# taz.de -- Verbot vom „Compact“-Magazin: Gegen ein ganzes Netzwerk | |
> Wer sich nach dem Verbot um Pressefreiheit sorgt, unterschätzt die Gefahr | |
> des rechtsextremen Magazins. Sein Ende kann nur der Anfang sein. | |
Bild: Jürgen Elsässer bei einer „Friedensdemonstration“ im Februar 2015 | |
Auf der Werbung zum „Tag des Vorfeldes“ ist ein Who is Who der | |
rechtsextremen Mediennetzwerke von Magazinen bis zu Radiosendern | |
angekündigt. Bei der Veranstaltung der AfD Schleswig-Holstein am Samstag | |
dürfte jedoch eines der angekündigten Medien fehlen. [1][Ausgeladen wurde | |
Compact zwar nicht,] doch am 16. Juli verbot das Bundesministerium des | |
Inneren (BMI) das rechtsextreme Magazin um Chefredakteur Jürgen Elsässer | |
[2][auf Grundlage des Vereinsrechts.] Ein Eingriff in die Presse- und | |
Meinungsfreiheit? | |
Nein, vielmehr ein konsequentes Vorgehen gegen einen Networker, der in all | |
seinen Auftritten und Schreiben ein Ziel verfolgt: „Wir wollen einfach das | |
Regime stürzen.“ | |
Allein die angekündigte Teilnahme des Magazins an dem AfD-Event bestätigt | |
deren strategische Intention. Compact wollte an dem Tag mit weiteren | |
Szenepublizist*innen wie Benedikt Kaiser und Szenemedien wie „Trigger | |
FM“ für die AfD das Sag- und Wählbare weiter verschieben. Seit Jahrzehnten | |
bemühen sich Akteure des Rechtsextremismus mit Diskursen und Debatten, die | |
Denk- und Verhaltensweise der Mitte der Gesellschaft zu beeinflussen. Um | |
die bestehenden Verhältnisse zu delegitimieren – und letztlich zu | |
eliminieren. | |
Die Erfolge der Szene spiegeln sich nicht nur in der Mandatsgewinnung im | |
politischen Raum wider. Es wird auch ein verkürzter Antonio Gramsci | |
kolportiert. In „Kulturkampf von rechts“ empfahl Alain de Benoist, ein | |
französischer Vordenker der Neuen Rechten, 1985 die Strategie des | |
italienischen Marxisten mit einem Bonmot: „Die alte Rechte ist tot. Sie hat | |
es wohl verdient.“ Diesen Gramscismus von rechts forcierte Elsässer schon | |
lange mit seinem Magazin – inklusive Compact TV, einem Shop und | |
Sommerfesten. | |
## Vom Linken zur Front gegen Humanität | |
Elsässer wurde als linker Publizist bekannt, doch nachdem er den Linken | |
vorwarf, mit Wokeness und Gutmenschentum die „einfachen Leute“ zu | |
verraten, wandte er sich zur Front gegen Humanität. Diese frühe Kritik | |
formulierte später Sahra Wagenknecht ganz ähnlich. Kein Wunder also, dass | |
die Vorsitzende des Bündnis Sahra Wagenknecht auf dem Cover der Compact | |
schon als „Die beste Kanzlerin“ gefeiert wurde. Ein ehemaliger Mitstreiter | |
aus dem Kommunistischen Bund (KB) pointierte früh, dass Elsässer das | |
revolutionäre Subjekt „Proletariat“ gegen „Volk“ austauschte. Seitdem | |
hat der Chefredakteur sich mehr und mehr einem ethnischen Volksverständnis | |
zugewandt. | |
Das ist eine der Positionen, [3][die das BMI in ihrer fast 80-seitigen | |
Begründung] für das Verbot anführt. Dieses Verständnis Elsässers führte zu | |
einem radikalen Hass gegen alle nicht „Bio-Deutschen“ und | |
„Links-Versifften“. Eine weitere Begründung des BMI: Die ständig | |
verbreiteten Verschwörungserzählungen, in denen immer wieder auch von „den | |
Juden“ geraunt wurde. | |
Die stabile Auflagenhöhe, die starke Internetpräsenz und die gut besuchten | |
Veranstaltungen brachten dem Magazin politischen Einfluss und ökonomische | |
Gewinne. Das Magazin wurde zur Radikalisierungsmaschine für viele. Compact | |
gelang es, sich AfD-strömungs- aber auch als spektrumsübergreifend zu | |
etablieren. Es war nie das AfD-Magazin und war es doch. Den radikalen Kurs | |
von Björn Höcke trieb es voran. | |
Mit Götz Kubitschek gründete Elsässer den Verein „Ein Prozent“, der | |
rechtsextreme Projekte wie die Identitäre Bewegung unterstützt. Deren | |
Posterboy, Martin Sellner, gehörte zu den Stammautoren des Magazins. In | |
einen Video erklärte er: „Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, | |
sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere | |
Sprache.“ Und der Ex-Compact-Redakteur und nun AfD-Bundestagsmitarbeiter | |
Mario Müller ergänzte: „Wir wollen keinen Stehplatz im Salon, sondern ein | |
Ende der Party.“ | |
## Nur ein erster Schritt | |
So reden und schreiben Feinde der Demokratie, die jetzt die fehlenden | |
Meinungsfreiheit beklagen. Elsässer und Co wollen kein offenes Gespräch, | |
sie wollen ein geschlossene Gemeinschaft, ein Ende der parlamentarischen | |
Demokratie und der liberalen Gesellschaft. Wen jetzt also allein die Sorge | |
der Pressefreiheit umtreibt, der könnte die Gefahr des Netzwerks Compact, | |
ihre Strategie und ihre Macht verkennen. | |
Umberto Eco hat das Paradoxon zum intellektuellen Rechtsextremismus früh | |
formuliert: „Um tolerant zu sein, muss man die Grenzen dessen, was nicht | |
tolerierbar ist, festlegen.“ Das Verbot war also geboten. Die | |
Ultima-Ratio-Maßnahme war die späte Reaktion gegen einen zentralen Player | |
des Rechtsextremismus. Doch das Ende von Compact kann nur ein erster | |
Schritt sein, weitere Grenzziehungen sollten folgen. | |
Das befreundete Netzwerk um Kubitscheks scheint sich auf jeden Fall schon | |
vorzubereiten, eine organisatorische Umstrukturierung erfolgte bereits. | |
Denn die Verbotsbegründung von Compact dürfte sich [4][Kubitschek als | |
Verleger vom Antaios-Verlag] ganz genau durchlesen. Schließlich ließe sich | |
diese auch auf andere übertragen. Zeit sich weitere Publikationsnetzwerke | |
genauer anzuschauen. Schließlich folgen den rechtsextremen Worten schon | |
viel zu lange Taten. | |
20 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Rechtliche-Fragen-zum-Compact-Verbot/!6021030 | |
[2] /Nach-Compact-Verbot/!6021152 | |
[3] /Verbotsverfuegung-gegen-Compact-Magazin/!6024670 | |
[4] /Antaios-Verlag-von-Goetz-Kubitschek/!6017560 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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