# taz.de -- Frankreichs Klimapolitik nach den Wahlen: Zu viele offene Fragen | |
> Kommt ein CO2-Budget für die Sektoren? Was wird aus der französischen | |
> Klimabewegung? Alles hängt davon ab, welche Koalition in Paris zustande | |
> kommt. | |
Bild: Bei einer Mehrheit der extremen Rechten hätten atomkritische Bewegungen … | |
Paris taz | „Was für eine Erleichterung“, sagt Laurence Tubiana und meinte | |
damit die [1][Niederlage des rechten Populismus in Frankreich bei der | |
zweiten Stichwahl] am ersten Juliwochenende. Tubiana ist Vorsitzende der | |
Europäischen Klimastiftung und hat beim Pariser Klimaabkommen die | |
Verhandlungen für Frankreich geführt. | |
Gut eine Woche später ist immer noch völlig unklar, wie die neue Regierung | |
aussieht. Das [2][siegreiche Linksbündnis hat sich bislang noch auf keinen | |
Kandidaten für das Amt des Premierministers geeinigt]. Auch Präsident | |
Emmanuel Macrons Bemühungen, die konservativen Républicains, die | |
Sozialisten oder weitere Partner für eine große Koalition oder die | |
Tolerierung einer Minderheitsregierung zu gewinnen, waren erfolglos. | |
Trotzdem sind sich Umweltorganisationen und Klimaschützer einig, dass das | |
Schlimmste ausgeblieben ist. | |
„Der Rassemblement National an der Macht wäre das Ende aller Ambitionen für | |
einen gerechten und ehrgeizigen ökologischen Übergang gewesen, der so | |
dringend notwendig ist“, heißt es in einem Statement von Greenpeace. Auch | |
bei der europäischen Denkfabrik Strategic Perspectives herrscht | |
Erleichterung. Ihre Experten hatten eine Verlangsamung der „europäischen | |
Integration und des grünen Übergangs“ befürchtet, falls rechtsextreme | |
Abgeordnete die Mehrheit in der Nationalversammlung hätten. | |
Der Rassemblement National (RN) hat aus seiner Abneigung gegen Umwelt-NGOs | |
nie einen Hehl gemacht. Er will den Prozess des Umweltdialogs und die | |
Finanzierung dieser Organisationen stoppen. | |
## Unsichere Finanzierung | |
Bei der Debatte über den Haushaltsentwurf 2024 etwa hatten mehrere | |
RN-Abgeordnete in einem Änderungsantrag gefordert, die staatliche | |
Budgethilfe in Höhe von 700.000 Euro für atomkritische Organisationen und | |
Initiativen, die sich für zivilen Ungehorsam aussprechen, zu streichen. | |
Genannt wurden insbesondere das [3][Climate Action Network], Friends of the | |
Earth und [4][France Nature Environnement.] „Wenn wir nicht mit der Politik | |
einverstanden sind, werden uns die Zuschüsse gestrichen“, fasst Anne | |
Bringault, Programmdirektorin des Climate Action Network, zusammen. Für | |
ihre Organisation machen die Zuschüsse zwischen 30 und 40 Prozent des | |
Budgets aus. | |
Sébastien Treyer, Direktor des [5][Thinktanks IDDRI, der sich mit dem | |
nachhaltigen Übergang beschäftigt], gibt allerdings zu denken, dass die | |
politische Landschaft endgültig in drei Blöcke zerfallen ist. Das lasse | |
„eine stark polarisierte französische Gesellschaft erkennen, die ihre | |
Angst, ihre Unzufriedenheit und ihr Misstrauen zum Ausdruck bringt“, sagt | |
er. „Die erste Dringlichkeit besteht darin, einen Gesellschaftsvertrag und | |
die Fähigkeit zu verhandeln wieder aufzubauen.“ | |
Da kein Programm die absolute Mehrheit bekommen habe, müssten die | |
französischen Parteien der Linken und der Mitte nun „die Kultur der | |
Koalition lernen“, sagt auch der Renaissance-Europaabgeordnete Pascal | |
Canfin. „Dieser Koalitionsgeist funktioniert in vielen europäischen | |
Ländern, er kann auch bei uns erfolgreich sein.“ Als damaliger Vorsitzender | |
des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments war Canfin in der letzten | |
Amtszeit an vorderster Front damit beschäftigt, Koalitionen zwischen der | |
europäischen Rechten, den Sozialisten, den Liberalen von Renew und den | |
Umweltschützern aufzubauen, um [6][den European Green Deal] zu | |
verabschieden. | |
## Offene Gesetzesvorhaben | |
Welche Koalition nun in Frankreich zustande kommt, ist nicht nur generell | |
wichtig für die französische Klima- und Umweltpolitik, sondern auch für | |
ganz konkrete Vorhaben. Denn die von Macron beschlossene Auflösung des | |
letzten Parlaments hat dazu geführt, dass viele Gesetzgebungsprozesse | |
eingefroren wurden. Dazu zählen eine ganze Reihe von Gesetzen, die mit der | |
Klimapolitik und dem ökologischen Übergang zusammenhängen. Andere Maßnahmen | |
– wie die Reduzierung des Pestizideinsatzes in der Landwirtschaft – hatte | |
die [7][Regierung Macron schon vorher unter dem Druck der Bauernproteste | |
aufgegeben]. | |
Zu den Gesetzen, die sich nun in der Warteschleife befinden, gehören so | |
wichtige wie die Dekarbonisierungsstrategie für den Zeitraum 2024 bis 2033. | |
Diese sieht vor, dass für jeden Sektor ein CO2-Budget festgelegt wird, also | |
ein Niveau an Treibhausgasemissionen, das nicht überschritten werden darf. | |
Auch die neue mehrjährige Energieplanung und der nationale Plan zur | |
Anpassung an den Klimawandel hängen aktuell. Ebenso wie der seit zwei | |
Jahren erwartete Gesetzesentwurf zur Ausrichtung der Landwirtschaft und der | |
Gesetzesvorschlag für ein [8][Verbot der sogenannten Ewigkeitschemikalien | |
PFAS], per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, die als krebserregend | |
gelten, aber immer noch in vielen Alltagsprodukten verwendet werden, weil | |
sie sie fett- und wasserabweisend machen. | |
Die Zukunft all dieser Vorhaben wird davon bestimmt, wie sich die neue | |
Regierung zusammensetzt – und welche Mehrheiten das in der | |
Nationalversammlung bedeutet. | |
14 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Frankreich-nach-der-Wahl/!6019451 | |
[2] /Drama-um-Melenchon/!6020552 | |
[3] https://climatenetwork.org/ | |
[4] https://fne.asso.fr/ | |
[5] https://www.iddri.org/en | |
[6] /EU-Parlament-beschliesst-Klimagesetze/!5926015 | |
[7] /Regierung-macht-Zugestaendnisse/!5989838 | |
[8] /Chemikalienbelastung-in-Gewaessern/!6010252 | |
## AUTOREN | |
Claire Stam | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Klimawandel | |
Parlamentswahlen Frankreich | |
Schwerpunkt Rassemblement National | |
Wassermangel | |
Schwerpunkt Europawahl | |
Jean-Luc Mélenchon | |
Podcast „klima update°“ | |
Schwerpunkt Frankreich | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wassermangel in Frankreich: Kampf gegen die Riesenbecken | |
In Frankreich häufen sich die Proteste gegen die „Méga-Bassines“ für die | |
Landwirtschaft. Die kommende Regierung wird reagieren müssen. | |
Frankreich nach der Wahl: Linkes Bündnis droht zu zerbrechen | |
In Frankreich können die linken Wahlsieger sich nicht auf einen | |
Personalvorschlag einigen. Präsident Macron will vorerst eh keinen neuen | |
Premier. | |
Drama um Mélenchon: Zittern wie Gott in Frankreich | |
Die Stimmungsmache gegen das Linksbündnis ist verkappte Angst vor radikaler | |
Umverteilung. Doch die braucht es, um den Rechtsextremismus aufzuhalten. | |
Podcast „klima update°“: Die Klima-News der Woche | |
Aufrüstung ist klimaschädlich. Deutschland bekommt Fußverkehrstrategie. | |
Deutsche wissen wenig über Maßnahmen, die CO2 wirklich reduzieren. | |
Frankreich nach der Wahl: Bedrohte Vielfalt | |
Frankreich ist zuletzt nach rechts gedriftet, Angriffe auf Migrant:innen | |
und Jüd:innen nehmen zu. Auch die Kulturszene leidet. Eine Spurensuche. |