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# taz.de -- Pro und Kontra: Ist das Compact-Verbot richtig?
> Innenministerin Nancy Faeser hat das rechte Magazin Compact verboten. Ist
> das richtig? Ein Pro und Contra.
Bild: Schon 2017 regte sich Widerstand: NoCompact Aktivisten in Falkensee
## Ja.
Wenn der Staat [1][linksradikale Medien wie Linksunten Indymedia]
verbietet, regt sich kein Zorn bei AfD und auch nur erstaunlich wenig
Protest in den Kommentarspalten der gutbürgerlichen Kaffeetischlektüre.
Komisch, dass nun ausgerechnet bei einem extrem rechten Medium Liberalismus
und Pressefreiheit ins Feld geführt werden, um Neonazipropaganda in Schutz
zu nehmen, die sich bereits jetzt in weiten Teilen der Republik wirkmächtig
auf der Straße als Gewalt entlädt.
Denn [2][natürlich ist das Verbot von Compact ] richtig, rechtsextreme
Finanzstrukturen, die nach Putins Pfeife tanzen und die Demokratie
abschaffen wollen, gehören mit rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft. Auch
wenn sie unter dem Deckmantel der Pressefreiheit Hass, Hetze und
Umsturzaufrufe verbreiten.
Denn Compact hat nichts mit Journalismus zu tun. Elsässer ist ein
rechtsextremer Aktivist und Chef einer rechtsextremen Organisation, die auf
vielen Feldern operiert: als Vernetzungsakteur für die Szene, als
Sprachrohr der Querdenkenszene bis hin zur gewalttätigen Q-Anon-Bewegung
und als Vorfeldorganisation der extrem rechten AfD, insbesondere der
völkisch-nationalistischen Strömung, die ebenso auf Umsturz gepolt ist.
Auch hier gilt das Toleranzparadoxon von Karl Popper: Zu viel Toleranz
gegenüber den Intoleranten führt am Ende zur Abschaffung der Toleranz.
Darum greift das Verbot von Compact nicht den liberalen Kern unserer
Gesellschaft an, sondern verteidigt ihn. Denn die Meinungsfreiheit hat
Grenzen – aus Gründen.
Und der Rechtsstaat wurde auch nicht abgeschafft: Der Klageweg vor ein
unabhängiges Gericht steht ja offen. Vermutlich wird Elsässer aber vor
Gericht große Probleme haben, sich auf die Pressefreiheit zu berufen, wenn
er selbst offen zugibt, dass es ihm darum geht, das „Regime“ zu stürzen –
also sein Schmutzmagazin nur Mittel zum Zweck ist und es seinem
rechtsextremen Netzwerk darum geht, die Demokratie zu zerstören. In der
Opferrolle suhlen sich Neonazis so oder so.
Gareth Joswig
## Nein.
Das Magazin Compact ist das [3][Sprachrohr des abgedrehten, rechten Flügels
der AfD]. Dessen Chefredakteur Jürgen Elsässer funktioniert, wie schon zu
linksradikalen Zeiten, als Ich-AG und Empörungsunternehmer mit Neigung zu
skurril-aggressiven Verschwörungsideen. Das ist mehr als unsympathisch,
aber kein Grund für ein Verbot.
Erstens ist es zu viel der Ehre für Rechtsextreme, die sich nun in ihrer
Opferrolle häuslich einrichten dürfen. Dieses Verbot bekräftigt die rechte
Erzählung, eine subversive Kraft zu sein, die vom Staat unterdrückt werden
muss. Opfererzählungen können toxisch wirken und gefährliche
Machtinstrumente werden, siehe Trump und USA. Warum diesen Boden auch noch
düngen?
Zweitens steht dieses Verbot juristisch auf schwankendem Boden. Nicht das
Medium Compact wurde direkt verboten, sondern die entsprechende GmbH. Dass
Nancy Faeser den Umweg über das Vereinsrecht wählt, wirkt wie ein Trick und
eine Verlegenheitslösung. So soll verhüllt werden, dass hier ein Medium
verboten wird, das unter dem glücklicherweise weiträumigen Schutz der
Meinungsfreiheit steht. Es ist möglich, dass [4][Gerichte dieses Manöver
für nicht statthaft erklären] werden. Das wäre die maximale PR für die
Rechtsextremen und eine selbst verschuldete Blamage für die
Innenministerin. Und leider auch für den Kampf gegen Rechtsextreme.
Drittens: Dieses Verbot wäre auch ohne die lodernde Gefahr, Rechtsextremen
zu nutzen, ein Fehler. Es ist grundsätzlich falsch. Der Staat und die
etablierten Parteien greifen immer leichter zu repressiven Mitteln, zu
Demoverboten und Polizeieinsätzen in Unis. Derzeit bildet sich ein
autoritärer Liberalismus heraus, der vieles, was ihm feindlich erscheint,
für illegal erklärt. Die Bedrohung durch Rechtsextreme ist real. Doch im
Kampf dagegen fundamentale Werte wie Meinungsfreiheit leichtfertig für die
scheinbar gute Sache zu opfern, ist kurzsichtig. Das Compact-Verbot schadet
nicht den Rechtsextremen, es frisst sich wie Rost in den Kern der liberalen
Demokratie.
Stefan Reinecke
17 Jul 2024
## LINKS
[1] /Urteil-fuer-Radio-Dreyeckland/!6012022
[2] /Rechtsextremes-Magazin-von-Elsaesser/!6023528
[3] /Reaktionen-auf-Compact-Verbot/!6024362
[4] /Rechtliche-Fragen-zum-Compact-Verbot/!6021030
## AUTOREN
Gareth Joswig
Stefan Reinecke
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