| # taz.de -- Gespräch mit dem Regisseur Levan Akin: „Es ist wie ein kleines A… | |
| > Levan Akin verbindet in seinem Spielfilm „Crossing – Auf der Suche nach | |
| > Tekla“ ein Roadmovie mit einem Porträt der LGBTQ-Community von Istanbul. | |
| Bild: Lia (Mzia Arabuli) wird von Achi (Lucas Kankava) begleitet auf der Suche … | |
| Auf der Suche nach ihrer verschwundenen trans Nichte Tekla reist die | |
| pensionierte Lehrerin Lia von Georgien nach Istanbul. Im Schlepptau hat sie | |
| den jugendlichen Achi, der für sich selbst ein besseres Leben in der | |
| Metropole am Bosporus erhofft. Lange hilft ihnen niemand, bis sie der | |
| jungen Transaktivistin Evrim begegnen. Der schwedisch-georgische | |
| [1][Regisseur Levan Akin („Als wir tanzten“)] verwebt in „Crossing – Auf | |
| der Suche nach Tekla“ Traditionen und Moderne, Genderfragen und | |
| Klassenunterschiede zu einem lebendigen Porträt der regionalen | |
| LGBTQ-Community. [2][Auf der Berlinale, wo der Film im Februar die Sektion | |
| Panorama eröffnete, wurde „Crossing“] mit dem Teddy-Jurypreis | |
| ausgezeichnet. | |
| wochentaz: Herr Akin, Ihr neuer Film beginnt in Georgien, dem Land Ihrer | |
| Eltern, und verlagert sich dann nach Istanbul. Wie gut kannten Sie die | |
| Stadt? | |
| Levan Akin: Ich liebe Istanbul seit meiner Kindheit. Mit meiner Familie war | |
| ich fast jeden Sommer in der Türkei und habe meine Großmutter besucht, die | |
| wie so viele Georgier dorthin ausgewandert war. Bis heute habe ich | |
| Verwandtschaft in Istanbul, die Stadt wandelt sich ständig, es ist ein | |
| verrückter, aber fantastischer Ort. All das wollte ich festhalten, durch | |
| den neugierigen, aber fremden Blick einer älteren Frau auf der Suche nach | |
| ihrer trans Nichte. | |
| Wie viel wussten Sie über die [3][Trans- und Queer-Community in Istanbul]? | |
| Ich hatte einige Menschen kennengelernt, als ich meinen Film „Als wir | |
| tanzten“ präsentierte, der in der Türkei sehr erfolgreich war. Viele, die | |
| in „Crossing“ vor der Kamera mitwirken, sind Teil der Community. Ein | |
| türkischer trans Mann hat das Casting gemacht und mir viele weitere | |
| Menschen vorgestellt. Eine der ersten Frauen, die ich getroffen habe und | |
| die mich zu der Figur Evrim inspiriert hat, ist eine aktivistische Anwältin | |
| in Istanbul. Etliche Szenen im Film hat sie selbst fast genauso erlebt. | |
| Wie authentisch sind die Orte, die sie zeigen, etwa die Häuser mit den | |
| queeren Kommunen? | |
| Ich liebe Istanbul für die Vielfalt. Die unterschiedlichsten Leute leben | |
| hier neben-, über- und hintereinander. An einer Ecke das religiöse Viertel | |
| und zwei Straßen weiter der LGBTQ-Kiez, in dem queere Pärchen Hand in Hand | |
| gehen. Auch das Haus, in dem die Sexworkerinnen am Fenster sitzen und sich | |
| von Wohnung zu Wohnung zurufen, gibt es tatsächlich so. Wir verwendeten am | |
| Ende zwar nicht das reale Gebäude, weil wir nicht hineinplatzen wollten. | |
| Also haben wir es ganz in der Nähe nachgebaut. Aber alles ist so lebensnah | |
| wie möglich, abseits der touristischen Pfade. | |
| Wie schwierig war es, Drehgenehmigungen zu bekommen? | |
| Türkische Filme spielen nicht ohne Grund meist in ländlichen Gegenden, weil | |
| es fast unmöglich ist, in Istanbul zu drehen. Zum Glück war mir das anfangs | |
| nicht bewusst. Ich dachte ganz naiv, wir werden hier und da und dort | |
| drehen. Aber es war sehr mühsam. | |
| Wegen des Themas? | |
| Dafür interessiert sich in Istanbul niemand, die Stadt ist nicht wie der | |
| Rest des Landes. Sie ist vielfältig und sehr multikulturell geprägt. | |
| Griechen, Armenier, Georgier, spanische Juden aus der Zeit der Inquisition, | |
| sie alle zogen nach Istanbul. Es ist wie ein kleines Amerika. Vor allem war | |
| es ein logistisches Problem. Alle sind freundlich und sagen erst mal ja, | |
| ja. Und dann wird es doch sehr kompliziert. | |
| Während Lia und Lucas auf der Suche sind, scheint Evrim die einzige Person, | |
| die ihren Platz im Leben bereits gefunden hat. | |
| Ich wollte eine widerstandsfähige Frau zeigen, die über ihr Leben bestimmen | |
| kann. Sie nimmt sich den Raum, er wird ihr nicht gegeben. Das habe ich in | |
| der Community dort immer wieder so wahrgenommen, und das wollte ich im Film | |
| widerspiegeln. Die Darstellerin, Deniz Dumanli, hatte zuvor keine Erfahrung | |
| vor der Kamera, es ist ihr erster Film, und etliche Szenen waren für sie | |
| herausfordernd, weil sie ganz ähnliche Erfahrungen gemacht hat. | |
| Viele Ihrer Darsteller*innen standen zuvor noch nie vor der Kamera. Wie | |
| finden Sie die richtige Besetzung für Ihre Figuren? | |
| Es ist ein sehr langer Prozess. Für mich bestehen zwei Drittel des Films | |
| darin, die passende Person für jede Figur zu finden. Wenn das nicht | |
| gelingt, kann der Film zwar gut sein, aber er wird nicht wirklich berühren. | |
| Ich verbringe also viel Zeit mit der Suche und ging damit allen auf die | |
| Nerven. Luca etwa war kein Profi, er hat zuvor in einem Schönheitssalon | |
| gearbeitet und sich mit einem Selfie bei uns beworben. Mzia ist in Georgien | |
| eine bekannte Theaterschauspielerin, aber es ist erst ihr zweiter Film | |
| überhaupt. Sie ist meine Anna Magnani, ich liebe sie. Deniz hat uns ein | |
| Video auf Facebook geschickt. | |
| Sie rücken in Ihren Filmen immer wieder gesellschaftliche Außenseiter ins | |
| Zentrum. Warum? | |
| Es ist meine Hommage an Empathie und Solidarität, weil ich das in der | |
| Gesellschaft und im Leben allgemein sehe. Manchmal sind es nur kleine | |
| Gesten, die eine Art von Zusammenhalt zeigen. Das kommt sonst im Kino kaum | |
| vor oder nur in einer verkitschten Version. Ich glaube fest daran, dass wir | |
| Menschen im Grunde freundlich, zugewandt und solidarisch sind. Wir wollen | |
| uns gegenseitig helfen, wenn wir können. Und das möchte ich auch | |
| darstellen. Für mich ist das die Realität, nicht diese andere Realität, in | |
| der die Menschen einander misstrauen. | |
| Im Film geht es auch um Gewalt, vor allem gegen trans Personen, die Sie | |
| aber nicht zeigen. Warum? | |
| Weil das in queeren Filmen viel zu oft zu sehen ist. Wir wissen, dass es | |
| diese Gewalt gibt, aber ich will sie nicht reproduzieren. Ich muss nicht | |
| sehen, wie jemand verletzt wird. Das wäre schnell Ausbeutung. Mich | |
| interessieren viel mehr die kleinen Gesten der Solidarität und | |
| Freundlichkeit. Ich will inklusivere Geschichten erzählen, mit Erwartungen | |
| spielen. Wenn Evrim den gutaussehenden cis Mann kennenlernt, wird daraus | |
| kein Problem. Da sind einfach zwei Menschen, die sich heiß finden und Sex | |
| haben. Jemand meinte zu mir: „Aber er ist so nett.“ Ja, genau! Warum sehen | |
| wir eine solche Szene und erwarten sofort, dass etwas Schreckliches | |
| passiert? Hier begegnen sich zwei Menschen und es ist gut so. Das ist für | |
| mich subversiv. | |
| 13 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Abeltshauser | |
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