# taz.de -- 155 Femizide in Deutschland: Häusliche Gewalt nimmt weiter zu | |
> 2023 gab es erneut mehr Fälle von häuslicher Gewalt. Die meisten Opfer | |
> waren weiblich. Bundesinnenministerin Faeser (SPD) verspricht mehr | |
> Prävention. | |
Bild: Familienministerin Paus und Innenministerin Faeser stellen das Bundeslage… | |
BERLIN taz | Die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt ist im Vergleich zum | |
Vorjahr erneut gestiegen. Das geht aus einem aktuellen Bericht des | |
Bundeskriminalamts (BKA) hervor. Im Jahr 2023 haben demnach knapp über | |
250.000 Menschen häusliche Gewalt erfahren. Im Vergleich zum Vorjahr ist | |
dies ein Anstieg von 6,5 Prozent. | |
Unter Häusliche Gewalt fallen in der Kriminalstatistik des BKA sowohl | |
Partnerschaftsgewalt durch aktuelle oder ehemalige Partner:innen als | |
auch innerfamiliäre Gewalt gegen und von Angehörigen. Zwei Drittel der | |
Opfer waren dabei von Partnerschaftsgewalt betroffen, fast 80 Prozent von | |
ihnen sind Frauen. Im letzten Jahr wurden 155 Frauen durch ihren Partner | |
oder Ex-Partner ermordet. | |
„Wenn Frauen umgebracht werden, weil sie Frauen sind, müssen wir das klar | |
als das benennen, was es ist: ein Femizid,“ erklärte Bundesinnenministerin | |
Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung des Bundeslagebilds zur häuslichen | |
Gewalt am Freitag. Man dürfe solche Taten nicht als „Beziehungstaten“ | |
verharmlosen. Als Femizid wird die Tötung von Frauen und Mädchen aufgrund | |
ihres Geschlechts bezeichnet. | |
Bei über der Hälfte der Partnerschaftsgewalt handelte es sich um | |
Körperverletzung, in elf Fällen endete diese tödlich. Knapp ein Viertel | |
aller Betroffenen wurden Opfer von Bedrohung, Stalking oder Nötigung. | |
BKA-Vizepräsidentin Martina Link betonte, dass Stalking mittlerweile auch | |
vermehrt im Internet stattfinde. | |
„Wir gehen besonders bei der Partnerschaftsgewalt von einem hohen | |
Dunkelfeld aus,“ kommentierte Link die Statistik. Allerdings sei unklar, ob | |
es sich bei den gestiegenen Zahlen um einen tatsächlichen Anstieg | |
häuslicher Gewalttaten handle oder ob sich mehr Betroffene getraut haben, | |
Anzeige zu erstatten. Antworten darauf erhoffe sich das BKA durch eine in | |
Zusammenarbeit mit dem Familien- und Innenministerium gestartete Studie zur | |
Gewaltbetroffenheit in Deutschland, so Link. Erste Ergebnisse soll es | |
nächstes Jahr geben. | |
## Innen- und Familienministerium ziehen Konsequenzen | |
„Wir müssen die Gewaltspirale stoppen,“ forderte Innenministerin Faeser. | |
Neben konsequenter Strafverfolgung, müsse auch die Hemmschwelle gesenkt | |
werden, eine Anzeige zu erstatten. Dafür sollen zukünftig an Standorten der | |
Bundespolizei rund um die Uhr besetzte Schalter für von Gewalt betroffene | |
Frauen eingerichtet werden, die mit speziell geschulten Beamtinnen besetzt | |
werden. | |
Besonders wichtig sei zudem die Prävention von Gewalt, die konsequente | |
Strafverfolgung und eine verpflichtende Arbeit mit Tätern. Zu letzterem sei | |
die Innenministerin in engem Austausch mit Bundesjustizminister Marco | |
Buschmann (FDP). „Ich bin sehr sicher, dass es noch diese Legislaturperiode | |
zu einer Regelung kommt,“ erklärte Faeser. | |
Auch Familienministerin Lisa Paus (Grüne) betonte die Relevanz von | |
Präventions- und Schutzangeboten. Das Recht aller Frauen auf Schutz | |
umzusetzen, wie es in der Istanbul-Konvention steht, sei dabei besonders | |
wichtig. Eine [1][Expert:innengruppe des Europarats] hatte bereits im | |
Oktober 2022 darauf hingewiesen, dass es in Deutschland nicht [2][genug | |
Schutzräume für Betroffene häuslicher Gewalt] gebe. | |
Paus will nun das im Koalitionsvertrag angekündigte Gewalthilfegesetz | |
voranbringen. Dies soll einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für | |
alle von Gewalt Betroffenen garantieren. Bislang sind die Länder und | |
Kommunen zuständig für die [3][Einrichtung von Gewalthilfesystemen]. Das | |
von Paus geplante Gesetz soll nun eine dauerhafte Beteiligung an den Kosten | |
durch den Bund ermöglichen. Einen genauen Zeitplan gibt es hierfür noch | |
nicht. | |
## Gewalthilfegesetz höchste Priorität | |
Die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und | |
Gleichstellungsstellen erklärte in einer Pressemitteilung, dass die | |
Umsetzung des Gewalthilfegesetzes höchste Priorität haben müsse. Nur so | |
könne der Staat seiner Schutzverpflichtung nachkommen. Die | |
Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes fordert zudem die konsequente | |
Durchsetzung von Annäherungsverboten, da sie für Frauen lebenswichtig sein | |
können. „Häusliche Gewalt ist keine Privatsache – es ist Aufgabe des | |
Staates, seine Bürger:innen vor Gewalt zu schützen,“ erklärte Sprecherin | |
Johanna Wiest in einem Pressestatement. | |
Die Leiterin des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“, Petra Söchting | |
berichtete im Jahr 2023 von fast 60.000 Personen, die sich an das Angebot | |
gewendet haben. „Das Beratungsaufkommen ist so hoch wie nie zuvor,“ | |
erklärte sie. | |
Für viele sei laut Söchting die Erstberatung über das Hilfetelefon ein | |
erster Schritt aus der Spirale der Gewalt. Die Betroffenen sind dabei | |
häufig noch nicht so weit, dass sie eine Anzeige erstatten wollen. | |
Zunehmend melden sich auch den Opfern nahestehende Personen, besorgte | |
Nachbar:innen oder Familienmitglieder bei ihnen. „Das soziale Umfeld | |
kann ein Türöffner sein,“ so Söchting. | |
7 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/aktuelles/detail/umsetzung-der-… | |
[2] /Bundesweite-Frauenhaus-Statistik/!5972196 | |
[3] /13000-Plaetze-fehlen-in-Frauenhaeusern/!6003598 | |
## AUTOREN | |
Emma Tries | |
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