| # taz.de -- Kampf ums Wasser: Red Bull verleiht Dürre | |
| > In einer Brandenburger Kleinstadt kauft Red Bull Anteile einer | |
| > Mineralwasserfabrik. Der Widerstand in der Bevölkerung wächst. Wem gehört | |
| > das Wasser? | |
| Weißer Dampf quillt aus einem Schornstein. Er zieht über den blauen | |
| Januarhimmel, wabert weg mit dem Westwind. Vor der grauen Fabrikhalle liegt | |
| eine karge Wiese, das Gelände ist umschlossen von einem Zaun. Die Fabrik | |
| steht zurückgesetzt, von dem menschenleeren Parkplatz aus betrachtet sieht | |
| sie aus wie ein Containerschiff, das am Horizont verharrt. Auf den | |
| betonierten Stellplätzen davor stehen wenige Lkw – es wäre noch Platz für | |
| viele mehr. | |
| Die Getränkefabrik in Baruth im südlichen Brandenburg gehört zwei | |
| Großkonzernen: Rauch und Red Bull. Ein gelber Aufsteller an der Einfahrt, | |
| darauf das schlichte Logo mit der Silhouette einer Apfelsine, weist nur auf | |
| die Fruchtsaftfirma Rauch hin. Kein Hinweis auf die zweite Marke, nirgends | |
| das Bullen-Logo. Dabei produziert Red Bull hier schon seit 2023 den | |
| weltbekannten Energy-Drink. Die Firma Rauch übernimmt lediglich das | |
| Abfüllen. Zur Verfügung steht den Partnerkonzernen eine größere Wassermenge | |
| als der Tesla-Fabrik in Grünheide. Und Red Bull will noch mehr. | |
| Die zwei Konzerne haben vor zwei Jahren das Unternehmen Brandenburger | |
| Urstromquelle gekauft. Und mit der Fabrik und ihrem Markennamen auch die | |
| Erlaubnis, die wichtigste Ressource der Region anzuzapfen: das Grundwasser. | |
| Und das ist begrenzt. In Brandenburg stammt fast das gesamte Trinkwasser, | |
| über 95 Prozent, aus dem unterirdischen Vorkommen. Das Problem: [1][Der | |
| Klimawandel und der steigende Wasserverbrauch] von Industrie, | |
| Landwirtschaft und Privathaushalten schöpfen es zunehmend ab. Schwinden die | |
| Grundwasserspeicher, dauert es sehr lange, bis sie sich wieder füllen – | |
| wenn überhaupt. | |
| In Baruth leben rund 4.000 Menschen. Eine Hauptstraße führt durch den Kern | |
| der Stadt, vorbei an einer Kirche, an zweistöckigen Häusern und einer | |
| Apotheke. Lastwagen donnern die Straße entlang. Hier gibt es seit dem | |
| Verkauf der Mineralwasserfabrik Streit. Es ist ein Konflikt, bei dem es um | |
| Käfer und Kiefern, Alu-Dosen und Bürger*innenbeteiligung geht, um | |
| die Macht globaler Konzerne – und vor allem um die Frage, wer eigentlich | |
| Zugang hat zum Wasser. | |
| Seit ihrer Gründung nach der Wende hat die Brandenburger Urstromquelle hier | |
| Mineralwasser abgefüllt. Bis zuletzt gehörte sie zur Firmengruppe | |
| Altmühltaler mit bundesweit vier Fabriken, die den Eigentümer Michael | |
| Schäff zum Multimilliardär machten. Auch, weil Wasserpreise für Unternehmen | |
| in Deutschland deutlich niedriger sind als für Privathaushalte – in manchen | |
| Bundesländern sogar kostenlos. Recherchen der Süddeutschen Zeitung zufolge | |
| wollte Schäff seine Getränkefabriken seit 2022 loswerden. Die vier | |
| Standorte gingen schließlich an Krombacher, Aldi Nord und, in Baruth: an | |
| Red Bull und Rauch. Energy-Drinks statt Mineralwasser. | |
| Der Wasserversorger in Baruth darf über das Wasserwerk Baruth/Mark jährlich | |
| 2,5 Millionen Kubikmeter Grundwasser entnehmen. Laut Genehmigung stehen | |
| davon der Brandenburger Urstromquelle in der Hand von Red Bull und Rauch | |
| etwa 92 Prozent zu. Das war zwar auch zuvor schon so, doch Red Bull will | |
| die genehmigte Wassermenge weiter ausschöpfen, als dies bisher der Fall | |
| war. Acht Prozent bleiben als Trinkwasser für die Bevölkerung. | |
| ## Brandenburg ist besonders trocken | |
| Auch wenn beide Firmen die Brandenburger Urstromquelle besitzen, arbeiten | |
| sich die Gegner*innen des Deals vor allem an Red Bull ab. Zum einen | |
| liegt das am Image des Unternehmens. Red Bull stellt den meistverkauften | |
| Energy-Drink weltweit her, im Jahr 2024 verkaufte es nach eigenen Angaben | |
| 12,6 Milliarden blau-silberne Dosen mit dem süßen Getränk. Red Bull | |
| investiert in Extremsport, [2][besitzt Fußballclubs] und ein Formel-1-Team. | |
| Der inzwischen gestorbene Gründer Dietrich Mateschitz finanzierte eine | |
| eigene rechtsgerichtete „Investigativplattform“, die wieder pleite ging und | |
| baute den österreichischen Sender Servus TV auf, der in der Corona-Pandemie | |
| bei der Querdenken-Bewegung beliebt wurde. 2024 kassierten die Eigentümer | |
| von Red Bull 984 Millionen Euro allein aus Dividenden. Und das Unternehmen | |
| wächst weiter. | |
| In Baruth will Red Bull außerdem zukünftig nicht nur den Energy-Drink | |
| abfüllen lassen, sondern auch die Dosen dafür selbst produzieren. Neben | |
| einer weiteren Fabrik zu diesem Zweck ist auch ein Logistikzentrum geplant. | |
| Dafür wird noch mehr Wasser nötig sein, zeigen Pläne der Stadt, die der taz | |
| vorliegen. Und weil dadurch mehr Abwasser entsteht, soll auch eine neue | |
| Kläranlage her. Ein Waldstück, teils im Wasserschutzgebiet, soll für die | |
| Dosenfabrik gerodet werden. Aus Sicht der Gegner*innen des neuen | |
| Bauvorhabens setzt die Stadt damit falsche Prioritäten: Industrie vor | |
| Bevölkerung. Doch die Stadtverordneten haben die Bebauungspläne bereits | |
| angepasst. Umweltverbände warnen vor der Erweiterung, die Politik | |
| argumentiert mit bis zu 120 neuen Arbeitsplätzen. Bei Red Bull und Rauch | |
| arbeiten derzeit rund 400 Personen. | |
| Baruth sitzt auf einem Schatz. Das jahrtausendealte Grundwasser im | |
| Urstromtal hat eine besonders gute Qualität. Doch die Klimakrise ist in | |
| Baruth längst angekommen, Brandenburg zählt insgesamt zu den trockensten | |
| Bundesländern – und es wird noch trockener. Der zurückliegende | |
| Brandenburger Winter war der trockenste in ganz Deutschland. Nirgends fiel | |
| weniger Niederschlag. Auch in Baruth versanden Brunnen, etwa die, die es | |
| zum Löschen braucht. Rund 30 Waldbrände gibt es hier im Jahr. | |
| Baruth ist deshalb ein gutes Beispiel für eine Frage, die in Zukunft für | |
| alle wichtig wird: Wie viel Wasser haben wir? Und wem gehört es, wenn es | |
| knapp wird? | |
| Gespräche mit Hydrolog*innen zeigen: Es ist kompliziert. Genaue | |
| Mengenangaben zum unterirdischen Wasserspeicher sind fast unmöglich – weder | |
| für Baruth noch anderswo. | |
| [3][Eigentlich funktioniert Grundwasser] so: Regen versickert langsam im | |
| Boden. Zuerst füllt er das oberflächennahe Grundwasser, das etwa die Bäume | |
| versorgt und mit Fließgewässern verbunden ist. Ein Teil des Wassers sickert | |
| bis in einen zweiten Speicher, in 50 bis über 100 Metern Tiefe, manchmal | |
| liegen darunter noch weitere Grundwasserspeicher. Das Wasser in diesem | |
| Speicher ist in Bewegung, wenn auch nur sehr langsam, seine Schichten und | |
| Kammern sind miteinander verbunden. Deshalb ist es schwer, es als Einheit | |
| zu erfassen. | |
| Laut eines Gutachtens, auf dem die Genehmigung für die Baruther Wasserwerke | |
| beruht, gibt es um Urstromtal noch ausreichend Grundwasser. Doch das | |
| Gutachten ist von 2006 – und damit überholt. Denn wegen der Klimakrise gibt | |
| es weniger Regen und mehr Dürren. Das Umweltbundesamt schätzt, dass in | |
| Brandenburg bis 2050 rund 40 Prozent weniger neues Grundwasser entstehen | |
| könnte. | |
| Was man an Messungen des Landesamtes für Umwelt sehen kann: Das Grundwasser | |
| im oberen Speicher wird in Brandenburg immer weniger, auch in Baruth. Die | |
| Werte schwanken je nach Messstelle. Eine zeigt aber einen klaren Trend: | |
| Seit 1991 sinkt der Spiegel hier um 2,6 Zentimeter im Jahr. Also 78 | |
| Zentimeter allein in den vergangenen 30 Jahren. | |
| Das Wasser im zweiten Speicher des Urstromtals, noch tiefer unter der | |
| Erdoberfläche, stammt laut dem Umweltbericht der Stadt Baruth aus | |
| eiszeitlichen Ablagerungen. Es liegt unter einer dicken, | |
| wasserundurchlässigen Schicht, ähnlich einer versiegelten Flasche. Weil von | |
| oben kaum neues Wasser nachsickern kann, erneuert es sich nur extrem | |
| langsam. Dieses tiefe, jahrhundertealte Wasser dürfen Red Bull und Rauch | |
| nutzen. | |
| Fanny Frick-Trzebitzky, Co-Leiterin der europäischen Forschungsgruppe | |
| „regulate“, die die Grundwasserentwicklung in Europa untersucht, weist | |
| zudem auf eine steigende Wassernutzung hin: „Ältere Daten spiegeln daher | |
| nicht unbedingt die aktuelle oder zukünftige Wasserverfügbarkeit wider“, | |
| sagt sie. Die Messungen, auf deren Basis entschieden wird, welche Mengen | |
| aus dem Boden entnommen und verkauft werden dürfen, seien – auch bundesweit | |
| – oft nicht zuverlässig, da sich die Bedingungen verändert hätten. Einmal | |
| geleerte Reserven ließen sich kurzfristig nicht wieder auffüllen. Wenn zu | |
| wenig Grundwasser da sei, sei es „im Prinzip zu spät, um gegenzusteuern“, | |
| sagt Frick-Trzebitzky. Deshalb sei es wichtig, frühzeitig zu handeln, | |
| Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen und verantwortungsvoll mit dem Wasser | |
| umzugehen. | |
| In einem Waldstück nahe des Grundstücks, auf dem Red Bull bald seine Dosen | |
| produzieren will, liegt die Radeland Siedlung. Wochenendhäuser stehen | |
| verstreut zwischen den rotbraunen Hälsen der Kiefern, überdacht von | |
| nadeligen Schirmen. Die Dosenfabrik, die Red Bull in Baruth bauen lassen | |
| will, soll hier auf etwa 17 Hektar Fläche entstehen. Jetzt steht da noch | |
| der Kiefernwald, der im Westen fast an die Radeland Siedlung grenzt. In der | |
| Fabrik sollen dann die Aludosen für Red Bull geformt, befüllt und mit | |
| Schwertransporten von Baruth aus etwa nach Nord- und Nordosteuropa | |
| geliefert werden. 2027 soll es losgehen. | |
| Im Dezember 2024 hat der Verein der Radeland Siedlung eine Online-Petition | |
| veröffentlicht, Titel: [4][„Demokratie schützen – Missstände in Baruth/M… | |
| aufdecken“]. Die Verfasser*innen halten es für falsch, das Baruther | |
| Grundwasser an den Megakonzern zu verkaufen. Sie finden, die Stadt habe die | |
| Bevölkerung nicht ausreichend an der Planung beteiligt. | |
| Das gesamte Wasser für die Dosen- und Getränkeproduktion erhalten Red Bull | |
| und Rauch von der Wabau, dem Wasser- und Abwasserbetrieb der Stadt Baruth. | |
| Aktuell verbrauchen sie nicht einmal die Hälfte der genehmigten Menge, doch | |
| der Wasserverbrauch soll steigen: „Durch die geplante Umstrukturierung wird | |
| zukünftig deutlich mehr Rohwasser benötigt und es fällt deutlich mehr | |
| Abwasser an“, heißt es im aktuellen Wirtschaftsplan der Wabau. Noch unklar | |
| ist, aus welcher Grundwasserschicht das zusätzliche Wasser kommen soll, das | |
| für die Dosenproduktion nötig ist. | |
| Die Radeländer*innen haben Unterschriften gesammelt, die sie dem | |
| Kreistag Teltow-Fläming vorlegen wollen. Ihre Petition hat den Konflikt | |
| über die Stadtgrenze hinaus getragen. Sie hat 424 Unterschriften. Die | |
| Unterzeichner*innen wollen wissen: Wie viel des Baruther Wassers wird | |
| Red Bull für die Dosenfabrik bekommen? | |
| Wenn es nach Lukas W. ginge, hat Red Bull in Baruth nichts zu suchen. Für | |
| ihn passt der Deal der Stadt mit den Unternehmen nicht zur landesweiten | |
| Situation: „Ich lese die ganze Zeit von Knappheit, und da wird jetzt aus | |
| dem Wasser, das uns hier in Baruth bleibt, ein gesundheitsschädliches | |
| Produkt abgefüllt, in Dosen, die umwelttechnisch nicht zeitgemäß sind“, | |
| sagt er. | |
| Lukas W. ist Mitte 30 und arbeitet als kaufmännischer Angestellter. Sein | |
| voller Name soll nicht in der Zeitung stehen, er möchte im Internet nicht | |
| gefunden werden. „Wieso verscherbelt man diesen Schatz an ein Unternehmen, | |
| das kein Interesse hat, lokal und nachhaltig zu produzieren?“, fragt er. | |
| Lukas W. hat kurz vor der Corona-Pandemie ein Haus in der Siedlung gekauft. | |
| In den vergangenen Jahren hat er die Sitzungen des Bauausschusses besucht | |
| und die Verwaltung mit Fragen per Mail gelöchert. Er findet, dass das | |
| Wasser allen gehört. Und dass es deshalb alle etwas angeht, was die Stadt | |
| mit Red Bull und Rauch verhandelt hat. Doch Antworten zu bekommen, ist | |
| schwierig. | |
| Die Wabau gibt Details zu dem Wasserliefervertrag mit Red Bull nicht raus. | |
| Sie begründet dies mit Geschäftsgeheimnissen. „Ich frage Sie doch auch | |
| nicht nach Ihrem Arbeitsvertrag“, sagt Frank Zierath, der Leiter des | |
| Wasserversorgers, im Gespräch mit der taz Ende Januar. | |
| In seinem Büro stehen vor einer knallorange gestrichenen Schräge | |
| reihenweise Miniatur-Lkw. Auf einem ist ein Foto der DDR-Rockband Puhdys | |
| drauf. Im Jahr 1990, „direkt mit der Wende“, kam der 64-Jährige zur Wabau. | |
| Als Chef spielt er dort heute eine wichtige Rolle: Sein Unternehmen | |
| verwaltet die Werke und Brunnen, die Baruth und seine Industrien mit Wasser | |
| versorgen. Keine zwei Minuten nach Gesprächsbeginn zieht Zierath eine Karte | |
| aus dem Aktenordner und fährt mit dem Zeigefinger die feinen Linien der | |
| unterirdischen Wasserwege nach. | |
| Ihm gegenüber sitzt der zweite wichtige Vertreter der Stadt aus den | |
| Verhandlungsrunden mit den Konzernen: Bürgermeister Peter Ilk. Auch er ist | |
| ein „Urgestein“, wie er sich und Zierath nennt, seit den 1990ern als | |
| parteiloser Bürgermeister engagiert, seit 2003 hauptberuflich im Amt. „Ohne | |
| mich dreht sich hier kein Rad“, sagt Ilk, der sonst im Gespräch | |
| zurückhaltend ist. | |
| Die beiden verteidigen den Verkauf der Brandenburger Urstromquelle seit | |
| Monaten gegenüber Bewohner*innen und der Presse. Zierath sagt, weder | |
| „wir“ noch „die nachfolgenden Generationen“ würden Wasserknappheit erl… | |
| Er bezieht sich damit auf das fast 20 Jahre alte Gutachten von 2006. Mit | |
| „wir“, sagt er auf Nachfrage, meint er die Baruther*innen, „die Region“. | |
| Mit den nachfolgenden Generationen: Mindestens die nächsten hundert Jahre. | |
| Und danach? | |
| Es gibt Fachleute, die das mit dem Geschäftsgeheimnis anders sehen. Die | |
| Transparenzplattform Frag den Staat vereinfacht Bürger*innen Anfragen an | |
| Behörden und hilft juristisch nach, wenn der Staat Informationen versteckt. | |
| Wenn es sein muss, mit Klagen. So wie jetzt in Baruth. | |
| ## Stadt schickt unvollständige Pläne | |
| Im Juli 2023 ist die Anfrage eine*r Bürger*in über die Plattform an die | |
| Stadt herausgegangen. Die Person, mit der sich die taz getroffen hat und | |
| die nicht öffentlich genannt werden will, will wie Lukas W. wissen: Wie | |
| viel Grundwasser erhält Red Bull insgesamt, wie viel zahlt das Unternehmen | |
| dafür? | |
| Antworten gab es keine, die Stadt hat die Anfrage abgelehnt. Begründung: | |
| Die Vertragsinhalte würden als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gelten. | |
| Die Juristin Ida Westphal arbeitet für Frag den Staat. Sie sagt, Teile des | |
| Vertrags könnten zwar Geschäftsgeheimnisse enthalten, deshalb den ganzen | |
| Vertrag unter Verschluss zu halten, sei aber „nicht überzeugend“. Der | |
| Vertrag bereite Baumaßnahmen für die Ansiedlung großer Unternehmen vor. „Es | |
| ist im öffentlichen Interesse zu erfahren, zu welchen Konditionen die Stadt | |
| sich mit Red Bull geeinigt hat.“ Mit Unterstützung von Frag den Staat hat | |
| der*die Anfragesteller*in nun Klage gegen die Stadt eingereicht. | |
| Umweltverbände bewerten oft Bauvorhaben wie die Dosenfabrik. Der BUND | |
| lehnte den Bau der Fabrik bereits im Juli vergangenen Jahres ab, gemeinsam | |
| mit anderen Naturschutzverbänden. In Stellungnahmen, die der taz vorliegen, | |
| warnen sie vor „erheblichen Belastungen nahezu sämtlicher Schutzgüter“ und | |
| einem deutlich höheren Gefährdungspotenzial für das Grundwasser. | |
| Vor allem kritisieren die Verbände die intransparente Beteiligung der | |
| Öffentlichkeit an den Plänen der Konzerne. Die Stadt habe unvollständige | |
| Pläne als Grundlage für die Bewertung geschickt. Sie seien „teilweise | |
| unleserlich“, Seiten hätten „große Flecken“ oder seien leer eingescannt | |
| gewesen. Eine Einschätzung sei so nicht möglich. | |
| Am Nachmittag desselben regnerischen Tags im Januar stehen auf dem | |
| Parkplatz vor einem Supermarkt zwei Zimmermänner in schwarzen Cordhosen und | |
| Westen. Auf die Dosenfabrik angesprochen, antwortet der eine: „Kenne | |
| keinen, den das stört“. – „Kumpels von uns arbeiten da. Die kriegen jetzt | |
| sogar mehr Geld, glaub ich“, ergänzt der andere. Eine Verkäuferin im | |
| Supermarkt sagt: „Hab davon gehört. Vielleicht haben sie die Mitarbeiter | |
| übernommen? Die machen das schon alles sehr still und heimlich.“ | |
| Maik M. kommt aus der Region und wohnt seit fünf Jahren in Baruth. Er ist | |
| 42 Jahre alt und arbeitet bei einem großen Unternehmen als kaufmännischer | |
| Assistent. Nach wenigen Minuten wird deutlich: Er ist wütend. Auf die | |
| Stadt. Auf Red Bull. | |
| Er sorgt sich, dass Red Bull massive Wassermengen entnimmt, bis es sich für | |
| das Unternehmen nicht mehr lohnt. „Wenn es knapp wird, verschwinden sie | |
| einfach, hinterlassen einen leergesaugten Boden. Und wir haben gar nichts | |
| davon.“ Er zweifelt daran, dass Red Bull aktuell überhaupt Gewerbesteuern | |
| an die Stadt zahlt. Denn Unternehmen können ihre Steuerlast durch | |
| Investitionen reduzieren, die steuerlich geltend gemacht werden können. Red | |
| Bull plant in Baruth, die Produktion zu erweitern. Dafür muss der Konzern | |
| investieren. | |
| Maik M. verfolgt die Stadtverordnetensitzungen meistens online, nimmt an | |
| den Bürgerfragestunden teil. Auch er ist gegen die Dosenfabrik. Er würde | |
| gerne mehr Details erfahren. Etwa, wie die Kommune profitiert. Doch er | |
| fühlt sich nicht ernst genommen. Er hat den Eindruck, seine Fragen würden | |
| abgebügelt, sagt er. „Es ist eine Zermürbetaktik. Monatelang wartet man auf | |
| eine Antwort.“ | |
| Die taz hat bei der Stadt Baruth nach den Steuereinnahmen gefragt und keine | |
| Antwort erhalten. Auch Red Bull und Rauch haben eine Anfrage zur | |
| Grundwassernutzung und zu Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der Region bekommen. | |
| Doch die Konzerne beantworteten keine der gestellten Fragen. | |
| Auch das noch amtierende Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) hat sich | |
| monatelang mit dem Fall beschäftigt, allerdings aus anderem Grund. Laut | |
| Handelsblatt prüfte es, ob der Verkauf mit Deutschlands „wirtschaftlichen | |
| und sicherheitspolitischen Interessen“ vereinbar ist. Denn Red Bull gehört | |
| zu mehr als der Hälfte der thailändischen Milliardärsfamilie Yoovidhya, das | |
| habe das BMWK stutzig gemacht. Ein Teil des Firmengeflechts führe über eine | |
| Holding nach Hongkong. Das BMWK sorgte sich, dass China über Red Bull | |
| Einfluss auf das Grundwasser und damit auf die kritische Infrastruktur in | |
| Baruth nehmen könnte. Nach einer Prüfung gab die Behörde schließlich grünes | |
| Licht. War das Wasser kein Thema? Auf Anfrage heißt es, das sei | |
| ausschließlich kommunale Angelegenheit, der Bund sei nicht zuständig. Bei | |
| der Bewertung des Falls sei es ausschließlich um den Einfluss Chinas | |
| gegangen. | |
| Die Stadt betont, dass die Bevölkerung in der Trinkwasserversorgung stets | |
| Vorrang habe, legt dazu aber keine Verträge oder Klauseln offen. Laut | |
| Wirtschaftsplan der Wabau gelten die neuen Verträge mit der Brandenburger | |
| Urstromquelle – im Besitz von Red Bull und Rauch – für 25 Jahre. | |
| Ein Anruf bei Michael Ganschow. Er ist Landesgeschäftsführer der Grünen | |
| Liga Brandenburg und spricht bei der Übernahme der Brandenburger | |
| Urstromquelle von einer „indirekten Privatisierung“. Er sagt, die Stadt | |
| binde sich vertraglich mit dem Verkauf des Wasser an Red Bull und Rauch | |
| ohne zeitliche förderrechtliche Vorbehalte. Die Konzerne müssten somit | |
| zukünftig aufgrund des Vertrags beliefert werden, und die Versorgung der | |
| Bevölkerung bei eventuellem Trinkwassermangel wäre nur noch zweitrangig. | |
| Laut Heinrich-Böll-Stiftung dürfen in Deutschland Unternehmen auch während | |
| Dürreperioden Wasser entnehmen, selbst dann, wenn für Bürger*innen und | |
| Landwirt*innen bereits Einschränkungen gelten. | |
| Dazu kommt: Viele Genehmigungen der Industrie sind jahrzehntealt und werden | |
| trotz veränderter klimatischer Bedingungen kaum überprüft. Immer wieder | |
| gibt es Widerstand. Ein Beispiel: 2016 verhinderten Proteste, dass | |
| Coca-Cola in Lüneburg mehr Grundwasser für die Mineralwassermarke „Vio“ | |
| fördert. Wie in Baruth sorgten sich die Lüneburger*innen um das | |
| Trinkwasser. | |
| Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamts sagt voraus: Nutzungskonflikte | |
| werden in Deutschland zunehmen. „Der Zugang zu Grundwasser wird immer mehr | |
| zum Streitthema, und wo es Konflikte gibt, gibt es auch Verlierer“, sagt | |
| Wasser-Expertin Fanny Frick-Trzebitzky. „Das zeigt, dass die | |
| Ressourcenverteilung immer stärker in den Fokus rückt und dass es in | |
| Zukunft wahrscheinlich noch wichtiger wird, den Zugang zu Wasser gerecht zu | |
| regeln.“ | |
| Berlin könnte in wenigen Jahrzehnten bereits nicht mehr genug Trinkwasser | |
| haben. Schon jetzt werden aufwendige Lösungen gesucht. Etwa, ob entsalztes | |
| Ostseewasser Berlin versorgen oder Elbwasser in die Spree umgeleitet werden | |
| könnte. | |
| Michael Rippl-Bauermeister sieht schon jetzt, wie die Natur leidet. Als | |
| Förster verbringt er seine Tage im Wald. An einem Novembertag sitzt der | |
| 40-Jährige in wetterfester brauner Kleidung auf dem Beifahrersitz im Auto. | |
| Er zeigt auf eine Abzweigung auf dem Forstweg im Schöbendorfer Busch: Ein | |
| Naturschutzgebiet, nur 13 Autominuten von dem Industriegebiet entfernt, auf | |
| dem Red Bulls Fabriken stehen. Seit gut 15 Jahren ist Rippl-Bauermeister | |
| Förster in Baruth. Er selbst wohnt im nahegelegenen Ludwigsfelde. | |
| „Jetzt links“, sagt er. Der Wagen stoppt. Rippl-Bauermeister steigt aus, | |
| seine Arbeitsschuhe sinken in das Laub am Boden. Er kennt die Stellen, an | |
| denen selbst das ungeschulte Auge sieht, dass das Grundwasser schwindet. | |
| Mit der Hand fährt er über die raue Rinde einer 400 Jahre alten Eiche. Hier | |
| hat sich der Eichenheldbock ins Holz gefressen. Mit dem Klimawandel sterben | |
| die Bäume, und mit ihnen der seltene Käfer. | |
| Einen Wald, wie wir ihn heute kennen, werde es so in Zukunft nicht mehr | |
| geben, sagt der Förster. „Ich bin zufrieden, wenn ich dann überhaupt noch | |
| einen Baum da habe.“ Er spricht mit ruhiger Stimme. Als wolle er sagen: Ich | |
| tue, was ich kann. | |
| Nächste Station ist das Hammerfließ. Früher saßen hier Angler*innen, sagt | |
| der Förster. In diesem Winter ist nur ein Rinnsal zu sehen. Die | |
| freigespülten Wurzeln der Bäume verlieren ihren Halt. Sinkt der Pegel | |
| weiter, verschwinden Laichplätze für Amphibien, ganze Arten verlieren ihren | |
| Lebensraum. „Das hat auch Folgen für uns Menschen“, sagt der Förster. Denn | |
| das Fließ ist auch Teil des Wasserkreislaufs. | |
| Laut Stadt sind Aufforstungen zum Ausgleich der Rodung für die Dosenfabrik | |
| geplant, dazu sind Unternehmen ohnehin rechtlich verpflichtet – doch Red | |
| Bull werde diese Aufforstung nicht direkt in der Region umsetzen. | |
| Rippl-Bauermeister findet: Wenn Red Bull in Baruth schon Wasser entnimmt, | |
| sollte der Konzern auch vor Ort in den Grundwasserschutz investieren. Zum | |
| Beispiel durch die Wiedervernässung von Feuchtgebieten wie Mooren. | |
| Zwei Monate später in der Bäckerei eines Supermarktes in Baruth. Tilo | |
| Kannegießer kommt während seiner Mittagspause hinein. Seit 15 Jahren ist er | |
| Stadtverordneter der sogenannten Listenvereinigung, einem Zusammenschluss | |
| von parteiunabhängigen Bürger*innen. Aus seiner Sicht fehlt es im | |
| Stadtparlament an Diskussion. Was die Stadt vorschlägt, würde abgenickt, | |
| die Konsequenzen selten abgewogen. Er sagt: „Es gibt kaum Widersprüche oder | |
| Einsprüche von unseren Bürgern.“ Für ihn ein Zeichen dafür, dass die Stadt | |
| nicht so kommuniziere, dass eine Beteiligung der Bevölkerung möglich sei. | |
| Bauleitverfahren und Einspruchsfristen lägen oft während der Ferienzeiten. | |
| Der Deal mit Red Bull kommt Kannegießer nicht gut ausgehandelt vor. Es ist | |
| nicht so, als wolle er die Fabrik abreißen. Aber wenn schon, denn schon, | |
| findet er. „Jetzt, wo Red Bull da ist, soll der Konzern wenigstens etwas | |
| für die Stadt machen. Eine Schwimmhalle finanzieren, ein Gymnasium“, sagt | |
| er. | |
| An einem Donnerstagabend Anfang Februar ist Stadtverordnetenversammlung in | |
| Baruth. Sie wird im Internet gestreamt. Es geht um den neuen | |
| Wirtschaftsplan der Stadt. Die Mitglieder des Bauausschusses sitzen an | |
| langen Tischen im Sitzungssaal der Stadt. Den Stadtverordneten sitzen | |
| einige Männer gegenüber, darunter Wabau-Chef Frank Zierath und | |
| Bürgermeister Peter Ilk. Punkt für Punkt wird der Wirtschaftsplan | |
| durchgegangen. Spät am Abend steht der Wasserverbrauch der geplanten | |
| Dosenfabrik von Red Bull auf der Agenda. Und die 22 Millionen Euro teure | |
| Kläranlage, die nötig ist, um das zusätzliche Abwasser zu reinigen. Mehr | |
| als die Hälfte der Kosten übernimmt das Land Brandenburg. | |
| Einziger Kritiker ist Tilo Kannegießer: „Warum nehmt ihr Fördermittel, also | |
| Steuergelder, um die Kläranlage für Red Bull zu bauen? Kann so ein | |
| milliardenschweres Unternehmen das nicht selber bauen?“ Zierath antwortet: | |
| „Das Land Brandenburg hat diese Fördermittel genehmigt. Es ist ganz normal, | |
| dass jeder Investor, egal wie reich er ist, die Möglichkeit hat, | |
| Fördermittel zu beantragen.“ Am Ende stimmt die Versammlung dem | |
| Wirtschaftsplan geschlossen zu – Kannegießer enthält sich. Er ist auch | |
| einer von nur drei Stadtverordneten, die bei einer Sitzung im März 2023 | |
| gegen den Bau der Dosenfabrik gestimmt haben. | |
| Auf einer Erhöhung im Südosten von Baruth öffnet Wabau-Chef Frank Zierath | |
| eine schwere Metalltür. Im Wasserwerk liegt ein feiner Eisengeruch in der | |
| Luft. Drinnen ragen zwei große, blaue Filterbehälter auf, verbunden mit | |
| einem Netz aus silbernen Rohren und Ventilen. Hier wird das Trinkwasser für | |
| Baruth gereinigt, es durchläuft Schichten aus Quarzsand, die Eisen und | |
| Mangan herausfiltern. | |
| Nur wenige Meter weiter befindet sich ein Brunnen. Zierath hebt eine Luke | |
| an. Ein metallener Deckel, eingelassen in Beton, in den Schacht führen ein | |
| paar Rohre mit Messgeräten. Der Brunnen pumpt hier aus 100 Metern Tiefe, | |
| was die Region am Leben hält. Und wovon viele einen Anteil wollen. | |
| Frank Zierath schließt den Metalldeckel wieder. Er kennt die Handgriffe, | |
| das hier ist für ihn Routine. Ähnlich sicher scheint er zu sein, dass es | |
| die Leute schon zufriedenstellen wird, wenn er sagt: Das Wasser wird | |
| reichen. | |
| Kurz zuvor hat Zierath noch gesagt: „Baruth wird wachsen.“ Die Stadt | |
| erschließe bereits ein neues Wohngebiet mit hunderten von Wohnungen. Denn: | |
| Die nächsten Anfragen der Industrie lägen längst auf dem Tisch. Eine | |
| Wasserstoffproduktion. Ein Rechenzentrum. Zierath und Bürgermeister Ilk | |
| freuen sich über die nächsten Anfragen aus der Industrie. Der Standort ist | |
| begehrt. Aber: „Es gibt noch keine unterschriebenen Verträge“, sagt | |
| Zierath. | |
| Klar ist: Auch diese Firmen wollen das Wasser aus Baruth. | |
| 29 Mar 2025 | |
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| regenreichen Winter ist der Hamburger Grundwasserpegel trotzdem stabil. | |
| Klima-Deregulierung in den USA: Ideologisch verblendet | |
| Donald Trump entkernt die Umweltpolitik, als gäbe es den Klimawandel nicht. | |
| Für Deutschland und Europa liegen darin Chancen. | |
| Bericht der Europäischen Umweltagentur: Zustand des Wassers in Europa ist alar… | |
| Die Europäische Umweltagentur warnt vor Wasserknappheit, denn der Zustand | |
| des Wassers ist schlecht. In Deutschland ist die Situation teilweise | |
| besser. | |
| Wassermangel in Frankreich: Kampf gegen die Riesenbecken | |
| In Frankreich häufen sich die Proteste gegen die „Méga-Bassines“ für die | |
| Landwirtschaft. Die kommende Regierung wird reagieren müssen. |