# taz.de -- Konsequenzen für die rechte Sylt-Feier: Job weg, Ruf ruiniert: ber… | |
> Weil sie beim Feiern rassistische Texte grölten, haben Beteiligte Jobs | |
> verloren, ihre Fotos wurden veröffentlicht. Gerechtfertigt? | |
Bild: Der analoge Pranger, ohne X und Tiktok: eine Zeichnung aus dem 17. Jahrhu… | |
## Ja, | |
denn diese Folgen sind die konsequente Umsetzung des Konzepts | |
[1][„Brandmauer gegen rechts“], das seit Jahren über Parteigrenzen hinweg | |
beschworen wird. Die etwas schräge Metapher – gaukelt sie doch vor, rechtes | |
Gedankengut käme nur am Rand, nicht in der Mitte der Gesellschaft vor –, | |
wird vor allem in Abgrenzung zur AfD genutzt. Doch wenn wir uns als | |
Zivilgesellschaft konsequent gegen rechts stellen wollen, kann das nur | |
heißen, dass das Rufen rassistischer und nationalistischer Parolen Folgen | |
haben muss. | |
Denn das passiert noch viel zu selten. [2][Der Vorfall in Sylt mit seinen | |
Folgen] ist ein Positivbeispiel. [3][Nachdem am Donnerstag ein Video | |
aufgetaucht war,] in dem eine Gruppe Menschen vor dem Club „Pony“ | |
ausländerfeindliche Parolen gegrölt hatte, war die Empörung groß. Doch es | |
blieb nicht bei der Empörung: Einige Partygäste wurden identifiziert, der | |
Clubbetreiber stellte Strafanzeige, erste Arbeitgeber_innen entließen ihre | |
Mitarbeiter_innen, die sie in dem Video wiedererkannt hatten. | |
Nicht alle finden dieses Vorgehen richtig, „Online-Pranger“ und „Hexenjag… | |
heißt es von kritischen Stimmen. Doch davon kann keine Rede sein. Wer in | |
der Öffentlichkeit „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen“ singt und | |
einen Hitlergruß macht, kann sich nicht mit einem betrunkenen Ausrutscher | |
rausreden. Nein, diese Menschen offenbaren ihr zutiefst rassistisches und | |
rechtes Weltbild. | |
Ob es sich dabei um strafrechtlich relevantes Verhalten handelt, haben | |
Gerichte zu entscheiden. Doch das kann für die Gesellschaft nicht bedeuten, | |
die Augen zu verschließen und so zu tun, als sei nichts gewesen. Die einzig | |
richtige Folge dafür ist der gesellschaftliche Ausschluss. Denn wieso | |
sollten Hetzer und Rassisten das Recht haben, unsichtbar zu bleiben? Sie | |
gehören enttarnt. Wenn Arbeitgeber_innen dann entscheiden, nicht mehr mit | |
ihnen zusammenarbeiten zu wollen, scheinen sie verstanden zu haben, was es | |
bedeutet, eine Brandmauer gegen rechts aufzubauen. | |
Zu lange wurden Rechte und Rechtsextreme auf Bühnen und [4][in Talkshows | |
gesetzt], AfD-Politiker_innen und ihre Wähler_innen in gefühligen | |
Waldspaziergängen in die Zeitungen dieses Landes gehievt. Verstehen und | |
zuhören schien die Devise. Die Folgen waren nicht nur ein Anstieg der | |
Zustimmungswerte für die AfD, sondern auch von rechten Straftaten. Nun | |
bleibt festzuhalten, was eh klar war: Der Kuschelkurs ist gescheitert. | |
Sylt ist kein Einzelfall, die rassistische Umdeutung des Partysongs von | |
Gigi D’Agostino ist bei Tiktok und rechten Partys in den letzten Monaten | |
zum Klassiker geworden. Dass es nun endlich Konsequenzen gibt, kann als | |
Symbol gar nicht überschätzt werden. Um wirklich eine Brandmauer zu | |
errichten, wird es allerdings nicht reichen. Dazu müssen sich alle – ob bei | |
der Wahl, bei Demos, bei der Party, am Arbeitsplatz oder im Sportverein – | |
konsequent gegen „Ausländer raus“-Rufe stellen. Auch da, wo die Rufe läng… | |
politische Praxis geworden sind. Carolina Schwarz | |
## Nein, | |
denn das lenkt vom eigentlichen Problem ab. „Deutschland den Deutschen, | |
Ausländer raus!“ war für mindestens 4.791 Menschen in diesem Jahr schon | |
erlebte Praxis: sie wurden abgeschoben. Die [5][Abschiebezahlen sind im | |
Vergleich zum Vorjahr bereits um mehr als 30 Prozent gestiegen], und sollte | |
sich der Trend fortsetzen, hieße es zum Jahresende: 20.000 Ausländer raus. | |
Wenn das mal kein Grund für einen Freudentanz auf Sylt ist. Anlässe zum | |
Partymachen gibt es noch mehr: [6][Die AfD kann seit Sonntag mit neuen | |
Mehrheiten in den Thüringer Stadtparlamenten] mehr Druck auf die lokalen | |
Ausländerbehörden ausüben, die CDU will mit ihrem [7][Grundsatzprogramm] | |
keine Asylverfahren mehr in Deutschland zulassen, [8][die deutschen Grünen | |
unterstützen mit der Geas-Reform die europäische Flüchtlingsabwehr.] Und | |
dann gibt es ja noch die Geschichte mit dem SPD-Bundeskanzler. „Wir müssen | |
endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in | |
Deutschland zu bleiben“, [9][hatte Olaf Scholz im Herbst gesagt.] | |
Mit den Abschiebezahlen liefert die Bundesregierung, da darf man doch auch | |
mal feiern. Aber bitte nicht so „eklig“ wie jetzt auf Sylt (Scholz) oder | |
so, dass das Gebaren „auch mit Alkoholkonsum nicht mehr zu erklären“ ist | |
(Friedrich Merz). | |
Wer sich darüber wundert, dass auch Sylt-Schnösel rechtsradikal sein | |
können, demonstriert nichts als seine eigene Schnöseligkeit. Nazi-Allüren | |
waren im modernen Deutschland nie ein Unterschichtsphänomen. Im Gegenteil: | |
Die für sich beanspruchte (kulturelle) Überlegenheit (auf kulturell | |
unterlegene Art) zu feiern ist in elitären Kreisen geradezu | |
identitätsstiftend. | |
Dass Leute ihre Jobs verlieren können, wenn sie „Ausländer raus“ grölen | |
oder den Hitlergruß zeigen, ist gegenüber den 90er Jahren eine positive | |
Entwicklung. Doch diese Tendenz kann schnell dazu pervertieren, Dinge, die | |
man nicht sehen will, zu verbannen, anstatt darüber einen Streit zu suchen. | |
Denn der Wunsch, diese Menschen gesellschaftlich an den Pranger zu stellen, | |
folgt einem falschen Bedürfnis. Dieses Bedürfnis lautet, Rechtsextremismus | |
zu einem Randphänomen zu erklären, das sich mit einem aseptischen Cut von | |
dem Rest der Gesellschaft trennen ließe. Die Feiernden auf Sylt sind eine | |
reine Projektionsfläche, ähnlich wie die der ewigen ostdeutschen Nazis. | |
Beide Bilder eignen sich, um die eigene Überlegenheit zu demonstrieren oder | |
um sich in der Annahme bestätigt zu sehen, dass Rechtsextremismus in | |
Deutschland das Problem einiger weniger sei. Das ist eine beschränkte | |
Sicht, und der Jobverlust der Sylt-Faschos ist eine genauso beschränkte | |
Konsequenz daraus. Denn nichts ist damit gewonnen – außer eine Ablenkung | |
davon, wie weit rechtsextreme Positionen in die Mitte der Gesellschaft | |
ragen. | |
Im Schatten des Prangers schiebt Deutschland weiter ab. Mit dem Jobverlust | |
der Feiernden werden viele auch dieses Schlaglicht auf die rechten Umtriebe | |
in Deutschland als erledigt betrachten und so den Slogan „Ausländer raus“ | |
weiter etablieren. Cem-Odos Güler | |
27 May 2024 | |
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[7] /CDU-Bundesparteitag/!6008674 | |
[8] /Europaeische-Asylrechtsreform-Geas/!6003865 | |
[9] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/olaf-scholz-ueber-migration-es-k… | |
## AUTOREN | |
Carolina Schwarz | |
Cem-Odos Güler | |
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