war der „Chef vom Dienst“ von Compact 2014 noch der
Pressesprecher der NPD-Fraktion in Sachsen, ein anderer Mitarbeiter dort
NPD-Landtagsabgeordneter. Weitere Bezüge bestünden zur Reginalpartei „Freie
Sachsen“, [5][sowie ausgiebig zur AfD und deren Nachwuchsorganisation
„Junge Alternative“].
Zudem schrieben Autoren wie [6][Benedikt Kaiser für Compact, die auch in
Organen des kürzlich selbstaufgelösten „Institut für Staatspolitik“ des
neurechten Ideologen Götz Kubitschek] schrieben. Das BMI hebt zudem die
Verbindungen zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB) hervor: Der
TV-Chef von Compact sei ehemaliger IB-Aktivist und pflege diese Kontakte
weiter. [7][Der IB-Anführer Martin Sellner] sei seit Jahren regelmäßiger
Autor und Kolumnist bei Compact und trete als Redner auf deren
Veranstaltungen auf.
Völkischer Rassismus und Verschwörungsideologie
Mit 59 Seiten den längsten Teil der Verbotsverfügung nehmen Ausführungen
ein, die den völkischen Rassismus, Antisemitismus sowie die rechtsextreme
Vernetzung von Compact belegen. Es geht um Zitate zu „Remigrations“-Plänen,
zu Hass auf Jüdinnen und Juden, auf Araber, Muslim*innen und
Migrant*innen.
Eine zentrale Forderung von Compact sei demnach laut Verbotsverfügung „der
Erhalt des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand“. Das BMI sieht
einen völkischen Rassismus, und zitiert dazu Aussagen aus verschiedenen
Ausgaben. Darin ist etwa von „fremdländischen Passdeutschen“ die Rede,
davon, dass „richtige Deutsche“ nur sogenannte „Bio- Deutsche“ seien od…
dass es keine Frage der Staatsangehörigkeit sei, ob jemand Deutscher ist
oder nicht: „Der Staat schafft nicht das Volk, er findet es bei seiner
Entstehung vor und setzt seine Existenz als soziologische, nicht rechtliche
Gegebenheit voraus“, heißt es demnach bei Compact.
Ein Zitat aus einer anderer Stelle eines Compact-Heftes lautet: „Der
Begriff Volk bewahrt den ethnischen Kern unserer Gemeinschaft“. Das wird
von Compact weiter ausgeführt: „Ausländer, Fremde: Dient der klaren
Unterscheidung zwischen Menschen, die dieses Land mit aufgebaut und hier
Wurzeln geschlagen haben, und bloßen Zugewanderten und Passdeutschen.“
Der Rassismus paart sich bei Compact dabei mit antisemitischen
Verschwörungsideologien wie dem „Großen Austausch“, der hinter
Migrationsbewegungen einen vermeintlich zerstörerischen Plan finsterer
Geheimmächte fantasiert.
Neben der Abbildung eines Titelbildes einer „Compact-Spezial“ zum
„Volksaustausch“ zitiert das BMI an einer weiteren Stelle aus dem Heft:
„Sie importieren sich ein neues Volk und neue Wähler! […] Vor unseren Augen
will die Ampel also ihre Herrschaft durch Masseneinbürgerung zementieren.
Die ethnische Wahl war immer schon ein beliebtes Werkzeug von Diktatoren.“
An anderer Stelle im Heft heißt es demnach: „Aber wir können niemals
zulassen, dass die Ansiedlung Fremder, also die Ersetzungsmigration oder
der Volksaustausch, normalisiert und akzeptiert wird.“
Kaum getarnter Antisemitismus
Seitenweise zitiert die Verbotsverfügung krassesten Rassismus. Fast ebenso
ausführlich belegt das BMI mit Textstellen aus den Compact-Heften den
Antisemitismus verschiedenster Ausformung. In dem Schreiben heißt es dazu
vom BMI: „Wie es bei diesen Formen von Antisemitismus häufig der Fall ist,
treten sie auch bei Compact nicht immer offen, sondern – auch zur
Stafvermeidung – teilweise in Form einer „Umwegkommunikation auf.“
Viele der angeführten Zitaten zeigen indes eine eher klassische Form des
Antisemitismus. In Anlehnung an das antisemitische Pamphlet „Die Protokolle
der Weisen von Zion“ wählte Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer etwa in
dem Artikel „Endzeit – Der Netanjahu-Plan“ für eine Unterüberschrift die
Formulierung: „Die Irren von Zion“.
In dem Artikel hebt er vor allem auf den [8][Einfluss der jüdischen
Gruppierung Chabad Lubawitsch ab, die weltweit organisiert sind und dem
Chassidismus zugeordnet werden]. Die Verbotsverfügung zitiert aus Elsässers
Artikel: „Als Vollstrecker einer alttestamentarischen Vision ist Netanjahu
zur Heilsfigur der Chabad Lubawitsch geworden – einer Endzeitsekte, die in
den letzten 20 Jahren gezielt das weltweite Judentum unterwandert hat und
der auch Israels Oberrabbiner nahesteht.“
Auch in anderen Stellen versteckt Elsässer in seinen Artikeln kaum, dass er
mit seiner Hetze Jüdinnen und Juden meint. So heißt es in einem weiteren
Zitat: „Die B'nai B'rith Loge soll heute führend sein, was ihren Einfluss
auf Politik und Gesellschaft betrifft und nicht mehr die Freimaurer. Aber
alles, was im Geheimen geschieht, kommt eines Tages ans Licht.“ B'nai
B'rith ist eine der größten jüdischen Vereinigungen. Im 19 Jahrhundert
wurde sie einst als geheime Loge in den USA gegründet, tritt aber
heutzutage öffentlich auf.
Die Verbotsverfügung zeigt zudem Compact-Abbildungen von Kraken, einer
Chiffre für eine vermeintlich jüdische Weltverschwörung, und führt an
anderer Stelle Belege für Antisemitismus auf, die sich um eine „Hochfinanz“
drehen, welche angeblich die „Klimakleber“ fördere oder um eine
„Geldmachtelite“, die laut Compact „ein Interesse daran hat, die ganze We…
ihrer Herrschaft zu unterwerfen.“
Bei Elsässer paar sich der Antisemitismus zudem mit Schuldabwehr. Der
Compact-Chefredakteur schreibt laut Verbotsverfügung im Juni 2022 in einem
Editorial seines Heftes. „Mit aller Gewalt will die BRD die masochistische
These von der deutschen Alleinschuld am Holocaust verteidigen und ihre
ukrainischen Kostgänger als unschuldige Opfer von Hitler darstellen.“
Abwägung mit der Pressefreiheit
Am Ende der Verbotsverfügung geht das BMI recht knapp noch auf
Grundrechtsfragen ein. Maßstab sei in erster Linie die Vereinigungsfreiheit
(Art. 9 Grundgesetz), aber auch die Pressefreiheit (Art. 5) sei zu
berücksichtigen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme
stellt das Ministerium nur fest, dass es keine gleich wirksamen milderen
Mittel gebe.
Compact missbrauche seine Medienerzeugnisse, um verfassungsfeindliche Ziele
zu verbreiten. Als Beleg zitiert das BMI Compact-Chefredakteur Elsässer,
wie er sich im Juni 2023 vor MitarbeiterInnen und Sponsoren auf einer
„Spendengala“ äußerte: „Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen k…
Zeitung, indem wir uns hinter den warmen Ofen oder den Computer verziehen
und irgendwelche Texte wie eine Laubsägenarbeit auf den Markt bringen.
Sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes.“ In der Güterabwägung habe der
Schutz des Staates und seiner Grundordnung deshalb Vorrang vor den
Grundrechten des Verlages.
Außerdem könne sich Compact auch nicht auf die Europäische
Menschenrechtskonvention (EMRK) berufen, weil die von Compact verfolgte
Ideologie mit den Grundwerten der Konvention nicht vereinbar sei:
Antisemitismus und Minderheitenfeindlichkeit widerspreche dem
Diskriminierungsverbot aus Artikel 14 der EMRK, was Compact daran hindere,
sich auf die Vereinigungsfreiheit in Artikel 11 der Konvention zu berufen.
Jedenfalls sei das Compact-Verbot zum Schutz der Rechte und Freiheiten
anderer gerechtfertigt. Die EMRK gehe insoweit nicht über das Grundgesetz
hinaus.
Compact hat kein Recht auf Umsturz
Die Compact Verlags GmbH kann gegen die Verbotsverfügung binnen eines
Monats klagen. Erste und einzige Instanz ist das Bundesverwaltungsgericht
(BVerwG) in Leipzig. Die Klage hat zwar keine aufschiebende Wirkung. Mit
einem Eilantrag beim BVerwG kann aber die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung beantragt werden. Jürgen Elsässer hat einen
derartigen Eilantrag bereits angekündigt.
Der Eilantrag hat nur Erfolg, wenn bei grober („summarischer“) Prüfung mit
einem Erfolg der Klage in der Hauptsache zu rechnen ist. Bei einem Erfolg
des Eilantrags könnte Compact sofort wieder veröffentlicht werden.
Allerdings sind die Erfolgsaussichten einer Klage und deshalb auch eines
Eilantrags nicht allzu groß.
Die Klage könnte zum einen argumentieren, dass ein Presseunternehmen nicht
mit den Instrumenten des Vereinsgesetzes verboten werden kann. [9][Das
vertritt etwa der Jurist David Werdermann von der Gesellschaft für
Freiheitssrechte (GFF)]. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch bereits
mehrfach entschieden, dass das Vereinsgesetz auch Organisationen erfasst,
„deren Zweck in der Verbreitung von Nachrichten und Meinungsbeiträgen
besteht“.
Außerdem könnte Compact argumentieren, dass ein Verbot des Verlags nicht
erforderlich ist, um die verfassungsmäßige Ordnung zu schützen. Doch wenn
ein Medium selbst klar bekennt: „das Ziel ist der Sturz des Regimes“, dann
wird eine grobe Prüfung wohl nicht ergeben, dass das Vereinsgesetz hier
falsch angewandt wurde. Denn: Es gibt kein Recht auf Umsturz.
19 Jul 2024
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[9] /Nach-Compact-Verbot/!6021152
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
Christian Rath
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