# taz.de -- NSU-Dokumentationszentrum in Chemnitz: Ein Blick zurück, einer nac… | |
> In Chemnitz entsteht ein NSU-Dokumentationszentrum als Pilotprojekt. | |
> Auch der Bund plant ein solches Zentrum, aber wohl nicht in Sachsen. | |
Bild: Hier soll ein sächsisches NSU-Dokumentationszentrum enstehen: Luftbild v… | |
BERLIN taz | Es werden Videoinstallationen sein, die bald in den Räumen der | |
früheren EinsEnergie-Zentrale im Zentrum von Chemnitz aufgestellt sein | |
werden – im Pilotprojekt für ein sächsisches NSU-Dokumentationszentrum. Die | |
Videos werden etwa die Demonstrationen „Kein 10. Opfer“ zeigen, mit denen | |
Angehörige 2006 in Kassel und Dortmund auf die Straße gingen, nachdem neun | |
Menschen mit Migrationsgeschichte ermordet wurden. Die Täter waren damals | |
unbekannt, [1][die Familien forderten, auch ein rechtsextremes Motiv zu | |
prüfen] – ihr Protest verhallte. Bis 2011 bekannt wurde: [2][Die Morde | |
verübte der rechtsterroristische NSU.] | |
Das Interim-Dokumentationszentrum zum NSU-Terror soll am Dienstag in | |
Chemnitz vorgestellt werden. Anreisen werden dafür Gamze Kubaşık, | |
[3][Tochter des 2006 in Dortmund erschossenen Mehmet Kubaşık], die | |
sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) und Juliane Seifert (SPD), | |
Staatssekretärin im Bundesinnenministerium. Im Juni soll das Richtfest | |
folgen. Das Projekt wird Teil des Chemnitzer Programms zur | |
„Kulturhauptstadt 2025“. | |
Die Ausstellungen im NSU-Dokumentationszentrum wollen den Fokus auf die | |
Betroffenen richten und den NSU-Terror kritisch aufarbeiten. Zentral soll | |
auch eine „Assembly“ werden, ein Begegnungsraum für Betroffene von rechter | |
Gewalt und für Projekte der Selbstorganisation oder Jugendarbeit. Auch ein | |
Archiv für Recherchen ist angedacht. | |
[4][Sachsens Justizministerin Katja Meier] sagte der taz, sie sei „froh, | |
dass wir in Chemnitz einen angemessenen Ort gefunden haben“, der sich | |
„kritisch-selbstreflexiv“ mit Rassismus und Rechtsextremismus | |
auseinandersetzen werde. „Wir tragen eine Verantwortung hinsichtlich der | |
Aufarbeitung des NSU-Komplexes und der zukünftigen Verhinderung rassistisch | |
motivierter Straftaten.“ | |
## Im Bund soll bis 2027 ein Zentrum entstehen | |
Die Idee eines NSU-Dokumentationszentrums kam schon vor Jahren auf. | |
Thüringen, wo das NSU-Kerntrio 1998 abgetaucht war, brachte [5][bereits | |
2017 einen NSU-Gedenkort und ein Archiv auf den Weg]. Sachsen beschloss | |
2019 [6][ein NSU-Dokumentationszentrum] – und legte 2023 eine | |
Machbarkeitsstudie vor, die einen Doppelstandort in Chemnitz und Zwickau | |
empfahl, wo das Trio jahrelang im Untergrund lebte. 2021 nahm dann auch | |
[7][die Ampel im Bund die Idee in ihrem Koalitionsvertrag auf]. Die Frage | |
ist nun: Lassen sich die Projekte zusammenführen? | |
Der Bund legte Ende Februar eine eigene [8][Machbarkeitsstudie für ein | |
NSU-Dokumentationszentrum] vor, angefertigt von der Bundeszentrale für | |
Politische Bildung. Bis 2027 soll dieses stehen, bis 2030 die Ausstellung | |
fertig sein. Auch dort wird eine Daueraustellung vorgeschlagen, mit Fokus | |
auf die Betroffenen und das Versagen der Sicherheitsbehörden. Ein Archiv | |
soll es ebenso beeinhalten. Empfohlen wird die Gründung einer | |
öffentlich-rechtlichen Stiftung als Träger und ein Mitarbeiterstab von | |
perspektivisch 45 Personen. Im aktuellen Haushalt sind für das Projekt | |
500.000 Euro eingeplant, etwa für die vorbereitenden Studien. 2027 sollen | |
die Kosten dann 15 Millionen Euro betragen. | |
Über den Standort hat der Bund bisher nicht entschieden, sagte am Montag | |
ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der taz. Einen Standort lässt auch | |
die Machbarkeitsstudie offen. Sie betont aber, dass entscheidend eine | |
„politische Signalwirkung“ sei, bereits existierende Strukturen vor Ort, | |
das Besucher*innenpotential und die Sicherheit für migrantische | |
Personen. Der Appell: „Die Bedenken der Betroffenen sollten bei der | |
Standortwahl berücksichtigt werden.“ | |
## Chemnitz und Zwickau als „Täterstädte“ | |
Tatsächlich hatten sich mehrere Opferangehörige gegen Sachsen | |
ausgesprochen: Chemnitz und Zwickau seien „Täterstädte“, zu schwer | |
erreichbar, sie fühlten sich dort nicht sicher. Einige Angehörige | |
plädierten für Berlin als Hauptstandort – und daneben für ein dezentrales | |
Konzept, in das auch Erinnerungsorte an den Tatorten aufgenommen werden | |
könnten, oder eben das Pilotprojekt aus Chemnitz. | |
Auch die Machbarkeitstudie des Bundes war dem gefolgt und hatte neben einem | |
zentralen NSU-Dokumentationszentrum eine „dezentrale Verbundstruktur“ | |
empfohlen. Aus dem Bundesinnenministerium hieß es, in eine solche Struktur | |
ließen sich „Vorhaben wie das Pilotvorhaben in Chemnitz grundsätzlich | |
integrieren“. Eine Entscheidung über den Standort werde „voraussichtlich im | |
Laufe des Jahres erfolgen“. | |
16 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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