# taz.de -- Restitutionsverfahren reformiert: Gerechtigkeit für Nachfahren | |
> Die Restitution von NS-Raubkunst an die Erben der Bestohlenen wird | |
> leichter. Verfahren können gegen den Willen der Besitzer eingeleitet | |
> werden. | |
Bild: Das Bild Madame Soler von Picasso in der Pinakothek der Moderne in Münch… | |
Nach jahrelangem zähem Ringen will die Bundesrepublik den Erben von während | |
der NS-Zeit geraubten Kunstwerken eine Rückgabe ganz wesentlich | |
erleichtern. Das beschloss am Mittwochnachmittag eine Bund-Länder-Runde | |
unter Beteiligung kommunaler Spitzenverbände in Berlin. | |
Die Landeskulturminister und Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) | |
verständigten sich dabei auf ein entscheidendes Detail. Bisher können | |
Verfahren zur Restitution von mutmaßlicher [1][NS-Raubkunst] in | |
öffentlichem Besitz nur dann in Gang kommen, wenn nicht nur die Erben, | |
[2][sondern auch der jetzige Besitzer – also beispielsweise ein Museum – | |
dem zustimmen.] Damit ist es dem möglichen Profiteur eines Nazi-Diebstahls | |
möglich, eine Eigentumsüberprüfung durch die Beratende Kommission | |
NS-Raubkunst zu blockieren. | |
Dementsprechend sind Verfahren vor der Kommission höchst selten – in den | |
knapp 21 Jahren seit deren Existenz kam es nur zu gut zwei Dutzend | |
Entscheidungen. Zwischen 1933 und 1945 entzogen die Nazis aber in | |
hunderttausenden Fällen durch Raub und Diebstahl insbesondere Jüdinnen und | |
Juden ihre Kunstgegenstände und wertvolle Bücher. | |
Künftig soll es möglich sein, ein solches Verfahren auch gegen den Willen | |
des jetzigen Besitzers in Gang zu bringen. Der Profiteur des Diebstahls | |
kann eine Rückgabe also nicht mehr verhindern. Bayern hatte sich lange | |
gegen eine solche Neuregelung gesperrt. Dort ist ein Restitutionsverfahren | |
um das Picasso-Gemälde „Madame Soler“ bisher nicht in Gang gekommen, weil | |
sich die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen dem Verfahren vor der | |
Kommission NS-Raubkunst widersetzten. | |
## Erklärungen sollen bindend werden | |
Die Verfahren sollen zudem rechtssicher gemacht werden. Bis dato sind die | |
Entscheidungen der Kommission NS-Raubkunst nur Empfehlungen, denen nicht | |
zwingend gefolgt werden muss. In Zukunft sollen diese Erklärungen einen | |
bindenden Charakter haben. Bei Konfliktfällen kann eine Berufungsinstanz | |
ein endgültiges Urteil fällen. Die Möglichkeiten der Provenienzforschung in | |
den Verfahren sollen zudem gestärkt werden. | |
In der Koalitionsvereinbarung versprach die rot-grün-gelbe Bundesregierung | |
noch eine Stärkung der Beratenden Kommission NS-Raubkunst. Nun soll diese | |
zehnköpfige Kommission aufgelöst und durch ein Schiedsgericht ersetzt | |
werden, dessen personelle Zusammensetzung unklar bleibt. Insider vermuten, | |
dass diese Entscheidung mit der Unzufriedenheit besonders konservativer | |
Politiker mit einzelnen Entscheidungen der Kommission zusammenhängt. | |
Für besonderen Unmut sorgte 2021 die Empfehlung, das Gemälde „Die Füchse“ | |
von Franz Marc an die Erben des früheren Besitzers zu restituieren, obwohl | |
dieser, ein jüdischer Bankier, das Bild auf einer Versteigerung in New York | |
zu einem angemessenen Preis verkaufen konnte – ein Raub durch die Nazis lag | |
also nicht vor. Die Kommission argumentierte jedoch, der Verkauf sei | |
verfolgungsbedingt erfolgt. Kritiker sahen mit dieser Entscheidung die | |
Eigentumsrechte heutiger Besitzer tangiert. Die Neuregelung der Restitution | |
von NS-Raubgut soll schon zum Jahresende 2024 in Kraft treten. | |
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) nannte den Beschluss einen | |
[3][„großen und wichtigen Fortschritt, um die Rückgabe von NS-Raubkunst | |
sehr deutlich zu verbessern“.] Der hessische Kulturminister Timon Gremmels | |
(SPD) sprach von einem „wichtigen Schritt für ein beschleunigtes und | |
transparentes Restitutionsverfahren“. | |
15 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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