# taz.de -- Restitution von Menzel-Gemälde: Späte Genugtuung für Erben | |
> Die Beratende Kommission zu NS-Raubkunst entscheidet gegen die | |
> Kulturstiftung Sachsen-Anhalt. Eine Zeichnung Adolph Menzels geht an die | |
> Erben. | |
Bild: Adolph Friedrich Erdmann von Menzel | |
Die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt ist mit dem Versuch gescheitert, die | |
Restitution einer Zeichnung aus dem Besitz des jüdischen Malers Max | |
Liebermann (1847–1935) zu verhindern. Die Beratende Kommission NS-Raubgut | |
empfahl einstimmig, die Zeichnung, betitelt „Maurer beim Bau“ oder | |
„Bauarbeiter“, von Adolph Menzel (1815–1905) an die Erben zu übergeben. … | |
gab die Kommission am Donnerstag bekannt. | |
Die Vertreter der Kulturstiftung hatten argumentiert, dass die Zeichnung | |
zwar unbestritten noch 1932 dem Berliner Impressionisten Liebermann gehört | |
habe, ein Besitznachweis für die Zeit bis zur Machtübernahme der Nazis am | |
30. Januar 1933 aber fehle. Entsprechend sei ungeklärt, [1][ob Liebermann | |
das Werk möglicherweise zuvor freiwillig verkauft habe.] | |
Nach dem Tod Max Liebermanns 1935 beging dessen Frau Martha im März 1943 | |
kurz vor ihrer geplanten Deportation Suizid. Einzig die Tochter Käthe | |
Riezler konnte sich in die USA retten. | |
[2][Die Beratende Kommission unter Vorsitz des ehemaligen | |
Verfassungsrichters Hans-Jürgen Papie]r, die bei Fällen von möglicher | |
NS-Raubkunst im öffentlichen Besitz eingeschaltet werden kann, entschied | |
gegen diese Logik. Der verlangte Nachweis einer negativen Tatsache sei | |
unzulässig, argumentierte die Kommission. | |
Die Behauptung der Kulturstiftung sei „spekulativ“. Nicht die Erben müssten | |
nachweisen, dass die Zeichnung in Besitz Liebermanns verblieben ist. | |
Vielmehr sei es die Pflicht der heutigen Besitzer zu klären, dass die | |
Zeichnung nicht von den Nazis gestohlen wurde, da ein solcher Verkauf einen | |
„atypischen Sachverhalt“ darstellen würde. | |
Max Liebermann galt als großer Anhänger Menzels. Beide hatten sich 1872 | |
kennengelernt. Anfangs kritisierte Liebermann den Realismus in Menzels | |
Arbeiten. Das änderte sich mit den Jahren. „Ich habe den allergrößten | |
Respekt vor ihm, vor seinem Können“, äußerte Liebermann. | |
Er sammelte Kunst von Menzel und kam so in den Besitz von 80 seiner Werke, | |
schreibt der Galerist und Menzel-Kenner Jenns E. Howoldt. Die „Maurer beim | |
Bau“ hatte Liebermann 1916 bei der Berliner Galerie Paul Cassirer erworben. | |
Die Zeichnung hing in Liebermanns Villa am Wannsee, wie ein Foto von 1932 | |
beweist. | |
## In Halle an der Saale | |
Die Datenbank „Lost Art“ verzeichnet das Werk als „Verlust 1936“. Da be… | |
es sich in der Commeter’schen Kunsthandlung. Es ging noch im gleichen Jahr | |
an das Städtische Museum für Kunst und Kunstgewerbe in Halle (Saale). Es | |
befindet sich heute [3][im Kunstmuseum Moritzburg,] das sich in | |
Trägerschaft der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt befindet. | |
Von Liebermann stammt der berühmte Satz: „Ick kann jar nich so viel | |
fressen, wie ick kotzen möchte.“ Er bezog sich damit auf den Fackelzug der | |
Nazis am 30. Januar 1933, den er von seinem Haus am Pariser Platz in Berlin | |
aus beobachten musste. Kurz nach der NS-Machtübernahme legte er seine | |
Ehrenpräsidentschaft bei der Preußischen Akademie der Künste nieder und | |
trat aus der Organisation aus. | |
Große Teile von Liebermanns umfangreicher Kunstsammlung wurden nach seinem | |
Tod 1935 von den NS-Machthabern gestohlen. Das NS-Regime beschlagnahmte | |
allein nach dem Suizid Martha Liebermanns Dutzende Gemälde und Zeichnungen | |
aus ihrem Besitz, darunter neun von Menzel, wie aus Akten des | |
Oberfinanzpräsidenten hervorgeht. | |
Die Bundesrepublik und die Nachfahren Liebermanns einigten sich in einem | |
Entschädigungsverfahren Anfang der 1960er Jahre auf einen Vergleich in Höhe | |
von lediglich 170.000 Mark, heute knapp 85.000 Euro. | |
[4][Die Entscheidung der Beratenden Kommission ist nicht bindend.] Bisher | |
sind aber alle davon betroffenen öffentlichen Institutionen den | |
Empfehlungen gefolgt. | |
29 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
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