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# taz.de -- NSU-Dokumentationszentrum in Chemnitz: Rechte Netzwerke erkennen
> In Chemnitz entsteht ein NSU-Dokumentationszentrum über rechtsextremen
> Terror. Das Neonazi-Umfeld der Mörder lebt weiterhin in der Stadt.
Bild: Hörstation im zukünftigen Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex in Sach…
Es spricht einiges für ein [1][Dokumentationszentrum des NSU-Terrors in
Chemnitz.] Die Stadt gilt als Hotspot der extremen Rechten; ein Haus, das
sich diesem unrühmlichen Konnex widmet, würde sich hier gut machen. Gegen
den Standort Chemnitz sprechen allerdings genau diese Rechtsextremen: So
haben einige Angehörige der Ermordeten Sicherheitsbedenken.
Dass Chemnitz Verantwortung übernehme, fordert indes Gamze Kubaşık, deren
Vater vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) erschossen wurde.
Immerhin war es die lokale Neonaziszene, die die Mörder unterstützte, sagt
sie in einer Audiobotschaft, die bei einer Pressekonferenz am Dienstag in
den Räumen des künftigen Chemnitzer NSU-Dokumentationszentrums abgespielt
wurde.
An die Opfer der NSU-Mordserie soll allerdings nicht bloß an einem Ort
erinnert werden. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische
Bildung, betont, dass eine „Mehrortigkeit“ immer geplant war. Ein zentraler
Standort soll im Verbund mit regionalen Netzwerken entstehen.
## Ein Ort für Leute, die etwas tun wollen
Dass in Chemnitz nun bereits 2025 – pünktlich zum Kulturhauptstadtjahr –
ein vorläufiges NSU-Dokumentationszentrum seine Türen öffnet, ist vor allem
drei Initiativen zu verdanken: der Initiative Offene Gesellschaft, ASA-FF
sowie RAA Sachsen. Projektleiter Jörg Buschmann, der für Letztere bei der
Pressekonferenz spricht, gibt einen Ausblick. Betroffene von rechter Gewalt
sollen sich hier im Haus mit Leuten, die „was tun wollen“, vernetzen, sagt
er. [2][Künstlerisch solle der NSU-Komplex beleuchtet werden,] ein
Symposium zudem europäische Perspektiven einbringen. Monitoring und
Recherche komme eine wichtige Rolle zu, so Buschmann, ferner solle ein
Archiv aufgebaut werden.
Getragen wird das Center zunächst vom Bund und dem Land Sachsen, die beide
2 Millionen Euro beisteuern.
Noch ist das Gebäude an der Augustusburger Straße 1 leer. Eingebettet
zwischen Plattenbauten, besitzt es noch seinen etwas miefigen
Behördencharme, der tief in den Teppichen und grauen Deckenelementen sitzt.
Zuletzt residierten hier die Chemnitzer Stadtwerke. Im Obergeschoss stehen
noch die Kunststoffwände, die die Büros voneinander separierten, samt
Türschildern. Eigentlich könnten die Reste einer schon fast stereotypen
Büroinfrastruktur stellvertretend für den Behördensumpf stehen, in dem die
Ermittlungen zum NSU über die Jahre versickerten.
## Die Ausstellung ist bereits fertig konzipiert
Doch schon in der nächsten Woche sollen hier die Bauarbeiten beginnen. Die
Ausstellung ist bereits fertig konzipiert, vier kleine Elemente geben im
Eingangsbereich einen Vorgeschmack. Zu sehen ist etwa ein Video der
Demonstration in Kassel nach dem neunten NSU-Mord 2006. Auf einem anderen
Bildschirm lernt die Besucherin, die Namen der Mordopfer des NSU korrekt
auszusprechen.
In Chemnitz ist man mit der Umnutzung großer Gebäudekomplexe vertraut.
Schräg gegenüber vom neuen NSU-Dokumentationszentrum steht das Staatliche
Museum für Archäologie, kurz „smac“. Erbaut und eröffnet 1930 als Kaufha…
Schocken, wechselte das Kaufhaus nach der Enteignung der jüdischen
Eigentümer durch die Nationalsozialisten 1938 mehrfach seine Betreiber, bis
es 2014 zum Museum umfunktioniert wurde. Die Stadt hat mit Leerstand zu
kämpfen, rund 10 Prozent der Wohnungen und Häuser stehen hier leer.
Ein weitaus größeres Problem als der Leerstand sind für Chemnitz allerdings
die Rechtsextremen. Es ist noch keine sechs Jahre her, als [3][2018 nach
einem tödlichen Messerangriff eines Geflüchteten auf einen Deutsch-Kubaner
militante Neonazis Seite an Seite mit AfD- und Pegida-Anhänger:innen zu
Tausenden durch die Stadt zogen] und migrantisch gelesene Passanten
angriffen. Es waren wohl diese Ausschreitungen, die die Stadt dazu
brachten, mit ihrem Problem offensiver umzugehen. In ihrer Bewerbung zur
Kulturhauptstadt deutete sie explizit auf das rechte Netzwerk in der Stadt
hin.
## Kontinuität rechtsextremer Angriffe
Dass sich das neue NSU-Dokumentationszentrum nicht nur als Museum versteht,
ist angesichts [4][weiter bestehender rechter Kontinuitäten] nur
folgerichtig. „Wir wollen nicht nur in die Vergangenheit blicken“, sagt die
Staatssekretärin im Bundesinnenministerium Juliane Seifert. Die
SPD-Politikerin spricht von „massiven staatlichen Versäumnissen“, die
thematisiert werden müssten. Wohl aufgrund von rassistischen Vorurteilen
hatten die Ermittler zunächst im Umfeld der Opfer nach den Mördern gesucht.
Auch der rechtsextremistische Hintergrund der Taten war lange Zeit nicht
erkannt worden.
Dass der Nationalsozialistische Untergrund Rechtsextreme inspiriert und
motiviert hat – Stichwort NSU 2.0 –, gehört zu seiner Geschichte. Ebenso
die Ausschreitungen von 2018, an denen sich mit großer Sicherheit auch
Neonazis aus dem Umfeld der NSU-Terroristen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und
Uwe Bönhardt beteiligten und die zu keiner einzigen Verurteilung führten.
Trotz Gegenwinds aus der Zivilbevölkerung scheint die Stadt für
Rechtsradikale attraktiv zu bleiben. Seit Dezember betreibt auch die
[5][Identitäre Bewegung] ein Zentrum in Chemnitz.
18 Apr 2024
## LINKS
[1] /NSU-Dokumentationszentrum-in-Chemnitz/!6004341
[2] /Oper-um-Taten-des-NSU-in-Hannover/!5844635
[3] /Gegen-Rassismus-in-Chemnitz/!5996524
[4] /Buch-ueber-rechtsradikale-Anschlaege/!5729287
[5] /Hausprojekt-in-Chemnitz/!5975667
## AUTOREN
Julia Hubernagel
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Museum
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Deutsche Geschichte
Chemnitz
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Chemnitz
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
Ausstellung
Erinnerungspolitik
Akademie der Künste Berlin
Chemnitz
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)
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