# taz.de -- Neuer Film von Levan Akin: Verschwinden wollen in Istanbul | |
> Eine Frau sucht ihre Nichte. In „Crossing“ taucht der | |
> schwedisch-georgische Regiesseur Levan Akin ein in die queere Welt | |
> Istanbuls. | |
Bild: Lia (herausragend gespielt von Mzia Arabuli) lässt los und tanzt in „C… | |
Bei to cross – also überqueren – denkt man zuerst an eine Straße. | |
Überqueren lassen sich aber auch Ländergrenzen, Gewässer, gesellschaftliche | |
Normen und im Sinne des Überwindens auch Vorurteile. All das vereint der | |
Spielfilm „Crossing“ des schwedisch-georgischen Filmemachers Levan Akin, | |
der auf der Berlinale die Sektion Panorama eröffnete. | |
Die pensionierte Lehrerin Lia aus Georgien sucht nach ihrer Nichte Tekla, | |
die sich in Istanbul aufhalten soll. Begleitet wird sie von Achi, einem | |
jungen Mann, der vorgibt zu wissen, wo Tekla sich aufhält: in einer | |
Wohngemeinschaft für trans Frauen. | |
Selbst in Schweden aufgewachsen, verbrachte Regisseur und Drehbuchautor | |
Akin viel Zeit bei seiner Familie in Georgien sowie in der Türkei, woher | |
seine Eltern stammen, sagt er am Premierenabend. Bereits mit „[1][Als wir | |
tanzten“, einer schwulen Liebesgeschichte], die 2020 in der Kategorie | |
Bester Internationaler Film für die Oscars eingereicht wurde, setzte er dem | |
queerfeindlichen Klima in Georgien filmisch etwas entgegen. | |
Mit „Crossing“ setzt er dieses Vorhaben fort: „Ich widme diesen Film all | |
jenen, die nicht ihr wahres Selbst ausleben können.“ Tekla ist so jemand: | |
Von ihrer inzwischen verstorbenen Mutter und deren Schwester Lia verstoßen | |
und von der georgischen Dorfgemeinschaft geächtet, überquert sie die Grenze | |
ins Nachbarland Türkei, um dort selbstbestimmt leben zu können. | |
So ist die Annahme, denn ihre Spuren sind verwischt, was klar wird, als | |
sich Achis Informationen als falsch herausstellen: „Istanbul scheint ein | |
Ort zu sein, an den Menschen gehen, wenn sie verschwinden wollen.“ | |
## Ausbrechen aus Rollenmustern | |
Zwar ist die Suche nach Tekla der treibende Motor der Handlung, | |
ausschlaggebend ist aber, was die Überquerung der Ländergrenzen, das | |
Ausbrechen aus dem Alltag und seinen traditionellen Rollenbildern mit Lia | |
und Achi macht. Denn obwohl die Landschaft gleich aussieht, ist prompt | |
alles anders: die Sprache, die Preise, die Menschen. Sich dort | |
zurechtzufinden erscheint schwierig, bietet beiden aber die Möglichkeit, | |
sich selbst näherzukommen. | |
Besonders deutlich wird das bei Lia: Mzia Arabuli spielt diese strenge und | |
erhaben wirkende Frau sensationell. Anfangs noch abgeneigt gegenüber allem, | |
was auf sie frivol wirkt, bröckelt ihre Fassade zusehends. Hilfreich dabei | |
ist Achis sensible Art, die Lucas Kankava in seiner ersten Rolle gekonnt | |
vermittelt. | |
An ihre Seite gesellt sich Evrim (ebenfalls in ihrer ersten Rolle glänzt | |
hier Deniz Dumanli), selbst trans Frau und Anwältin, die sich für die | |
Rechte queerer Menschen einsetzt. Dass diese auch in der Stadt am Bosporus | |
nicht selbstverständlich gegeben sind, macht Akin deutlich. | |
Die Begeisterung nach der Premiere im Zoopalast ist greifbar, der Applaus | |
tosend und lang anhaltend, zu Recht und nicht unwesentlich – bestimmt in | |
der Panorama-Kategorie doch das Publikum, wer hier am Ende einen Preis | |
erhält. | |
16 Feb 2024 | |
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[1] /Interview-zu-Homosexualitaet-in-Georgien/!5695597 | |
## AUTOREN | |
Sophia Zessnik | |
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