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# taz.de -- Antisemitismus in Frankreich: Welche Linke wollt ihr?
> In Frankreich warnen Intellektuelle vor einigen Kräften im neuen
> Linksbündnis Nouveau Front populaire und haben einen offenen Brief
> verfasst.
Bild: Mélenchon, Gründer der linken Partei La France Insoumise (LFI), auf der…
[1][Didier Eribon] war gerührt, als auf der Pariser Place de la
Bataille-de-Stalingrad das alte Arbeiterlied „Ma France“ des Kommunisten
Jean Ferrat erklang. Jean-Luc Mélenchons La France insoumise (LFI) hatte
dorthin zur Wahlparty geladen. Le Pens Rassemblement National war vom neuen
Linksbündnis verhindert worden – das war die erleichternde Nachricht, da
konnte schon ein wenig Pathos aufkommen.
Der Chansonnier Jean Ferrat war elf Jahre alt, als sein jüdischer Vater,
der vor russischen Judenpogromen nach Frankreich geflüchtet war,
verschleppt und schließlich in Auschwitz ermordet wurde. Der kleine Jean
überlebte nur dank kommunistischer Widerstandskämpfer, die ihn versteckten,
bevor seine Mutter mit ihm fliehen konnte.
Jean-Luc Mélenchon geriert sich selbst gerne als potenzielles Opfer von
Faschisten. Das soll das rote Dreieck, das er häufig an seinem Revers
trägt, wohl ausdrücken, während er und viele seiner Mitstreiter die
Solidarität mit Juden und Jüdinnen längst aufgekündigt zu haben scheinen.
Den jüdischen Dachverband CRIF nannte er eine „aggressive Gemeinschaft, die
den Rest des Landes belehren will“. Einer seiner Genossen fand, dass die
Vergewaltigung eines jüdischen Mädchens in Courbevoie zu sehr in den Medien
thematisiert wurde. Und Rima Hassan, die man oft an Mélenchons Seite sieht,
verkündete, der jüdische Staat ließe palästinensische Gefangene von Hunden
vergewaltigen und stähle ihre Organe.
## Antisemitismus der Gegenwart
An diese und weitere Ungeheuerlichkeiten aus den Reihen der LFI und anderer
Parteien aus dem neuen Linksbündnis erinnern nun [2][100 französische
Intellektuelle in einem offenen Brief] in Tribune Juive und fordern, den
Nouveau Front populaire zu blockieren. Ob das eine gute Idee ist, darüber
lässt sich streiten; nicht zu leugnen ist, dass LFI den antijüdischen Hass
in Kauf nimmt.
Im offenen Brief spricht man gar von einer antijüdischen Wahlstrategie;
unterschrieben haben ihn international bekannte Intellektuelle wie der
Schriftsteller Boualem Sansal, der Historiker Georges Bensoussan, der
Politologe Pierre-André Taguieff sowie Daniel Knoll, dessen alte Mutter,
die nur knapp die Schoah überlebt hatte, 2018 in ihrer Wohnung von einem
Nachbarn aus antisemitischen Motiven ermordet wurde.
„Es ist kein Verdienst, den Antisemitismus der Vergangenheit zu
verurteilen, wenn man gegenüber dem Antisemitismus der Gegenwart nicht
unerbittlich ist“, so die Unterzeichnenden.
## Welche Affekte?
[3][Der Literatur- und Sozialwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma] zeigte
kürzlich in einer brillanten Rede, die gerade in einem kleinen Band in der
Hamburger Edition erschienen ist („ ‚Sagt, hab ich recht?‘ Drei Reden zur
Gegenwart alter Probleme “), wie im Grunde stets „am Antisemitismus den
Juden die Schuld“ gegeben wird.
Die Frage, ob jemand Antisemit ist oder ab wann Israelkritik Antisemitismus
ist, verwirft er zugunsten der Frage, „welcher Argumentationsmuster sich
eine bestimmte politische Agitation bedient, welche Affekte sie
stimuliert“.
Welche Affekte stimulieren Mélenchon und seine Genossen und Genossinnen?
Will man eine Linke, die antijüdische Ressentiments schürt oder dazu
schweigt? Mit Hannah Arendt geantwortet: „Those who choose the lesser evil
forget very quickly that they chose evil.“
13 Jul 2024
## LINKS
[1] /Neues-Buch-von-Didier-Eribon/!5451640
[2] https://www.tribunejuive.info/2024/07/05/le-nouveau-front-populaire-constit…
[3] /Reemtsma-Institut-vor-der-Schliessung/!5984502
## AUTOREN
Tania Martini
## TAGS
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