# taz.de -- Dokumentation des rechten Terrors: Ein Zentrum für die NSU-Aufklä… | |
> Die Ampel legt eine Machbarkeitsstudie für ein NSU-Dokumentationszentrum | |
> vor. Es soll das Staatsversagen aufarbeiten. | |
Bild: Gedenken an NSU-Opfer Mehmet Turgut in Rostock am 25. Februar: Bisher feh… | |
BERLIN taz | Die Ampel versprach in ihrem Koalitionsvertrag, die Aufklärung | |
des NSU-Terrors „energisch voranzutreiben“. Nun soll ein dafür geplantes | |
Projekt konkrete Form annehmen: [1][ein NSU-Dokumentationszentrum]. Im | |
Auftrag des Bundesinnenministeriums legte die Bundeszentrale für Politische | |
Bildung dafür nun eine Machbarkeitsstudie vor, am Mittwoch wurde sie | |
Angehörigen der Opferfamilien vorgestellt. Noch in diesem Jahr sollen die | |
ersten Schritte erfolgen. | |
Die 43 Seiten umfassende Studie, die der taz vorliegt, formuliert drei | |
Ziele für das Zentrum: Dieses solle ein Ort „der kritischen Aufarbeitung | |
des NSU-Komplexes“ werden. Das beinhalte auch, das „umfassende Versagen des | |
Staates, seiner Sicherheitsbehörden und der gesellschaftlichen | |
Kontrollmechanismen“ aufzugreifen. Zweitens soll eine Einordnung des | |
NSU-Terrors in die Geschichte des deutschen Rechtsterrorismus seit 1945 | |
erfolgen – wo bisher eine „Lücke“ in der Gedenkstättenlandschaft herrsc… | |
wie die Studie einräumt. Drittens soll das Zentrum ein Ort des Gedenkens an | |
die Mordopfer werden. | |
Für die Umsetzung des NSU-Dokumentationszentrums empfiehlt die Studie die | |
Gründung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung als Träger. Die Ampel hat | |
für das Zentrum im aktuellen Haushalt bereits 500.000 Euro eingeplant, | |
womit ein Aufbaustab von 15 Mitarbeitenden finanziert werden soll. Für das | |
nächste Jahr sieht die Studie bereits Kosten von 9,4 Millionen Euro vor. | |
Bis 2027 soll das Zentrum fertiggestellt werden, die Einrichtung der | |
Dauerausstellung bis 2030 abgeschlossen sein. Langfristig sind 45 | |
Mitarbeitende angedacht. | |
Kernstück des Zentrums soll die Dauerausstellung werden, die durch | |
Wechselausstellungen ergänzt werden soll. Damit soll eine hierzulande | |
„einmalige Perspektive“ eingenommen und die Besonderheit des NSU-Komplexes | |
herausgearbeitet werden, so die Studie: das jahrelange Versagen der | |
Sicherheitsbehörden und ein „besonderer Fokus auf die Perspektiven der | |
Opfer“. Eine erste NSU-Wanderausstellung soll noch in diesem Jahr in | |
verschiedenen Städten gezeigt werden – und später in der Dauerausstellung | |
aufgehen. | |
## Welcher Ort ist sicher für Migrant:innen? | |
Daneben soll das Zentrum auch ein Archiv erhalten, in dem Akten aus den | |
NSU-Untersuchungsausschüssen und dem NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht | |
München gesichert werden sollen. Auch eine Kooperation mit | |
zivilgesellschaftlichen, antifaschistischen Archiven ist erwünscht. Den | |
Plan eines Rechtsterrorarchivs hat die Ampel [2][aktuell bereits | |
angeschoben]: Dieses soll vorerst digital angelegt sein und im November | |
dieses Jahres starten. | |
Für das Dokumentationszentrum sind daneben noch weitere Angebote der | |
historisch-politischen Bildung und ein „digitaler Raum“ vorgesehen. Auch | |
ein Förderprogramm für Forschende und für zivilgesellschaftliche Gruppen, | |
die zum Thema aktiv sind, schlägt die Machbarkeitsstudie vor. | |
Den Ort für das NSU-Dokumentationszentrum lässt die Studie noch offen. Hier | |
kämen viele Städte infrage, die einen NSU-Bezug hätten, heißt es. | |
Entscheidend für den Standort seien eine „politische Signalwirkung“, | |
bereits existierende Strukturen, an die das Zentrum andocken könnte, das | |
Besucher*innenpotential und die Sicherheit für migrantische | |
Personen. | |
Hierüber dürfte es noch Diskussionen geben. Denn die schwarz-rot-grüne | |
Regierung in Sachsen hatte ebenfalls schon 2019 ein | |
NSU-Dokumentationszentrum in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart und über | |
zivilgesellschaftliche Träger bereits im vergangenen Jahr eine | |
Machbarkeitsstudie vorgelegt. | |
Der dortige Vorschlag: Ein Zentrum in Chemnitz und Zwickau, wo das | |
abgetauchte NSU-Trio Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt jahrelang | |
lebte und von wo aus es seine zehn Morde, drei Anschläge und 15 | |
Raubüberfälle verübte. Bereits im Juni soll in Chemnitz zudem Richtfest für | |
ein provisorisches NSU-Dokumentationszentrum gefeiert werden, das im Rahmen | |
der „Kulturhauptstadt 2025“ eingerichtet wird. | |
Die Opferfamilien indes lehnen Sachsen als Standort ab. „Die Angehörigen | |
unterstützen das Projekt eines NSU-Dokumentationszentrums und schätzen die | |
intensive Beteiligung der Betroffenen“, sagte Barbara John, Ombudsfrau der | |
Familien, der taz. Noch aber gebe es wichtige Punkte zu klären. Klar sei | |
geworden, dass Chemnitz als zentraler Standort nicht infrage komme. „Viele | |
würden sich in dieser Stadt, in der die Täter über Jahre vielseitig | |
unterstützt wurden, nicht sicher fühlen“. Den Angehörigen sei wichtig, dass | |
möglichst breit an das Schicksal ihrer Angehörigen erinnert werde und an | |
das jahrelange Staatsversagen. Und das Zentrum ein Bildungsort für eine | |
vielfältige Gesellschaft wird. „Dabei wollen die Angehörigen auch | |
persönlich als Zeitzeugen mitwirken. | |
29 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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