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# taz.de -- Compact-Sommerfest in Gera: Feier-Exil in Thüringen
> Nachdem das Sommerfest des verbotenen Magazins untersagt wurde, hat ein
> Neonazi dessen Gäste eingeladen. Nun gibt es Kritik am Oberbürgermeister.
Bild: Razzia Mitte Juli gegen die Macher:innen des verbotenen „Compact“-Mag…
Leipzig taz | Christian Klar klingt ein wenig heiser. „Ich hoffe, ihr
hattet ein schönes Compact-Sommerfest“, ruft der mehrfach vorbestraften
Neonazi am Samstagabend an seinem kleinen Rednerpult in Gera und schwenkt
dazu eine schwarze Flagge mit der Aufschrift „Ami Go Home“. Dann schiebt er
noch schnell hinterher: „Solidarität mit Compact“.
Klar hatte Unterstützer:innen des verbotenen rechtsextremistischen
Magazins nach Thüringen eingeladen, nachdem deren ursprüngliche
Veranstaltung in Sachsen-Anhalt untersagt worden war. Laut Polizei kamen
bis zu 320 Personen auf den Hofwiesenparkplatz nach Gera. Unter ihnen waren
auch der frühere Compact-Chef Jürgen Elsässer, der frühere AfD-Landeschef
André Poggenburg, Martin Sellner, Kopf der Identitären Bewegung, sowie
Michael Brück von den „Freien Sachsen“.
Bis zu 75 Personen demonstrierten gegen Klars Veranstaltung. Zum
Gegenprotest hatte das Aktionsbündnis „Gera gegen Rechts“ aufgerufen.
[1][Online kritisiere das Bündnis schon vorab], dass Klars Versammlung
überhaupt stattfinden konnte. Immerhin sei offensichtlich, dass es sich um
eine Ersatzveranstaltung des Compact-Sommerfests handle. Unter [2][dem
neuen Oberbürgermeister Kurt Dannenberg (CDU)] sei wohl alles möglich.
Seit dem 16. Juli ist öffentlich, dass das Bundesministerium ein [3][Verbot
gegen das extrem rechte Magazin Compact] verhängt hat. Danach untersagten
die Behörden auch das Sommerfest des Magazins in Sachsen-Anhalt. Es war auf
dem Rittergut des früheren AfD-Landesvorsitzenden Poggenburg im
Burgenlandkreis geplant.
## Aus Protest kein Protest mehr
Unter dem Titel „Sommerfest der Pressefreiheit“ kündigte Compact zunächst
einen Ersatz am gleichen Ort an. Doch auch diese Veranstaltung verbot die
zuständige Polizeiinspektion. Danach meldete sich Christian Klar via Social
Media: „Ich habe alle enttäuschten Gäste und Redner mal spontan nach Gera
eingeladen.“
Für die Veranstaltung von Klar gab es vorab Kooperationsgespräche mit der
Ordnungsbehörde, wie Oberbürgermeister Dannenberg der taz bestätigte. Dabei
habe Klar sich angeblich vom Compact-Magazin distanziert und versichert,
kein Sommerfest durchführen zu wollen. Unter dem Motto „Wir für Frieden und
Freiheit“ plane er lediglich, gegen den Wahlauftakt der MLPD zu
demonstrieren, für den sich an diesem Samstag bis zu 450 Menschen in Gera
versammelten. Weil sich der 44-jährige Neonazi bislang an Absprachen
gehalten habe, verzichtete die Ordnungsbehörde nachdem Kooperationsgespräch
auf Auflagen.
Seit Jahren meldet [4][Klar Demonstrationen in Gera an]. Zuletzt
organisierte er eine Protestveranstaltung gegen eine geplante
Asylunterkunft. Dort hing die Reichsflagge und lief Musik, die das Pogrom
von Rostock-Lichtenhagen verherrlicht. Jahre zuvor war Klar beim
Pegida-Ableger Thügida und lief als Jugendlicher schon beim Thüringer
Heimatschutz mit, der Brutstätte des NSU-Komplexes.
Anfang Juli verurteilte das Landgericht Gera Klar zu einer Freiheitsstrafe
auf Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, aber demnach müsste
er wegen Hehlerei, mehrfachen Diebstahls sowie Fahrens ohne Fahrerlaubnis
für ein Jahr und elf Monate ins Gefängnis.
Für Daniel Reinhardt, Landtagsabgeordneter der Linken in Thüringen, ist
skandalös, dass Klar einen Vertrauensvorschuss von der Ordnungsbehörde
bekommen habe. Zwar sei eine politische Versammlung nicht so leicht zu
verbieten wie das öffentliche Sommerfest eines verbotenen Vereins. Aber, so
Reinhardt: Es sei offensichtlich gewesen, dass es sich um eine
Ersatzveranstaltung handelt.
Reinhardt, der 2019 in Gera das Direktmandat für den Landtag gewann, kann
nicht nachvollziehen, weshalb Klar einen Vertrauensvorschuss bekomme. „In
anderen Kommunen gibt es Auflagen für rechte Veranstaltungen.“ Warum gibt
es dann keine in Gera? „Ich habe den Eindruck, der Behördenleiter ist auf
dem rechten Auge blind“, sagt Reinhardt.
Als die Veranstaltung am Samstag anlief, änderte die Ordnungsbehörde
allerdings ihre Meinung und beauflagte: keine Verpflegungsstände auf der
Versammlung. Ansonsten entstehe der Eindruck, es handle sich um ein
Sommerfest. [5][Filmaufnahmen des MDR] zeigen Polizist:innen vor einem
geschlossenen Softeis-Stand.
Aus Behördenkreisen heißt es, Klar sei über diese Auflage sehr aufgebracht
gewesen. Im Laufe der Veranstaltung am Samstag nahm er kein Blatt vor den
Mund und solidarisierte sich unmissverständlich mit dem Compact-Magazin.
Dass er damit gegen vorherige Absprachen verstoßen habe, werde zukünftig
Konsequenzen haben, kündigte Oberbürgermeister Kurt Dannenberg an.
28 Jul 2024
## LINKS
[1] https://x.com/gera_nazifrei/status/1816919877556502968
[2] /Stichwahlen-in-Thueringen/!6015721
[3] /Verbotsverfuegung-gegen-Compact-Magazin/!6024670
[4] /Protest-in-Ostdeutschland/!5893766
[5] https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/gera/video-844344.…
## AUTOREN
David Muschenich
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