# taz.de -- Wassermangel in Frankreich: Kampf gegen die Riesenbecken | |
> In Frankreich häufen sich die Proteste gegen die „Méga-Bassines“ für d… | |
> Landwirtschaft. Die kommende Regierung wird reagieren müssen. | |
Bild: Demo beim Protestcamp gegen die Riesenbecken am 19. Juli | |
Melle, Frankreich taz | Die Botschaft ist nicht zu überhören: „Toutes les | |
manifestations ont été interdites!“, „Alle Demonstrationen wurden | |
verboten!“, schallt es aus einem Polizeihubschrauber. Immer wieder fliegt | |
er dicht über die „Village de l’Eau“, ein Protestcamp gegen die | |
umstrittenen „Méga-Bassines“. An den Wasserspeichern kristallisieren sich | |
Verteilungskämpfe um eine immer knapper werdende Ressource. | |
„Méga-Bassines“ – mit Plastik ausgekleidete und mit Grundwasser befüllte | |
„Riesenbecken“ von bis zu 18 Hektar Größe – dienen der industriellen | |
Landwirtschaft als Wasserspeicher. Die steht unter einem enormen | |
Anpassungsdruck: Infolge der Klimakrise und des menschlichen | |
Wasserverbrauchs herrscht in Frankreich Wassermangel. | |
Kritik kommt von Umweltschützer*innen und Kleinbäuer*innen: Die Becken | |
seien eine Form des Water-Grabbing, also der Privatisierung von Wasser. Das | |
fehle wiederum dem Wasserkreislauf und trockne so die Umgebung aus. | |
Zusätzlich versiegeln sie hektarweise Boden. Kritisch äußern sich NGOs wie | |
Greenpeace, aber auch das Linksbündnis Nouveau Front populaire, das bei den | |
Parlamentswahlen die relative Mehrheit gewonnen hat. | |
Das Camp wird von einem breiten Bündnis aus Öko-Aktivist*innen und NGOs | |
unterstützt. Darunter ist auch die Confédération Paysanne (Conf), eine der | |
drei großen Bauerngewerkschaften Frankreichs und Interessensvertretung der | |
Kleinbäuer*innen. Die Conf lehnt Méga-Bassines ab: Indem diese Oberflächen- | |
und Grundwasser entnehmen, seien sie schädlich für die umliegenden | |
Ökosysteme und damit für die Landwirtschaft. | |
## „Wir alle müssen uns anpassen“ | |
An einem Grillstand auf dem Camp hängt ein gelbes Banner: „Bei der Conf | |
sind die Würstchen politisch!“ Jean-Luc Manguy, der mit Schürze auf der | |
Wiese steht, brät die politischen Würstchen. Er ist Bauer: 70 Hektar Land | |
bestellt er mit Getreide und Hülsenfrüchten für den lokalen Markt. | |
Die Auswirkungen der Klimakrise spürt er bereits deutlich. „Die letzten | |
drei, vier Jahre waren [1][extrem trocken]“, erklärt er. Dieses Jahr sei | |
zwar außergewöhnlich viel Regen gefallen, aber in zu kurzer Zeit. „Wir alle | |
müssen unsere [2][Landwirtschaft an den Klimawandel anpassen]“, erklärt er. | |
Aber das sei nur durch einen nachhaltigeren Anbau und gerechten Zugang zu | |
Wasser für alle möglich. | |
Dass auch in seiner Region Méga-Bassines gebaut werden sollen, sieht er | |
kritisch. Das nutze nur der wasserintensiven industriellen Landwirtschaft, | |
die auf Export, meist von Viehfutter, setze. Diese Landwirte schließen sich | |
in Kooperativen zusammen, um die Becken zu bauen. Obwohl dabei oft bis zu | |
70 Prozent der Kosten staatlich subventioniert würden, sei das Wasser am | |
Ende viel zu teuer, erklärt Manguy. | |
## Wird es Wasserspeicher auch in Deutschland geben? | |
Auf der anderen Seite der Wiese finden in bunten Zirkuszelten Vorträge | |
statt, der örtliche Bürgermeister geht ein und aus und Greta Thunberg steht | |
in der Essensschlange. Auf einer Bank im Schatten sitzt auch Julia T. Die | |
junge Bäuerin aus Deutschland will auf dem Camp mehr über Frankreichs | |
Verteilungskämpfe um Wasser lernen. | |
Weltweit spitze sich die Privatisierung von Wasser und Land zu, erklärt | |
sie. Auch in Deutschland. [3][Gerade zu Brandenburg], wo sie lange | |
gearbeitet hat, sehe sie Parallelen: Auch dort dominieren große Konzerne | |
die Landwirtschaft, auch dort werde die Wasserknappheit immer deutlicher. | |
Dass die Wasserbecken in Deutschland ein Thema werden, davon geht sie aus. | |
Über dem Camp kreist seit Tagen ein Polizeihubschrauber. Der scheidende | |
Innenminister Gérald Darmanin, ein erklärter Gegner der | |
Anti-Bassine-Bewegung, hat allein 2.500 Beamte der Géndarmerie, also der | |
Militärpolizei, eingesetzt. Das hohe Polizeiaufgebot ist spürbar: Bereits | |
Tage vor den Protesten werden fast alle Anreisenden zum Camp durchsucht und | |
ihre Personalien überprüft. | |
Ein Aktivist erzählt irritiert, ihm sei sogar sein Rotwein verboten worden. | |
Die Begründung klingt nach einem bekannten Ton-Steine-Scherben-Song: Die | |
Flasche könne zu einem Molotowcocktail umgebaut werden. | |
## Symbolische Hafenblockade | |
Das Verbot der Demos – das Camp ist legal – erklärt der zuständige Präfe… | |
mit vergangenen Ausschreitungen und dem Versäumnis einer ordnungsgemäßen | |
Anmeldung. Bereits 2023 kam es im benachbarten Sainte-Soline bei einer | |
ebenfalls verbotenen Demo zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei. | |
Sie sind zum Symbol des Konflikts um Frankreichs Wasserressourcen geworden. | |
Wie im Vorjahr finden die Proteste trotzdem statt: 4.500 | |
Teilnehmer*innen protestieren am Freitag gegen den Neubau eines | |
Bassines bei Saint-Sauvant. Am Samstag versuchen etwa 6.000 Personen, den | |
Hafen von La Rochelle zu blockieren, um den internationalen Handel mit | |
Produkten der industriellen Landwirtschaft zu stören. Unter ihnen ist eine | |
Gruppe Bauern, die mit Traktoren eine Zufahrtsstraße blockiert. | |
Inwiefern der Protest gegen die Méga-Bassines sich in politischen Maßnahmen | |
niederschlagen kann, ist noch offen. Zentral wird hierfür sein, ob der | |
Nouveau Front populaire die nächste Regierung stellen wird: Das | |
Linksbündnis will schärfer gegen die umstrittenen Wasserbecken vorgehen. | |
21 Jul 2024 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Selma Hornbacher-Schönleber | |
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